Nationalmannschaft
Nach Neuers Patzer: Wer jetzt nach Marc-Andre ter Stegen ruft, hat eines nicht verstanden - Kommentar
- Aktualisiert: 22.05.2024
- 11:07 Uhr
- Carolin Blüchel
Sollte Bundestrainer Julian Nagelsmann nach Neuers Patzern gegen Real Madrid und Hoffenheim seine Nummer-eins-Entscheidung noch einmal überdenken? Auf keinen Fall, meint ran - ein Kommentar.
von Carolin Blüchel
Manuel Neuer ist aktuell nicht in Bestform. Sein folgenschwerer Kahn-Moment im Halbfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid und drei Patzer im letzten Bundesliga-Spiel gegen Hoffenheim dienen zweifelsohne als Beweise dafür.
Es gehört zu einem Torhüterleben, dass bei folgenschweren Fehlern unzählige Traumparaden vorübergehend in Vergessenheit geraten. Weggewischt, als hätte es sie nie gegeben.
Dass Fußball-Deutschland wenige Wochen vor der Heim-EM in Aufruhr ist, wenn die Stütze Nummer eins wankt – verständlich. Der Ruf nach Marc-Andre ter Stegen und einer Neuer-Ablösung - weniger. Und das sei bei allem Respekt vor dem Barca-Keeper angemerkt.
Aber: Würde Nagelsmann Neuer jetzt in Frage stellen, wäre es eine Katastrophe. Man entzieht einem Torwart, an den man wirklich glaubt, nicht das Vertrauen, nur weil er sich ein paar Unkonzentriertheiten geleistet hat. Im Gegenteil: Man stärkt ihm bedingungslos den Rücken, begegnet ihm mit Überzeugung, damit er wieder zu alter Stärke finden kann.
Das Wichtigste in Kürze
Eine Ablösung Neuers als Nummer eins ohne Not, hätte zwei verunsicherte Keeper zur Folge: Neuer aufgrund der Degradierung und ter Stegen, der ja ursprünglich als einen Tick schlechter befunden worden war.
Es ist eine Baustelle, die der Bundestrainer nicht braucht. Dabei ist der psychologische Effekt nicht einmal der wichtigste Aspekt.
Neuer kann es immer noch
Neuers Mentalität ist einzigartig. Wie viele hatten den 38-Jährigen nach doppeltem Schien- und Wadenbeinbruch abgeschrieben? Eine Horrorverletzung im fortgeschritten Fußballer-Alter? Das kann er nicht schaffen.
Neuer bewies das Gegenteil. Durch akribische Arbeit. Vor allem aber durch den Glauben an sich selbst, unbändigen Willen, das Mindset eines Champions. Im Übrigen eine Qualität, die die Nationalmannschaft bei der Heim-EM dringend benötigt, um ein Sommermärchen 2.0 zu kreieren.
Hinzukommt Neuers Können - trotz der enttäuschenden Saison mit dem FC Bayern. Der 2014er-Weltmeister hält noch immer Unhaltbare, wie er mit seinen Glanzparaden gegen Real Madrid ein ums andere Mal eindrucksvoll zeigte.
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Ter Stegen mit durchwachsener Saison
Und dann gibt es noch einen entscheidenden Punkt, den diejenigen, die jetzt nach ter Stegen rufen, offenbar völlig vergessen haben. Während der 32-Jährige in der Saison 2022/23 noch als La-Liga-MVP ausgezeichnet wurde, eine Ehre die meist Stürmern zu Teil wird, zeigte die Formkurve in der abgelaufenen Spielzeit nach unten.
Der FC Barcelona blieb im Meisterkampf ähnlich chancenlos wie die Bayern in der Bundesliga. In der Champions League ließen sich die Katalanen in Unterzahl im Viertelfinal-Rückspiel von Paris St. Germain regelrecht abschlachten.
DFB-Kader für die Heim-EM 2024: Die Mannschaft von Julian Nagelsmann in der Übersicht
Ter Stegen selbst verpasste wegen hartnäckiger Rückenprobleme sage und schreibe 19 Spiele. Und auch er wackelte. Wie kürzlich beim 4:2 gegen den FC Valencia, als er aus dem Tor eilte, den Ball nicht richtig traf und damit das 1:1 des Gegners auflegte.
Die Erkenntnis ist einfach. Torhüter machen Fehler. Das gehört zum Job. Sich aus einer Schwächephase herauszuarbeiten, ebenfalls.
Nagelsmann wäre ein schlechter Bundestrainer, würde er bei jedem Patzer seine mit Überzeugung getroffenen Entscheidungen wieder hinterfragen.