2018 floss nur ein Viertel der eigentlichen Summe
FIFA-Zahlen sollen belegen: Profi-Klubs drücken sich um Zahlung an Ausbildungsvereine
- Aktualisiert: 20.07.2020
- 15:36 Uhr
An glanzvollen Karrieren ihrer Eigengewächse sollen auch kleine Klubs finanziell partizipieren. Entsprechende Regeln hat die FIFA aufgestellt. Doch hält sich offenbar kaum ein Verein daran.
München - Es klingt irgendwie auch zu romantisch für das nur noch auf Profit ausgerichtete Milliarden-Business Profifußball. Über eine Art Aufwandsentschädigung sollen auch kleine Amateurklubs finanziell von ihrer Arbeit profitieren, wenn eines der Eigengewächse sein einstiges Hobby zum Beruf gemacht hat und für eine Millionensumme den Verein wechselt. Selbst wenn die Zeit im Dorfklub dann schon lange zurückliegt.
So weit, so rührselig. Doch die Profi-Branche scheint nicht gerade ein großes Herz für die Dorfvereine zu haben. Das lassen Zahlen erkennen, die der "kicker" mit Verweis auf eine FIFA-Statistik veröffentlicht.
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Nur 90 statt 350 Millionen US-Dollar gezahlt
Demnach hätten im Jahr 2018 infolge der weltweit getätigten Transfers 351,5 Millionen US-Dollar an so genannten Solidaritätsbeiträgen fließen sollen. In Wirklichkeit war es jedoch gerade mal gut ein Viertel dieser immensen Summe. Dem Bericht zufolge wurden lediglich 90,4 Millionen US-Dollar gezahlt. Also 261,1 Millionen US-Dollar zu wenig.
Eine ähnlich immense Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit würden auch die Bilanzen in den vorigen Jahren aufweisen. Und gerade in der Corona-Krise ist kaum zu erwarten, dass die nun auch mit wirtschaftlichen Engpässen kämpfenden Großen den Kleinen bereitwillig die Scheine in die Hand drücken werden.
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Viele kleine Vereine kennen ihre Rechte gar nicht
Das große Problem sei, so mutmaßen Experten laut dem "kicker", dass viele Vereine gar nicht wüssten, dass ihnen dieses Geld zustehe. Zudem würden die Ansprüche nach 24 Monaten verjähren - dann sind die großen Klubs fein raus, haben sich erfolgreich um die Entschädigung gedrückt.
Bei den eigentlich fälligen Zahlungen an die Ausbildungsvereine wird zwischen der Trainingskompensation und dem Solidaritätsbeitrag unterschieden. Erstere kommt ehemaligen Klubs bei der Unterschrift unter den ersten Profivertrag und dann bei jedem Vereinswechsel bis zum Ende der Saison, in der der Spieler 23 Jahre alt wird, zugute. Der Solidaritätsbeitrag wird bei jedem Transfer vor Vertragsablauf fällig, abhängig von der Gesamtablöse.
Zahlung soll binnen 30 Tagen erfolgen
Den FIFA-Statuten zufolge ist die Ausbildungsentschädigung "allen Vereinen, bei denen der Spieler registriert gewesen ist (...) und die ab der Spielzeit, in der der Spieler 12 Jahre alt geworden ist, zu seiner Ausbildung beigetragen haben, innerhalb von 30 Tagen nach der Registrierung" zu zahlen. Demnach müsste eigentlich der aufnehmende Klub selbst aktiv werden und gar nicht erst auf die Anfrage der früheren Vereine des Spielers warten.
Auch der Fall, dass eine Kontaktaufnahme mit einem dieser Vereine nicht möglich ist, wird geklärt. Dann werde "die Ausbildungsentschädigung an den Verband oder die Verbände des Landes (oder der Länder) ausgezahlt, in dem der Berufsspieler ausgebildet wurde". Zuwiderhandlung - in diesem Fall besser: gar keine Handlung - kann zu Disziplinarmaßnahmen führen. Deren Umfang wird jedoch nicht näher erläutert.
Solidaritätsbeitrag soll fünf Prozent der Transfersumme umfassen
Festgelegt wird auch die Höhe des Anteils des Solidaritätsbeitrags. Dieser beträgt "5 Prozent jeglicher an den ehemaligen (aktuell abgebenden, d. Red.) Verein bezahlten Entschädigung, mit Ausnahme der Ausbildungsentschädigung".
Jeweils fünf Prozent davon soll für die Ausbildung in den Spielzeiten seines zwölften bis 15. Geburtstags angerechnet werden, in den weiteren Spielzeiten bis zu seinem 23. Geburtstag sind es jeweils zehn Prozent. Die Summe pro Klub hängt also davon ab, wie lange der Spieler dort aktiv war.
Doch manche kleinen Klubs, die große Namen in ihren Reihen hatten, gucken auch ganz legal in die Röhre. So berichtet die "Aachener Zeitung", dass bei einem Transfer von Kai Havertz weder Alemannia Mariadorf noch Alemannia Aachen finanziell als Ausbilder entlohnt würden. Das Problem: Der 21-Jährige war schon mit elf Jahren zu Bayer Leverkusen gewechselt.