live auf ProSieben, ran.de und Joyn
Lukas Podolski vor seinem Abschiedsspiel im ran-Interview: "Will das Stadion, die Fans und die Hymne nochmal spüren"
- Aktualisiert: 11.10.2024
- 08:54 Uhr
- Timm Kraeft
Mit Lukas Podolski sagt eine ihrer großen Legenden der Stadt Köln Lebwohl. ran hat exklusiv mit dem Ex-DFB-Star gesprochen und neben seiner Liebe zur Stadt Köln auch seine Karriere, Erfolge und Zukunftspläne erörtert.
Das Interview führte Timm Kraeft
Unter dem Motto "Unsere 10 kehrt heim – ein letztes Mal in Rut un Wiess" gibt Lukas Podolski am Donnerstag sein Abschiedsspiel (live auf ProSieben, ran.de und Joyn) in seiner Heimat Köln.
Dabei verabschiedet sich Poldi in Anwesenheit diverser Weggefährten wie Per Mertesacker, Manuel Neuer, Kevin Großkreutz oder Roman Weidenfeller aus seinem einstigen "Wohnzimmer". Gecoacht werden die zwei Teams von Ex-Nationaltrainer Jogi Löw und Hansi Flick, derzeit beim FC Barcelona tätig und erfolgreich.
Aktuell ist Podolski noch für den polnischen Klub Gornik Zabrze aktiv, in dessen unmittelbarer Umgebung der Ex-DFB-Star aufwuchs.
Vor seinem Abschiedsspiel sprach der 39-Jährige bei ran über seine Wurzeln, das Sommermärchen 2006, seine Beziehung zu Köln und ein potenzielles Karriereende.
Poldi sagt Lebwohl
ran: Wie geht es Ihnen aktuell in Polen und warum haben Sie sich nochmal für diesen Schritt entschieden?
Podolski: Ich wollte einfach zurück in die Region, von wo aus ich weitergezogen bin ins schöne Bergheim in der Nähe von Köln und dann später die ersten Schritte beim FC gemacht habe. Das war 1995 als Zehnjähriger. Und jetzt, wo die Karriere so langsam zu Ende geht, wo meine Knochen noch halten, wo mein Kopf noch frisch ist, hatte ich einfach diese Idee, der Region, in der ich groß geworden bin, etwas zurückzugeben.
ran: Wie sind Ihre Erinnerungen an die Kindheit in Polen?
Podolski: Wir haben als Familie hier fünf Minuten hinterm Stadion gelebt. Ich bin früher mit meinem Vater, Opa und den Onkeln immer zu den Spielen von Gornik Zabrze gefahren. Es ist schön, wieder dahin zurückzukommen, wo alles angefangen hat. Und wir als Familie fühlen uns hier super, sind zufrieden. Die Kinder gehen zur Schule, die Frau ist glücklich, ich bin glücklich, im Verein und in der Stadt. Also von meiner Seite gibt es wenig zu meckern. Sportlich ist halt immer eine andere Frage. Natürlich wäre es schön, immer Titel zu gewinnen, aber das wollen natürlich andere auch. Aber für mich geht es eher um dieses Gefühl, zurückzukommen, wieder hier zu sein, wo auch noch viele Menschen leben, die man von früher kennt, wo ein Großteil Familie noch lebt. Und daher ist es so schön, dass ich hier bin.
ran: Sie geben einen Großteil des Geldes, das Sie verdienen, wieder aus, um Leuten hier zu helfen, ob das jetzt Vereinsmitglieder sind oder Fans oder auch Kinder. Woher kommt das?
Podolksi: Vielleicht ist das eine Gabe, die man hat, oder Erziehung. Einfach etwas zurückgeben an die nächste Generation. Und auch der ganzen Region. Irgendwann landen wir alle unter der Erde und wenn man den Leuten was Gutes tun kann, ist das immer was Schönes. Das macht einen stolz und glücklich, dafür lebt man. Ich bin bestimmt nicht hierhin gekommen, um Geld zu verdienen. Für mich ging es vielmehr darum, nach Hause zu kommen, der Region und dem Verein zu helfen. Und der Weg ist noch nicht zu Ende.
ran: Nun kehren Sie nach Köln zurück. Was hat es mit diesem Spiel am Donnerstag auf sich?
Podolski: Die Region Köln, die Stadt, der Verein und die Fans haben mir so viel gegeben und mich in meiner Karriere gepusht, weshalb auch ein großer Anteil meines Erfolgs der Stadt und den Fans gehört. Daher wollte ich einfach zurückkommen, um Danke zu sagen an alle, die mich da so ein bisschen begleitet haben. Und dieses Spiel machen, wo ich noch aktiv bin und mich noch halbwegs auf dem Platz bewegen kann.
Lukas Podolski: Ich lasse mich selbst überraschen
ran: Was können Sie uns verraten? Was wird uns an dem Abend erwarten?
Podolski: Ich lasse mich selbst überraschen. Erstmal bin ich stolz und froh, wieder in dieses Stadion zurückzukehren, wo ich meine größte Zeit und auch Erfolge hatte, trotz den ganzen Abstiegen. Mein Bedürfnis ist es, nochmal zurückzukommen in dieses Stadion, diese Hymne zu hören und die Fans. Das will ich einfach nochmal spüren. Das war mein Traum und dass ich den jetzt mit knapp 40 noch mal erleben kann als noch aktiver Profi, das macht mich stolz und ich bin froh, dass man dieses Spiel auf die Beine bekommt.
ran: Was verbinden Sie mit Köln?
Podolski: Am Anfang war es natürlich schwer, weil wir zu Hause nur polnisch gesprochen haben und ich in Polen geboren und erst mit zweieinhalb Jahren rübergekommen bin. Wie wir dann als Familie aufgenommen wurden in der Stadt und dann auch im Verein, sowas vergisst man nicht und davon erzählen mein Vater oder meine Mutter immer noch. Ich habe in der D-Jugend angefangen und bin alle Stationen gegangen bis zu den Profis. Ich erinnere mich noch an das erste Spiel gegen den Hamburger SV zu Hause, wo die Fans meinen Namen gerufen haben. Darum einfach nochmal Danke an die Region, an die Fans, an den ganzen Verein und an die ganzen Wegbegleiter, ohne die ich hier vielleicht nicht sitzen würde. Natürlich muss man das dann auch mit Leistung zurückzahlen. Das habe ich. Und daher ist bis heute meine Liebe zum FC und zu Köln unzertrennbar.
ran: Was fühlen Sie, wenn Sie an die Kölner Fans denken?
Podolski: Ich fühle alles. Herzblut, Leidenschaft. Ich stand selbst vorher in der Kurve im alten Müngersdorfer Stadion und war einer von denen, habe früher Pfandbecher gesammelt, um über die Runden zu kommen. Ich weiß, wie Fans sind, wie Fans leiden, was Fans wollen, wie Fans ticken. Daher besteht eine enge Beziehung, vor allem zu der Südkurve und zu den Ultras. Das hat sich heute nicht geändert. Und das wird auch immer so bleiben. Und für mich sind Fans Fußball und Fußball ohne Fans ist nichts.
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Lukas Podolski: "Habe früher Pfandbecher gesammelt"
ran: Was war der höchste Becherturm beim Pfand sammeln?
Podolski: Mein höchster war mal 40 Becher, glaube ich. Da hast du ein FC-Ticket schon mal drin und für die Woche und noch ein bisschen was übrig. Und dann habe ich noch Karten weiterverkauft, man muss ja über die Runden kommen. Wir haben als Jugendspieler immer Tickets bekommen. Und da ich ja früher schon geschäftstüchtig war, was man jetzt mit mit Kebab Mangal sieht, habe ich immer die Tickets von Spielern genommen, die irgendwo weiter weg gelebt haben und die nicht brauchten. Da hast du dann irgendwie sechs, sieben, acht Tickets verkauft vor dem Stadion. Und davon einen Döner gekauft, noch ein bisschen Kleingeld gehabt und das Spiel im Stadion in der Südkurve geschaut. War eine geile Zeit.
ran: Sie haben dann auf dem Platz zahlreiche schöne Tore geschossen. Welches ist Ihr Favorit?
Podolski: Mein Favorit ist das Derby-Tor gegen Gladbach. Das war bei der offiziellen Eröffnung des umgebauten Kölner Stadions, zum ersten Mal vor 50.000 Menschen. Und ich mache das 1:0 und wir gewinnen. Das sind halt so Szenen, die in Erinnerung bleiben. Ich habe das Trikot ausgezogen, in die Luft geschmissen und die Familie war da. Das Stadion stand auf dem Kopf, kölsche Lieder und dann natürlich diese Gänsehaut, wenn der Stadionsprecher sagt: "Torschütze mit der Nummer 36: Lukas Podolski!" Und 50.000 Fans rufen dann dreimal deinen Namen.
ran: Sie galten immer als sehr unbeschwert, haben aber mal gesagt, dass Ihnen eine Situation in der kompletten Karriere hängen geblieben ist: Das Elfmeterschießen im WM-Viertelfinale 2006 gegen Argentinien. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Podolski: Ich hatte nie ein Problem mit Druck oder dass ich mir die Radlerhose voll gemacht habe. Sondern ich habe mir immer gesagt: Et kütt wie et kütt (Es kommt wie es kommt, Anmerkung der Redaktion). Einfach den Ball nehmen, hinlegen und dann rein das Ding. Klar ist das auch immer Druck und viele, die in der Situation nie waren, können das vielleicht einfach nicht verstehen. Aber schon der Weg von der Mittellinie bis dahin, das muss man auch erstmal können. Das ist ja auch eine Gabe, die man sich erarbeiten muss oder hat. Ich wollte, dass wir weiterkommen, ich wollte schießen. Und ich weiß, dass ich einen linken Fuß habe, dass ich gut Elfmeterschießen kann. Ich habe mich gemeldet und der Ball war drin. Wir waren eine Runde weiter.
ran: Was bedeutet Ihnen das Sommermärchen im Rückblick?
Podolski: Das war für mich die geilste WM. Klar, 2014 gewinnst du in Brasilien den Titel. Große Emotionen, verrückt. Aber ich glaube, 2006 waren fünf, sechs Wochen Sonnenschein pur. Der Spruch "Die Welt zu Gast bei Freunden" hat komplett gepasst. Jeder hat sich wohlgefühlt. Und generell waren die Stadien voll, die Stimmung geil, Emotionen pur. Jeder hat in Deutschland gefeiert. Jeder stand hinter der Mannschaft. Es gab kein Gemeckere vor dem Turnier. Nichts Negatives. Und man hat gespürt nach dem 4:2 gegen Costa Rica im ersten Spiel, dass da so eine Welle geht durch das Land. Und das hat uns dann auch auf diesen dritten Platz geführt, glaube ich.
Lukas Podolski: WM-Titel hat mich nicht verändert
ran: Sie haben 2014 gerade schon angesprochen. Wie haben Sie es damals erlebt, wenn Sie jetzt darauf zurückschauen?
Podolski: Ja, ich habe den Titel gewonnen und es gibt ja nichts Schöneres. Jeder, der anfängt mal Fußball zu spielen, guckt auch Weltmeisterschaften. Jeder kennt Fotos oder Plakate vom WM-Pokal. Das war bei mir nicht anders im Kinderzimmer. Man spielt dann immer auf dem Bolzplatz, gewinnt den Weltmeisterpokal. Wenn man Jahrzehnte später das Original selber in der Hand hat, ist das halt etwas ganz, ganz Besonderes. Ich glaube es gibt nichts Schöneres, keinen schöneren Pokal oder was Größeres, was man erreichen kann. Aber mich als Mensch hat das nicht verändert. Ich bin stolz, dass ich für Deutschland spielen durfte und 130 Länderspiele habe. Ich hatte von 2004 bis 2016 zwölf Jahre lang so viele schöne Momente mit der Nationalmannschaft, die auch unabhängig vom WM-Sieg ein Erfolg waren.
ran: Fehlt Ihnen irgendetwas in der Karriere, was Sie gerne noch erlebt oder gewonnen hätten?
Podolski: Ich habe mir den Traum erfüllt, für den 1. FC Köln zu spielen. Ich habe jahrelang im Ausland gespielt, bin zum Ende jetzt nochmal in Polen, wo ich aufgewachsen bin und jetzt meine vierte Saison starte. Ich habe viele Länder bereist, viele Städte gesehen, viele Menschen und Kulturen kennengelernt. Und das ist doch was das Leben ausmacht, nicht nur als Fußballer, sondern auch als Mensch.
ran: Also fehlt nichts?
Podolski: Es fehlt nichts. Klar hat man Erfolge. Man wird Weltmeister. Man gewinnt mit Bayern das Double. Man gewinnt mit Arsenal den FA Cup. Aber es gibt auch die Abstiege mit dem FC. Es gibt Niederlagen wie im Finale der Europameisterschaft 2008. Aber es ist gut, dass es auch negative Sachen gibt, weil man daraus lernt und neue Energie ziehen kann. Generell, wenn ich auf meine ganze Karriere schaue, bin ich stolz. Und irgendwann, wenn es dann vorbei ist, wird der Fußball natürlich fehlen.
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ran: Legendär sind Sie auch für Ihre Fußballsprüche. Gibt es einen, der Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben ist? "So ist Fußball, manchmal gewinnt der Bessere" wurde sogar als Fußballspruch ausgezeichnet.
Podolski: Dann nehmen wir den doch. Schön, wenn Leute damit Spaß haben. Das freut mich. Der Spruch ist, glaube ich, heute noch im Umlauf im Netz und in irgendwelchen Sendungen. Und das ist doch schön. Dass man über sich selbst lachen kann.
Lukas Podolski: Angst vor dem Tag X
ran: Nach dieser Saison hören Sie wahrscheinlich auf. Was kommt dann?
Podolski: Das weiß ich nicht, was in einem Jahr ist, was in zwei Jahren ist. Also aktuell bin ich hier glücklich, meine Familie ist auch glücklich. Da ist natürlich der Tag X, wo man sagt: 'So, jetzt ist Feierabend.' Da habe ich so ein bisschen Angst. Ich glaube, das wird eine Herausforderung. Es wird natürlich wehtun am Anfang. Aber ich glaube, mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Was ich dann mache, weiß ich nicht. Ob es Trainer ist, ob es dann hier weiter im Verein ist, ob es einfach mal ist, ein Jahr nichts zu machen - das habe ich noch nicht entschieden.
ran: Und auf geschäftlicher Ebene? Gibt es einen Plan für die Zukunft oder ist es einfach das, worauf Sie gerade Lust haben?
Podolski: Beides. Ich glaube, wenn man auf irgendwas keinen Bock hat, dann kann da nichts funktionieren. Man muss alle Projekte, die man macht, mit Herzblut, mit Leidenschaft und mit Energie machen. Und nur so kannst du was erreichen. Und daher habe ich die Einstellung, man muss immer Gas geben und dann kannst du im Sport und auch im Business erfolgreich sein. Natürlich nicht jeder, sonst wäre es ja einfach, aber man hat schon große Chancen, dass man daraus was machen kann.