Münchner Arena bei der EM
ranSicht zum UEFA-Verbot der Regenbogenfarben: Eine vertane Chance
- Aktualisiert: 22.06.2021
- 17:36 Uhr
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Die UEFA lehnt eine Arena in Regenbogenfarben ab. Der Verband verhält sich damit gemäß den eigenen Regeln und handelt im Endeffekt dennoch heuchlerisch - findet ran-Autor Tim Brack.
München - Es ist eine Nachricht, die so überraschend kommt wie ein CDU-Beschluss gegen die Vermögenssteuer: Die UEFA lehnt den Antrag ab, die Münchner Arena gegen Ungarn in Regenbogen-Farben erstrahlen zu lassen.
Mit der bunten Beleuchtung wollte München ein Zeichen in Richtung Viktor Orban, den Premierminister Ungarns, senden. Seine Regierung hatte zuletzt ein Gesetz gegen "Werbung" für Homosexualität durch das Parlament gebracht.
Der Antrag des Münchner Stadtrats war demnach selbstverständlich politisch motiviert. Wer sich über die Entscheidung des europäischen Fußballverbands wundert, muss daher in den vergangenen zehn Jahren mit geschlossenen Augen durchs Leben gegangen sein. Wenn es um politische Themen geht, entschieden sich die Bosse der großen Verbände meist fürs Wegducken. Bloß niemanden verärgern.
Die UEFA bewegt sich auf politischer Bühne
Die UEFA begründete ihre Entscheidung folglich damit, sie sei gemäß ihrer Satzung "eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieses speziellen Antrags - eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen nationalen Parlaments abzielt - muss die UEFA diesen Antrag ablehnen".
Doch wie unpolitisch ist ein Verband, der regelmäßig Staatsoberhäupter jeglicher Gesinnung in seinen VIP-Logen begrüßt? Der die Zuteilung oder den Entzug von Endspielen unter seinem Dach von der Corona-Politik des Landes abhängig macht? Die UEFA möchte unpolitisch sein, bewegt sich jedoch ständig auf der politischen Bühne.
Dass sie sich jetzt auf ihre Satzung bezieht, ist nicht charakterfremd. Der Verband weist Symptome einer Zwangsneurose auf, wenn es um Regeln geht.
Versteckt die UEFA sich hinter ihren Regeln?
An Spieltagen ist genau bestimmt, wann die Mannschaft im Stadion sein muss, wie lange die Nationalhymnen sein dürfen, wann angepfiffen wird, welche Trikots man tragen darf, welche Getränke bei einer PK vor einem Spieler stehen müssen, wie hoch der Druck in den Bällen sein darf, wer alles auf der Bank sitzt, welche Nummern getragen werden dürfen, ... und wenn davon abgewichen wird, könnte ja Tür und Tor für unzählige Ausnahmen geöffnet werden.
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In einem so straffen Regelkorsett tut man sich generell schwer mit spontanen Aufforderungen wie der von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, der die Lichtspiele initiieren wollte.
Die Frage, die sich nun stellt, ist: Versteckt die UEFA sich hinter ihren Regeln? Der Satz von der politischen und religiösen Neutralität ist bei vielen Vereinen in der Satzung verankert. Er soll eigentlich verhindern, dass diskriminiert wird.
Also genau das, was in Ungarn gerade passiert.
UEFA fährt bunte Kampagnen
Wer sich nun in die Tiefen des Internets gräbt, muss kein digitaler Indiana Jones sein, um den einen oder anderen Schatz zu heben. Die UEFA hat zu entsprechenden "Equality"-Kampagnen Statements wie dieses veröffentlicht: "Es ist unabdingbar, dass die UEFA den Fußball für alle zugänglich macht und die Macht des Sports dafür nutzt, eine globale Führungsrolle im Kampf für soziale Gleichstellung einzunehmen."
Oder auch dieses: "... es gibt immer noch viele Menschen, und viele innerhalb der LGBTQ-Gemeinschaft, die sich im Fußball nicht einbezogen oder willkommen fühlen. Wir denken, es ist wichtig, sie daran zu erinnern, dass sie absolut willkommen sind. Das ist ein Spiel für alle."
Widerstände müssen überwunden werden
Eindeutige Aussagen - und dann verbietet die UEFA eine bunte Münchner Arena?
Natürlich entspricht das den eigenen Regularien. Natürlich ist das gleichzeitig heuchlerisch. Zudem wird der positive Effekt, den die eigenen Kampagnen womöglich entfalten, untergraben. Dann wirkt so etwas schnell wie Gratismut. Ganz nach dem Motto: Wenn es keinen Gegenwind gibt, stehen wir fest dahinter. Ansonsten ist uns das Thema eigentlich nicht so wichtig und eher Imagepolierung.
Aber für echte Veränderung müssen Widerstände überwunden werden. Und sei es, indem einem EM-Gastgeber vor den Kopf gestoßen wird. Doch der UEFA geht es vor allem darum, Viktor Orban nicht zu verärgern. Das Verbot der bunten Beleuchtung ist eine vertane Chance, wirklich für die kommunizierten Werte einzustehen und Regeln auch mal Regeln sein zu lassen.
Am Ende ist nicht die UEFA gefragt
Die UEFA hat sich dabei selbst in die Bredouille gelenkt. Sie vergibt EM-Spiele in autoritäre Staaten wie Ungarn oder Aserbaidschan und beteiligt sich gleichzeitig an Kampagnen, die den dort Herrschenden nun mal missfallen.
Nun hängt an Orbans Wohlwollen - zumindest teilweise - der Verlauf der EM. In Budapest findet noch ein Achtelfinale statt, Ungarns Hauptstadt diente außerdem als Drohkulisse für England - schließlich könnte auch dort das Finale stattfinden, wenn die Regeln in London zu streng sind. Es geht dabei um viel Geld - und Geldscheine dürfen im Gegensatz zu Stadien immer bunt sein bei der UEFA.
Wenn man dem ganzen Vorgang etwas Positives abgewinnen will, dann, dass er die Lupe auf die Vorgänge in Ungarn gelegt hat. Um den Missständen entgegen zu steuern, ist eine Organisation gefragt, die sich nicht damit herausreden kann, unpolitisch zu sein: die Europäische Union.
Tim Brack
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