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Nationalmannschaft: Wo sind all die deutschen Stürmer hin?

  • Aktualisiert: 15.11.2013
  • 15:23 Uhr
  • ran.de / Tobias Hock
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© Getty

Die Niederlande haben Van Persie, England hat Rooney, Schweden hat Ibrahimovic. Und wen hat Joachim Löw? Deutschland war einmal eine Fußball-Nation mit gefürchteten Stürmern. Seeler war einer. Hrubesch erst Recht. Müller war der beste und Völler und Klinsmann nicht die schlechtesten. Heute gibt es zwar ein Über-Angebot an talentierten und variabel einsetzbaren Offensiv-Kräften, ein echter Knipser ist aber nicht in Sicht. Welche Alternativen hat Joachim Löw?

Mario Gomez und Miroslav Klose sind verletzt. Das DFB-Team hat momentan keine echten Mittelstürmer und langsam wird sogar Joachim Löw nervös. Sollte das Duo auch kommendes Jahr noch bzw. wieder verletzt sein, würde ihm das "Magenschmerzen bereiten".

"Bei einer WM ist man nicht automatisch dabei, eine WM muss man sich erkämpfen", sagt der Bundestrainer in Bezug auf seine Angreifer. Die beiden scheinen nicht mehr uneingeschränkt gesetzt für das Turnier in Brasilien. Fährt das Land der Hrubeschs und Seelers ohne klassischen Stürmer an den Zuckerhut? Wie konnte es so weit kommen?

Miroslav Klose ist seit 2002 als zentraler Stürmer der deutschen Nationalmannschaft gesetzt. Lange Zeit wurde ihm vorgeworfen, zwar internationale Klasse zu verkörpern, aber nicht gegen die Top-Nationen zu treffen. Fußball-Zwerge wie Saudi-Arabien bekamen gerne auch mal drei Treffer eingeschenkt (WM 2002). Seine Tor-Allergie gegen hochklassige Teams wurde allerdings erst bei der WM 2006 im Viertelfinale gegen Argentinien "geheilt".

Der nächste Treffer gegen einen namhaften Gegner gelang erst während der WM 2010 beim Sieg über England. Ob England zu diesem Zeitpunkt noch hochklassig war, sei dahingestellt.

Der über Jahre prägende Stürmer der Nationalmannschaft ist allerdings schon 35 Jahre alt und fällt immer häufiger mit langwierigen Verletzungen aus. In Richtung WM bedeutet dies: Sollte er halbwegs fit sein, wird er sicher mit nach Brasilien fliegen. Ob er einen entscheidenden sportlichen Beitrag leisten kann, steht in den Sternen.

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Wer wird Klose-Nachfolger?

Als logischer Klose-Nachfolger präsentierte sich lange Zeit Mario Gomez. Technisch nicht so stark, dafür mit enormer Dynamik, körperlicher Durchsetzungskraft und sicherem Tor-Instinkt ausgestattet.

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Löw verteidigt Hummels-Kritik

Der deutsche Bundestrainer Joachim Löw hat seine Kritik an Innenverteidiger Mats Hummels von Borussia Dortmund vehement verteidigt.

  • Video
  • 02:08 Min
  • Ab 16

Erste Zweifel an seiner Eignung als Deutschlands Stürmer Nummer eins entstanden bereits bei der EM 2008: Als er den Ball gegen Österreich auch aus drei Metern nicht im Tor unterbrachte und an diesem Moment ungewöhnlich lange zu knabbern hatte.

Danach schien Gomez aber auf einem guten Weg: 23 Tore in 39 Champions-League-Spielen für den FC Bayern, die beste Torquote eines Deutschen in der Königsklasse aller Zeiten und: ein Wahnsinns-Spiel bei der EM 2012 gegen die Niederlande.

Zu seiner Wucht addierte Gomez beim 2:0 in einer einzigen Aktion so viel Eleganz und technisches Feingefühl, dass Fußball-Deutschland dachte: Da ist er ja, der neue Neuner. Falsch gedacht.

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Das Gomez-Problem: Er passt einfach nicht

Beim FC Bayern offenbarte Gomez trotz seiner Treffsicherheit - er erzielte 113 Tore in 174 Pflichtspielen - auch seine Schwächen: Die Dynamik verpufft, wenn das Spiel zu 90% in der Hälfte des Gegners stattfindet. Wenn er mit dem Rücken zum Tor steht und der Gegner mit elf Mann den eigenen Strafraum verteidigt, bekommt er Probleme. Mit seiner soliden Technik und mangelnden Beweglichkeit ist Gomez nicht die Idealbesetzung, um eine engmaschige tiefstehende Abwehr auszuhebeln.

Gomez hat 2012 selbst eingesehen, dass er nicht (mehr) zur immer dominanter werdenden Spielweise des FC Bayern passte und wechselte zum AC Florenz nach Italien. Das Problem hierbei: Die DFB-Elf gilt als ein Top-Favorit auf den WM-Titel 2014. Die Gegner verbarrikadieren sich immer häufiger am eigenen Sechzehner. Sie geben den Deutschen keinen Raum. Sie machen das Spiel eng. Schlecht für Gomez.

Der 27-Jährige galt bis vor zwei Monaten als ein sicherer Kader-Kandidat für die WM in Brasilien – seitdem ist er verletzt. Zu den Zweifeln an seiner Kompatibilität mit dem deutschen Kombinationsfußball gesellen sich nun auch Zweifel an Fitness und Spielpraxis.

Das Löw-Problem: Kein klassischer Stürmer im Kader

Geht es nach dem Bundestrainer sind damit auch schon die beiden einzigen Mittelstürmer-Kandidaten in Frage gestellt.

Es gibt da zwar noch einen gewissen Stefan Kießling, doch der passt nach Aussagen des Trainer-Teams noch weniger in das Spielsystem als Gomez. Außerdem trifft er noch seltener gegen große Gegner als Klose.

Und eine gute Torquote in der Bundesliga ist noch lange keine Garantie auch in der Nationalmannschaft begehrt zu sein. Martin Max, Ulf Kirsten oder Michael Preetz kennen dieses Schicksal. Jedenfalls spielt Kießling für die WM definitiv keine Rolle.

Löw wird daher in den kommenden Testspielen wieder auf Varianten ohne klassischen Mittelstürmer setzen. Zum einen, weil ihm gar nichts anderes übrig bleibt. Zum anderen, weil es sowieso besser zu seiner Spielphilosophie und seinem Kader passt.

Das Problem hierbei: Sollten Klose und Gomez nicht fit genug für die WM sein, nimmt sich der Bundestrainer ohne Kießling eine Offensiv-Option. Selbst Guardiola erkennt beim FC Bayern inzwischen, dass ein Zentrums-Spieler wie Mandzukic wertvoll sein kann, wenn das reine Flachpass-Spiel nicht zum Ziel führt. Flanke Lahm, Kopfball, Tor! Diese Möglichkeiten gibt es im aktuellen DFB-Kader kaum.  

Özil, Götze und Co.: Falsche Neuner und Grenzgänger

Mesut Özil und Mario Götze würden die Rolle als vorderste Spieler am ehesten als "falsche Neun" interpretieren. Sie würden sich immer wieder aus der Position im Zentrum entfernen, um im Mittelfeld und auf den Außenpositionen Überzahl-Situationen zu schaffen. Die beiden technisch stärksten Spieler im deutschen Kader sind am ehesten dazu geeignet, um Situationen mit einem kurzen Dribbling oder einem direkt Pass aufzulösen und ihre Mitspieler in Szene zu setzen. Was ihnen fehlt ist die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor.

Max Kruse oder Thomas Müller würden die Rolle anders interpretieren. Auch sie weichen auf die Außenpositionen aus und gehen extrem weite Wege. Mit ihrem feinen Gespür für freie Räume bewegen sie sich aber häufig an der Grenze zum Abseits. Sie setzen die letzte Verteidiger-Reihe des Gegners noch stärker unter Druck. Das Ergebnis: Müller und Kruse eröffnen Wege für die nachrückenden Mitspieler und kommen selbst immer wieder in aussichtsreiche Abschluss-Positionen.

Mit Zwergen gegen Riesen?

Egal mit welcher dieser Varianten Löw in die Testspiele und in die WM geht: Die Zeit des klassischen Stürmers ist beim DFB-Team vorerst vorbei. Ist es gut, mit Zwergen wie Özil oder Götze gegen Riesen wie Chiellini zu spielen? Ist es ratsam, die unberechenbaren Müller oder Kruse statt eines positionstreuen Knipsers in vorderster Linie zu platzieren? Diese Fragen werden einzig durch Ergebnisse beantwortet werden.

Die Erfahrung zeigt, wie wertvoll echte Torjäger für Titelgewinne sind. Mandzukic hat 2013 die Champions League gewonnen. Drogba im Jahr zuvor. Und davor entschieden Tormaschine Messi und Vollstrecker Villa das Endspiel der Königsklasse. Und sogar ein kriselnder Torres war in der spanischen Nationalmannschaft lange Zeit gesetzt. Aber die haben nun mal alle keinen deutschen Pass.

Der letzte echte deutsche Mittel-Stürmer mit einem internationalen Titel heißt: Oliver Bierhoff. Aber das ginge zu weit.