Türkei - Georgien
EM 2024 - Türkei ins Achtelfinale? Ex-Coach Kuntz: "Alles andere wäre eine negative Überraschung"
- Veröffentlicht: 18.06.2024
- 14:01 Uhr
- Martin Volkmar
Im Interview mit ran spricht der ehemalige türkische Nationalcoach Stefan Kuntz über die Chancen seines Ex-Teams bei der EM, die große Unterstützung in Deutschland und den Start der DFB-Auswahl.
Das Interview führte Martin Volkmar
Stefan Kuntz hat genug zu tun in seinem neuen Job als neuer HSV-Boss. Und nun erschwert ihm die UEFA auch noch den Weg zur Arbeit im Volksparkstadion, denn die Traditionsarena wird als Spielort der Europameisterschaft streng kontrolliert.
"Aber dafür haben wir eine EM in Deutschland. Das ist ja auch was Schönes", sagt der Europameister von 1996 gewohnt positiv.
Bis vergangenen September hatte Kuntz allerdings das Ziel, die Endrunde nicht als Funktionär in Hamburg, sondern als vierter deutscher Trainer neben Julian Nagelsmann (DFB-Team), Ralf Rangnick (Österreich) und Domenico Tedesco (Belgien) zu erleben.
Stefan Kuntz: Im September in Türkei gefeuert
Doch im September wurde der 61-Jährige als Nationalcoach der Türkei gefeuert, sein früheres Team will nun Kuntz‘ Arbeit zu einem erfolgreichen Ende bringen.
Das Wichtigste in Kürze
Dabei setzen die Anatolier auch auf die eigenen Fans. "Wir werden in Deutschland wie Gastgeber sein, vor allem bei den Spielen in Dortmund", sagte BVB-Profi Salih Özcan vor dem Auftakt gegen Georgíen (ab 18 Uhr Liveticker bei ran): "Das wird der Wahnsinn. Die gelbe Wand wird rot-weiß sein."
Stefan Kuntz wird die Auftritte des EM-Halbfinalisten von 2008 jedenfalls mit großem Interesse verfolgen, wie er im Gespräch mit ran erklärt.
ran: Herr Kuntz, Sie haben vor vier Wochen Ihren neuen Job als HSV-Vorstandsvorsitzender angetreten. War das ein bisschen wie von 0 auf 100?
Stefan Kuntz: Ja, das ist absolut richtig beschrieben. Es geht ja nicht nur um Transfers, sondern es gibt noch einige andere Sachen, wo schnelle Entscheidungen anstehen. Aber ich habe gute Leute um mich herum und auch sonst läuft es gut bis jetzt.
ran: Und die EM?
Kuntz: Ich habe bis auf eine Ausnahme für das Spiel heute alles abgesagt, um mich voll auf den HSV fokussieren zu können. Aber natürlich verfolge ich die EM, das ist schon auch noch Teil meines Jobs.
ran: Die Türkei startet heute gegen Georgien ins Turnier. Ist es für Sie immer noch ein besonderes Spiel?
Kuntz: Ja, denn es sind ungefähr 80 oder sogar 90 Prozent der Spieler im türkischen Kader, mit denen ich auch gearbeitet habe. Daher schaue ich die Spiele der Türkei natürlich mit großem Interesse.
ran: Die Mannschaft geht sehr optimistisch in die EM. Wie sehen Sie die Chancen?
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Kuntz: "Türken müssen Gruppenphase überstehen"
Kuntz: Die Gruppenphase müssen die Türken normalerweise überstehen. Alles andere wäre eine sehr negative Überraschung. Allerdings hat die Mannschaft im März gegen Österreich 1:6 verloren und zuletzt 1:2 in Polen. Das gefällt natürlich in der Türkei niemandem. Trainer Vincenzo Montella hat das damit erklärt, dass man experimentiert hat und es besser laufen werde, wenn es darauf ankommt. Und deswegen ist die Erwartungshaltung schon sehr groß.
ran: Ein großer Vorteil dürfte aber sein, dass die Türken in Dortmund ein Heimspiel haben werden, oder?
Kuntz: Ja, genau. Das ist erstmal ein Vorteil. Aber das Wort, was in der Türkei nicht so oft benutzt wird, ist halt Geduld. Wenn es im Spiel nicht so richtig läuft, kann das auch ein bisschen mehr Druck erzeugen, als wenn jetzt nicht ein komplettes Stadion auf deiner Seite und die Erwartungshaltung entsprechend groß ist.
ran: Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen des Teams?
Kuntz: Die Emotionalität ist aus meiner Sicht Stärke und Schwäche zugleich, das kann in beide Richtungen gehen. Und die schlechten Ergebnisse in den Spielen in diesem Jahr haben natürlich auch für eine gewisse Verunsicherung gesorgt. Andererseits hat die Mannschaft starke Einzelspieler, gerade diejenigen mit internationaler Erfahrung wie Calhanoglu, Güler, Özcan oder Yildiz.
ran: Fünf Spieler sind in Deutschland geboren, mehr als drei Millionen türkischstämmige Menschen leben hier. Werden die Türken eine Art zweiter EM-Gastgeber sein?
Kuntz: Ja, das glaube ich schon. Die Türken sind ja sehr stolz auf ihr Land und das wird man auch bei dieser EM sehen, in den Stadien und den Städten.
ran: Wie gefällt Ihnen generell bisher die Stimmung bei der EM?
Kuntz: Ich finde es bis jetzt wirklich fantastisch. Wir hatten hier in Hamburg am Sonntag das Spiel zwischen den Niederlanden und Polen. Das war total friedlich und eine super Atmosphäre. Der Fußball steht im Vordergrund. Das ist das, was mir am meisten gefällt.
ran: Und der Auftakt des DFB-Teams hat Ihnen wahrscheinlich auch gefallen?
Kuntz: Also wer da noch etwas zu meckern haben sollte, der hat ja den Schuss nicht gehört. Das war wirklich gut. Wichtig ist nur, dass man das jetzt auch richtig einordnet, denn Schottland war an dem Tag wirklich kein besonders guter Gegner. Aber für die zweite Partie spielt es uns auch in die Karten, dass Ungarn verloren hat und jetzt unter Zugzwang ist. Daher bin ich da zuversichtlich.