Europameisterschaft in Deutschland
Die EM 2024 ist seit 2016 das erste echte Fußballturnier – ein Kommentar
- Aktualisiert: 20.06.2024
- 15:12 Uhr
- Justin Kraft
Der erste Spieltag der EM 2024 ist vorbei und eine erste große Erkenntnis ist bereits jetzt da: Dieses Turnier übertrifft bisher alle Erwartungen.
Tore, Spektakel, Emotionen – die EM 2024 in Deutschland schickt sich an, eines der besten Fußball-Turniere der jüngeren Vergangenheit zu werden. Zugegeben: Die jüngere Konkurrenz ist kaum existent. WM in Russland, EM während der Corona-Pandemie und WM in Katar – breitflächige Emotionen kamen dort nicht auf.
In Deutschland ist das anders. Im Herzen des Kontinents findet sich Fußball-Europa ein, um ein großes Fest zu feiern. Fanmärsche, kreative Outfits, großartige Stimmung in den Städten und Stadien – dieses Turnier macht schon jetzt richtig Lust auf mehr.
Nicht nur aus den Nachbarländern Österreich oder Niederlande kommen tausende Fans nach Deutschland, sondern auch die rumänischen Fans haben gezeigt, dass sie ein Stadion einnehmen können. Die EM 2024 ist erst fünf Tage alt und schon gibt es zahlreiche Gänsehautmomente, die nur durch die Fans geschaffen werden.
Fünf Tage, die nochmal vor Augen führen, wie absurd es ist, große Fußballturniere in Ländern zu veranstalten, in denen politische Themen wie die Menschenrechtslage, Krieg und damit verbundenes Sportswashing das Geschehen überschatten.
Fünf Tage, die eindrucksvoll zeigen, wie schlecht die Atmosphäre bei der WM in Katar war, die Gianni Infantino als "beste WM aller Zeiten" vermarkten wollte.
Das Wichtigste in Kürze
Solche Turniere gehören in Länder, in denen der Fußball den Stellenwert bekommt, den er während dieser vier Wochen verdient. Und genau das passiert gerade in Deutschland.
EM 2024: Emotionen schwappen von den Rängen aufs Feld über
Auch sportlich scheinen die Emotionen der Fans Auswirkungen zu haben, wenn man sich anschaut, wie spektakulär die Teams teilweise auftreten. Mitte der 2010er Jahre fragten sich viele bei den Turnieren, ob die Zeit des offensiven Fußballs abgelaufen sei. Gerade beim Duell der Großen gegen die Kleinen gab es viel Mauerfußball. Unappetitlich für die Fans, wenig förderlich für die Atmosphäre.
In Deutschland präsentieren sich nicht nur die meisten Teams sehr offensiv, es ist auch so, dass die Top-Nationen ihren Favoritenrollen meist gerecht werden und gute Lösungen gegen tiefstehende Mannschaften entwickelt haben.
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EM 2024: Die besten Bilder des fünften Tages - Traumtore, Regen, Krawalle und Slapstick
Gleichzeitig gibt es dennoch Überraschungen wie die Niederlage der Belgier gegen die Slowakei (0:1) oder Sloweniens 1:1 gegen Dänemark. Neben dem deutschen Spektakel war auch der Auftritt der Türken gegen Georgien am Dienstagabend ein echtes Highlight.
Beide Teams lieferten sich einen Schlagabtausch mit offenem Visier. Es ging hin und her. Hohes Tempo, viele Fehler, aber damit verbunden ein unschlagbarer Unterhaltungswert. Gekrönt durch absolute Traumtore wie dem von Arda Güler, der den Ball stramm in den Winkel beförderte. Ekstase im Westfalenstadion, das von den Fans zum türkischen Tempel umfunktioniert wurde.
Selbst als Unbeteiligter konnte man bei diesem Spiel doch kaum anders, als sich emotionalisieren und mitreißen zu lassen. Fußball pur. Fußball wie er sein muss. Einfach großartig.
EM 2024: Das erste echte Fußballturnier seit 2016
Die Symbiose aus vielen Toren, offensiven Mannschaften und den starken Auftritten aller Fans ist die eine gewichtige Komponente, die die EM 2024 zu einem echten Highlight macht. Die andere ist, dass es bisher überwiegend friedlich zuging. Ausnahmen wie bei England gegen Serbien, als in der Stadt beide Fanlager aneinandergerieten, wird es wohl auch weiterhin geben.
Die Regel aber ist, dass die Fanlager zu großen Teilen auch zusammen feiern und für witzige Momente sorgen. Beispielsweise einige Österreicher, die französische Fans liebevoll mit einem Plakat provozierten, auf dem festgehalten wurde, dass Schnitzel besser als Baguette sei. Die Franzosen konterten mit Gesängen für ihr geliebtes Gebäck. Oder Albaner, die vor einer Gruppe italienischer Fans eine Hand voll Spaghettis in der Mitte zerteilten – die Italiener nahmen es mit Humor.
Wenn es dieser EM an etwas nicht fehlt, dann sind es großartige Bilder. Und eben Tore, Spektakel, Emotionen. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser wunderbare Trend fortsetzt. Es fühlt sich an, wie das erste echte Fußballturnier seit Frankreich 2016. Einem echten Sommermächen anno 2006 steht also nichts mehr im Wege.