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Weltmeister Olaf Thon zieht sein EM-Fazit

Olaf Thon exklusiv: "Mit Sane in Top-Form wären wir Europameister geworden"

  • Aktualisiert: 16.07.2024
  • 21:25 Uhr
  • Christian Stüwe
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Für Deutschland war bei der Europameisterschaft im Viertelfinale Schluss. Olaf Thon, Weltmeister von 1990, zieht im Interview mit ran ein Fazit der Heim-EM, er lobt Julian Nagelsmann und spricht darüber, was im DFB-Team bis zur WM 2026 passieren muss.

Von Christian Stüwe

ran: Olaf Thon, wie fällt Ihr Fazit zur Europameisterschaft aus?

Olaf Thon: Im Vorfeld war ja nicht ganz klar, wie es werden wird. Wie ist das Wetter? Wo steht die deutsche Mannschaft leistungsmäßig? Ich denke, unsere Mannschaft hat schon vor der EM mit den beiden Siegen in den Testspielen gegen die Niederlande und Frankreich gezeigt, dass sie zum Favoritenkreis gehört. Und das hat sie dann in der Vorrunde der EM bestätigt. Und vor allem im Spiel gegen die Spanier. Ich glaube, wir waren die einzige Mannschaft, die die Spanier aufhalten hätte können. Und von daher muss ich sagen, dass Julian Nagelsmann in der kurzen Zeit viel Positives erreicht hat.

Auch die Zuschauer aus den verschiedenen Teilnehmerländern haben ihren Teil beigetragen. Es wäre nach 2006 ein "Sommermärchen 2.0" gewesen, wenn wir ins Finale gekommen wären und die Europameisterschaft gewonnen hätten. So muss man festhalten, dass wir nah dran waren. Aber grundsätzlich, vom ganzen Ablauf des Turniers her, haben es die Verantwortlichen um Direktor Philipp Lahm geschafft, die EM zu einem richtig großen, super Turnier zu machen.

ran: Es gab allerdings auch einige schwächere Spiele und das Wetter hat nicht so mitgespielt wie 2006…

Thon: Gerade in der Vorrunde kommt es oft zu einem Abtasten, das lässt sich nicht vermeiden. Wir haben gesehen, dass Mannschaften, die sich später im Turnierverlauf gesteigert haben, in der Gruppenphase rein auf Ergebnis gespielt haben. Das müssen wir so hinnehmen. Dass 24 Mannschaften teilnehmen, ist eine super Zahl. An der letzten Europameisterschaft in Deutschland 1988 haben nur acht Mannschaften teilgenommen, das waren viel zu wenige.

Ich glaube, man könnte auch auf 32 Mannschaften aufstocken. Bei der nächsten WM werden 48 Mannschaften antreten, das ist meiner Meinung nach dann zu viel. Man sollte sich bei 32 Mannschaften für solche Turniere einpendeln. Die Frage, ob das ein Land alleine schaffen kann, haben wir erfolgreich beantwortet. Und deshalb ist mein Fazit, dass es eine mehr als gesunde Europameisterschaft des Gastgebers Deutschland war.

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ran: Kritische Töne kamen vom früheren Bundestrainer Berti Vogts, der gesagt hat, dass Deutschland zu wenig Weltklasse auf dem Platz habe und nicht mit internationalen Topteams mithalten könne. Sehen Sie das anders?

Thon:  Ja. Denn wir haben mit unseren "bescheidenen Mitteln" dagegen halten können und hätten die Spanier fast geschlagen. Wir sind auch wegen ein paar unvorhersehbaren Dingen wie etwa dem nicht gepfiffenen Handspiel nicht weitergekommen. Deshalb sehe ich das nicht so kritisch wie mein ehemaliger Trainer. Berti Vogts ist ein großer Fachmann und hat da wohl eine besondere Meinung zu. Aber ich bin unterm Strich ein Optimist und vor dem Turnier hätte kaum jemand der deutschen Mannschaft diese Leistung zugetraut. Deshalb bin ich absolut positiv gestimmt und nicht der Meinung von Berti Vogts. Mit "Weltklasse" meinte er vielleicht die Ranglisten, die nächste Woche wieder im "kicker" erscheinen. Da wird wohl kein deutscher Spieler in die Kategorie "Weltklasse" gewählt. Denn das passiert oft nur, wenn man viele Tore schießt oder einen Titel geholt hat. Und das haben wir nicht. Und deswegen  ist es vielleicht nicht "Weltklasse", aber auf jeden Fall "internationale Klasse".

ran: Außer Niclas Füllkrug gibt es keinen echten Neuner im DFB-Team, Füllkrug wird oft abgesprochen, auf seiner Position zur internationalen Klasse zu gehören. Bleibt der Angriff die größte Baustelle im DFB-Team?

Thon: Niclas Füllkrug ist ein super Stürmer. Er hätte auch ein paar Tore mehr machen können. Die Chancen waren da, er hat einfach Pech gehabt. Wenn man sich die dann anderen Stürmer anschaut, die vielleicht vom Potenzial, von der Schnelligkeit und einigen andere Dingen her auf den ersten Blick besser erscheinen, braucht sich Füllkrug nicht zu verstecken. Kylian Mbappe, der natürlich Probleme mit seiner Nase hatte, hat nur ein Tor gemacht. Auch vor dem, was Harry Kane bei der EM gezeigt hat, braucht sich Füllkrug mit seiner Leistung sicher nicht zu verstecken.

Leider nicht gezündet hat Leroy Sane in der Offensive. Das lag auch an seiner Verletzung, er hat sich jetzt an der Leiste operieren lassen. Aber ich glaube an Leroy Sane! In absoluter Weltklasseform hätte er den Unterschied ausmachen können und wir wären Europameister geworden. Manchmal hängt es nur an zwei, drei Stellschrauben.

Olaf Thon bestritt zwischen 1984 und 1998 52 Länderspiele für Deutschland und wurde 1990 Weltmeister. In der Bundesliga bestritt er 443 Spiele für Schalke 04 und den FC Bayern München.
Olaf Thon bestritt zwischen 1984 und 1998 52 Länderspiele für Deutschland und wurde 1990 Weltmeister. In der Bundesliga bestritt er 443 Spiele für Schalke 04 und den FC Bayern München.© Steinsiek.ch

ran: Wie beurteilen Sie die anderen Mannschaftsteile des DFB-Teams?

Thon: Auf der rechten Außenverteidiger-Position hat sich Joshua Kimmich von Spiel zu Spiel gesteigert. Aber auf der linken Außenverteidiger-Seite waren ein paar kleine Schwächen auszumachen. Maximilian Mittelstädt und David Raum sind schon etwas abgefallen. Im Mittelfeld war es die richtige Entscheidung Toni Kroos zurückzuholen und mit Ilkay Gündogan zentral spielen zu lassen - zusammen mit den "jungen Wilden" Jamal Musiala und Florian Wirtz. Insgesamt muss ich sagen: Hut ab! Chapeau vor Deutschland.

ran: Mit Toni Kroos hat der zentrale Spieler in Julian Nagelsmanns System seine Karriere beendet. Muss der Bundestrainer jetzt wieder einen Neuanfang starten?

Thon: Ja, auf jeden Fall. Denn es ist ja nicht nur Toni Kroos, der aufhört. Auch Thomas Müller hat seine Karriere beendet. Gündogan wird es sich vielleicht auch überlegen. Bei Manuel Neuer hoffe ich, dass er noch weitermacht. Denn ich sehe jetzt keinen Torwart, der bei der WM 2026 so stark sein könnte, dass man auf diese Konstante im Tor verzichten könnte. Man braucht auch so ein paar Anker in einer Mannschaft. Wenn diese Anker alle auf einmal wegbrechen, dann ist das ein bisschen viel. Vielleicht schafft es Kimmich bis zur nächsten WM in die Rolle hineinzuwachsen und Toni Kroos zu ersetzen. Oder Gündogan, der so ein bisschen zwischen den beiden spielt.

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Ich glaube, wir brauchen vor allem sehr viel junges Blut in der Mannschaft.

, Olaf Thon

ran: Worauf wird es bis zur WM ankommen?

Thon: Ich glaube, wir brauchen vor allem sehr viel junges Blut in der Mannschaft. Die Spanier sind mit 16, 17 und 18-jährigen in der Mannschaft Europameister geworden. Das fehlt mir aktuell in Deutschland, dass wir auch mal solche jungen Talente herausbringen. Sie müssen dann aber auch von den Vereinen die Chance bekommen, in der Bundesliga zu spielen. Vielleicht sehen wir in der kommenden Saison ein paar junge Leute, die dann in zwei Jahren soweit sein könnten, um bei der WM mitzuspielen.

ran: Julian Nagelsmann hat nach dem Aus im Viertelfinale gegen Spanien direkt den WM-Titel 2026 als Ziel ausgegeben. Ist das für Sie realistisch?

Thon: Ich glaube, er hat ein bisschen übertrieben. Aber mir gefällt es gut, wenn jemand große Ziele hat. Denn wir waren ganz nah dran am Titel, am Halbfinale, so dass man das durchaus aussprechen kann. Wer um die Europameisterschaft mitspielt und mit der besten Mannschaft des Turniers mitgehalten hat, der kann sich mit allen Mannschaften auch auf der Welt messen.

ran: Deutschland konnte Spanien zuletzt bei der EM 1988 in einem Pflichtspiel bezwingen, damals standen Sie auf dem Platz. Nun wird der jungen spanischen Mannschaft vorausgesagt, dass sie eine Ära begründen könnten. Ist Spanien in den nächsten Jahren praktisch unschlagbar?

Thon: Unschlagbar ist niemand. Franz Beckenbauer hat das 1990 nach der Weltmeisterschaft zu seinem Nachfolger Berti Vogts gesagt: "Jetzt bekommst du noch die Spieler aus dem Osten dazu, dann sind wir unschlagbar." Aber nein, das waren wir nicht. Weil es so eng zugeht in der Weltspitze. Wir haben bei der EM alles gesehen: Verlängerung, Elfmeterschießen, glückliche Tore, glückliche Schiedsrichterentscheidungen. Das spielt da alles mit rein. Spanien wird bei der Weltmeisterschaft 2026 der Favorit sein. Aber nicht mehr und nicht weniger. 

ran: Was kann man sich aus DFB-Sicht von den Spaniern abschauen?

Thon: Wie ich bereits erwähnt habe, man muss die jungen Spieler einbauen und Vertrauen in ihr Talent haben. Darüber hinaus muss man hoffen, dass Leroy Sane vielleicht mal zündet bei einem großen Turnier. Dann brauchen wir Stabilität in der Abwehr, vielleicht mit Manuel Neuer und Antonio Rüdiger. Wir brauchen einen neuen linken und rechten Verteidiger. Das können durchaus die gleichen Spieler sein, aber sie müssen sich weiterentwickeln. Dann können wir eine gute Rolle spielen.

ran: Bei Vize-Europameister England ist Gareth Southgate als Trainer zurückgetreten. Als mögliche Nachfolger werden unter anderem Thomas Tuchel und Jürgen Klopp gehandelt. Könnten Sie sich vorstellen, dass einer der beiden Englands Nationaltrainer wird?

Thon: Ja. Wobei "Kloppo" ausscheidet, weil er gesagt hat, dass er ein Jahr Pause macht. Und England braucht sofort einen Trainer. Tuchel könnte da im Rennen sein, das traue ich ihm sicherlich zu.

ran: Für Harry Kane verlief die Europameisterschaft trotz drei Toren enttäuschend. Befürchten Sie, dass sich sein EM-Frust auf die kommende Saison beim FC Bayern München auswirken könnte?

Thon: Er hat sicherlich jetzt in seinem Urlaub damit zu kämpfen. Dann wird er aber sicher wieder mit seiner Qualität versuchen, mit dem FC Bayern Titel zu gewinnen. Dafür drücke ich ihm beide Daumen! So ein toller Spieler darf auf keinen Fall irgendwann ohne Titel abtreten.

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