Kommentar
Nagelsmann beruft Pavlovic: Die komplett richtige Entscheidung - ein Kommentar
- Aktualisiert: 14.03.2024
- 22:05 Uhr
- Tobias Hlusiak
Julian Nagelsmann hat auf den Tag genau drei Monate vor dem Eröffnungsspiel der Heim-EM seinen ersten Kader des Kalenderjahres 2024 bekanntgegeben. Dabei ist auch Bayern-Shootingstar Aleksandar Pavlovic. Die Nominierung des 19-Jährigen ergibt Sinn, birgt aber auch ein kleines Risiko. Ein Kommentar.
Von Tobias Hlusiak
In den vergangenen Tagen war schon einiges durchgesickert. Nun hat Julian Nagelsmann Fakten geschaffen.
Der erste Nationalmannschaftskader des Bundestrainers im EM-Jahr 2024 hat es in sich.
Kaum BVB-Spieler befinden sich darin, dafür - völlig verdient - gefühlt die halbe Startelf des VfB Stuttgart.
Ein paar altgediente Stars hat es erwischt. Sie wurden nicht nominiert, müssen sich nun strecken, um den EM-Zug noch zu erwischen. Auf Bayerns Leon Goretzka trifft das unter anderem zu.
Im Gegenzug erhalten Neulinge die Chance, sich zu zeigen. Einer davon ist Goretzkas Vereinskollege Aleksandar Pavlovic. Seine Nominierung ergibt auf den ersten Blick Sinn.
Auch auf den zweiten?
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Experten zum Großteil gegen Pavlovic-Nominierung
Zwölf Bundesligaspiele und zwei Auftritte in der Champions League, insgesamt 841 Minuten Spielzeit für die erste Mannschaft des Rekordmeisters, haben dem 19-Jährigen gereicht, um sich in den besten Kader Deutschlands zu spielen.
Das ging fix.
Einige sagen: zu fix! Darunter verdiente Ex-Nationalspieler wie Lothar Matthäus und Mario Basler, oder zuletzt der 2014er Weltmeister Sami Khedira.
Alle sehen in Pavlovic das - unbestritten - große Talent, bezweifeln aber seine Reife, schon bei diesem so wichtigen Heim-Turnier tatsächlich eine Hilfe sein zu können. Beim 0:3 im Bundesligaspiel in Leverkusen ging er in der Zentrale beispielsweise unter.
Das Argument ist daher valide, lässt aber ein paar wichtige Komponenten außer Betracht.
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DFB: Nagelsmann setzt auf Form statt Klasse
Nagelsmann hat seinen Kader nach den mehr als enttäuschenden November-Länderspielen gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) einem radikalen Umbruch unterzogen.
Viel frisches Blut, neue Gesichter. Der Bundestrainer setzt ganz offensichtlich auf unverbrauchte Typen und auf Spieler, die in Sachen Nationalmannschaft nicht vorbelastet sind.
Keine schweren Gedanken oder Erinnerungen an vorangegangene Misserfolge im deutschen Trikot. Stattdessen Mut, Zuversicht, Freiheit und - ganz wichtig - Kredit bei den Fans und aktuell einen Lauf im Verein.
Nagelsmann setzt auf die aktuelle Form der Spieler statt wie in den vergangenen Jahren zu häufig auf die vermeintliche Klasse, die dann bei den letzten drei Turnieren in entscheidenden Momenten nicht abgerufen wurde.
Allein aus diesem Grund hat Pavlovic die Berufung verdient. Mit 19 Jahren hat er sich in zentraler Rolle beim größten deutschen Klub etabliert, spielt befreit und scheut sich auch nicht davor (auf dem Platz) den Boss zu geben.
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Pavlovic: DFB muss an die Zukunft denken
Hinzu kommt der politische Aspekt, den man nicht unterschlagen darf.
Die Nominierung Pavlovics ist auch als Signal zu verstehen. Denn der serbische Verband bemüht sich ebenfalls um die Dienste des Jungstars.
Nachdem der DFB erst kürzlich das Rennen um die Talente Can Uzun (Türkei), Lazar Samardzic (Sebien) und Kenan Yildiz (Türkei) verloren hat, darf das bei einem Ausnahmespieler wie Pavlovic nicht passieren.
Nagelsmann bestritt zwar einen Zusammenhang und betonte, Pavlovics Nominierung habe allein mit seiner aktuellen Performance zu tun.
Das ist auch das beste Gegenargument gegen die oben genannten Experten: Die besten Spieler müssen ins Nationalteam, nicht die mit den meisten Verdiensten.
Genau deshalb feierte Thomas Müller vor fast genau 14 Jahren sein Debüt in der A-Mannschaft, ebenfalls während seiner ersten Saison als Bayern-Profi.
Einige Monate später gehört er zu den Leistungsträgern bei der WM 2010 in Südafrika.
Kehl genervt von DFB-Frage: „Bin kein Vertreter der Nationalmannschaft!“
Auch bei Pavlovic geht es ums Leistungsprinzip
Dass der 34 Jahre alte Müller noch immer dabei ist, zeigt aber auch ein Problem auf: Zu seinem Amtsantritt nominierte Nagelsmann das älteste DFB-Aufgebot seit 2001.
Dementsprechend ist mit Blick auf die Zukunft der Einbau von Talenten wie Maximilian Beier (21) und eben Pavlovic (19).
Eine Nominierung für die Freundschaftsspiele in der kommenden Woche gegen Frankreich und die Niederlande "sichert" das Bayern-Juwel nicht für Deutschland, signalisiert ihm aber klar, dass hier mit ihm geplant wird.
Nägel mit Knöpfen könnte man dann bei der Bekanntgabe des tatsächlichen EM-Kaders machen. Denn nach einem Pflichtspiel für einen Verband darf man diesen nicht mehr wechseln.
Sollte der Bundestrainer bis dahin allerdings nicht vollends üerzeugt sein vom sofortigen EM-Nutzen des Bayern-Shootingstars, müsste er nach seinen eigenen Worten auf der Pressekonferenz auf Pavlovic verzichten.
Alles andere wäre nicht nur schwer vermittelbar, es würde auch der jetzigen Rückkehr zum Leistungsprinzip widersprechen.