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U21-EM: Ex-Erfolgstrainer Stefan Kuntz sieht DFB-Entwicklung kritisch: "Wir müssen besser ausbilden"

  • Aktualisiert: 10.07.2023
  • 12:36 Uhr
  • ran.de / Tobias Wiltschek
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© IMAGO/Beautiful Sports

Vor dem Finale der U21-EM zwischen England und Spanien gibt ran-Experte Stefan Kuntz einen Tipp ab. Im Interview äußert sich der 60-Jährige, der mit der deutschen U21 die letzten drei Endspiele einer U21-EM bestritt und zwei davon gewann, auch zum DFB-Team und seiner persönlichen Situation.

Das Interview führte Tobias Wiltschek

Es ist der krönende Abschluss dieser U21-EM: das Endspiel zwischen England und Spanien (ab 17:30 Uhr live in SAT.1, im Livestream auf ran.de und in der ran-App).

Die Fußball-Fans können sich nicht nur auf das Aufeinandertreffen zweier Fußball-Nationen freuen. Auch was die spielerische Qualität betrifft, verspricht das Finale ein spektakuläres Spiel zu werden.

ran-Experte Stefan Kuntz spricht im Interview über die Stärken der beiden Finalisten und sagt, welches Team er leicht favorisiert.

Der Europameister von 1996 äußert sich auch zur Situation im deutschen Nachwuchs und mahnt vor allem in einem Bereich Besserungen an.

ran: Herr Kuntz, die Halbfinals bei der U21-EM haben jeweils klare Sieger hervorgebracht. Ist das Endspiel zwischen England und Spanien Ihr Traumfinale?

Stefan Kuntz: Von den Namen her ja, die sind absolut top. Auch was die Marktwerte der Spieler betrifft. Frankreich ist da auch noch relativ weit vorne gewesen, glaube ich. Von den Emotionen her hätten mir aber auch die Ukraine und Georgien gefallen. Die haben sich schon toll dargestellt.

ran: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Stärken der Spanier?

Kuntz: Das Passspiel und die Ruhe am Ball. Sie haben generell sehr viel Ruhe im Spiel, machen das sehr kontrolliert. Sie verfallen selten in Hektik, dazu kommt der präzise Abschluss. Sie haben deswegen vor allem im Halbfinale sehr viele Tore erzielt.

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Kuntz: "Bei England habe ich den Teamspirit vermisst"

ran: Was sind die großen Qualitäten der Engländer?

Kuntz: Sie kommen eher über die individuelle Klasse, sie haben viel Geschwindigkeit. Aber ich habe bei den Engländern so ein bisschen den Teamspirit vermisst. Im Halbfinale haben sie mich nicht überzeugt, weil ich es generell nicht so gut finde, wenn man dann einfach auf dem Ball stehen bleibt und wartet, bis der Gegner irgendetwas macht. Als bessere Mannschaft will ich dem Gegner mein Spiel aufdrücken. Vielleicht steigern sie sich aber auch mit der Qualität des Gegners.

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ran: Haben Sie einen Tipp, wie das Finale ausgeht?

Kuntz: Aufgrund von den Spielen, die ich bislang gesehen habe, sehe ich Spanien eine Idee vorne.

ran: Wäre es denkbar, dass die herausragenden Spieler der U21-EM schon bei der EM-Endrunde 2024 in Deutschland dabei sind und dort ihren Stempel aufdrücken?

Kuntz: Ohne jetzt einzelne Namen zu nennen, muss man sagen, dass in dem Alter ein Jahr unwahrscheinlich viel ausmacht, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Spielt in der nächsten Saison einer von diesen Top-Talenten 30 oder 40 Spiele in einer der großen Ligen, wird er definitiv auch die Chance haben, bei der EM für sein Land dabei zu sein.

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Kuntz: "Wir müssen besser ausbilden"

ran: Gerade die K.o.-Spiele haben gezeigt, auf welch hohem Niveau manche Nationen in dieser Altersklasse agieren. Wie groß ist der Rückstand der deutschen Mannschaft auf die Top-Teams dieses Turniers?

Kuntz: Ich finde, das spiegelt sich komplett in der Anzahl von Spielminuten dieser Spieler in den Top-Ligen wider. Da liegen wir deutlich hinter den Franzosen, Engländern und Spaniern zurück. Es ist dann immer die Frage, werden sie nicht eingesetzt, weil es der Verein nicht will, oder sind sie nicht gut genug, um eingesetzt zu werden. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ich glaube, dass wir besser ausbilden müssen.

ran: Hat Sie der große Abstand überrascht, so wie er sich jetzt dargestellt hat?

Kuntz: Ja.

ran: Könnten Sie präzisieren, in welchem Bereich die Ausbildung im deutschen Fußball am meisten Nachholbedarf hat? Zuletzt war vor allem von Mentalitätsproblemen die Rede.

Kuntz: Ja, aber das ist mir zu allgemein. Dazu gehört einmal die Widerstandsfähigkeit, sich auch einmal über Schwierigkeiten hinwegzusetzen. Ich finde, weil wir ihnen alles abnehmen, ist der Charakter oder auch die Persönlichkeit noch nicht weit genug ausgebildet, um auch mal mit schwierigen Situationen umzugehen oder im Spiel intuitiv die richtige Entscheidung zu treffen. Die muss man aber selbst treffen.

ran: Lassen sich aus dieser U21-EM schon Erkenntnisse gewinnen im Hinblick auf die kommende Bundesliga-Saison?

Kuntz: Ich glaube nicht. In Nationalmannschaftswettbewerben werden seltener die Benchmarks gesetzt. Die werden meistens bei den Vereinen gesetzt, weil dort die Trainer einfach viel länger mit den entsprechenden Spielern zusammenarbeiten und viel mehr Sachen einüben können. Dazu kommt, dass bei der U21 die Schwankungen bei den einzelnen Spielern naturgemäß noch groß sind.

ran: Über Ihre Person ist zuletzt vor allem in der Türkei viel geschrieben worden. Es heißt dort, Sie stehen vor dem Aus als Nationaltrainer. Können Sie dazu was sagen?

Kuntz: Wie Sie sehen, bin ich noch türkischer Nationaltrainer. Das sagt eigentlich alles.