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Frankreichs Weltmeistertrainer

Didier Deschamps: Der Anti-Fußball-Gott erobert Frankreichs Herzen

  • Aktualisiert: 15.07.2018
  • 23:01 Uhr
  • ran.de / Martin Jahns
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© 2018 Getty Images

Trainer Didier Deschamps versöhnt Frankreich mit der "Equipe Tricolore". Mit Menschlichkeit und "Anti-Fußball" dominiert sein Team eine gesamte Weltmeisterschaft. Der Coach selbst bleibt dabei herrlich bescheiden.

München/Moskau - Auch in seiner größten Stunde bleibt Didier Deschamps bescheiden. "Natürlich bin ich stolz darauf, wie Beckenbauer und Zagallo als Dritter Weltmeister als Spieler und Trainer zu werden", sagt der französische Nationaltrainer auf der Pressekonferenz im Pressezentrum des Moskauer Luschniki-Stadions: "Aber die beiden waren sicher die besseren Spieler.".

Wenige Minuten vorher hatte der 49-Jährige die französische Nationalmannschaft zum zweiten WM-Titel gecoacht. Nach sechs Jahren als französischer Nationaltrainer war es der vorläufige Höhepunkt einer stetigen Weiterentwicklung der Equipe Tricolore unter Deschamps.

Nun, an deren vorläufigem Ende hat Deschamps ein Land mit einer Truppe versöhnt, von der es sich vor acht Jahren noch angewidert abgewandt hatte.

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Trauma von 2016 als WM-Antrieb 

Im Juli 2012 hatte Deschamps eine Mannschaft übernommen, die 2010 bei der WM in aller Öffentlichkeit gegen den damaligen Trainer Raymond Domenech revoltiert hatte und die bei der EM 2012 im Viertelfinale sang- und klanglos ausgeschieden war.

Bei der WM 2014 scheiterte Frankreich in einem knappen Viertelfinale am späteren Weltmeister Deutschland, bei der EM 2016 im eigenen Land dann die wohl bitterste Pleite Deschamps' als Nationaltrainer, als das Finale gegen biedere Portugiesen verloren ging.

Nun, zwei Jahre später hat es der 49-Jährige geschafft - gerade wegen des Traumas von Paris 2016? "Vor zwei Jahren hat es so weh getan, nicht Europameister zu werden. Aber wer weiß: Vielleicht wären wir dann heute nicht Weltmeister geworden. Wir haben sehr viel daraus gelernt", erinnert sich Deschamps.

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Teamwork geht vor individuelle Klasse

Das zeigt sich schon bei der Kadernominierung für die WM: Problemcharaktere wie Karim Benzema lässt Deschamps gleich daheim. Auch PSG-Stammkraft Adrien Rabiot berücksichtigt er nicht, der daraufhin beleidigt seinen Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt.

"Die wichtigste Entscheidung, die wir gefällt haben, war die Kaderzusammenstellung mit den 23 Mann", erinnert sich Deschamps an die umstrittene Kaderbekanntgabe. Letztlich behält er mit seinen Maßnahmen Recht: Im Sturm wird Benzema nicht vermisst. Im Mittelfeld sind N'Golo Kante, Paul Pogba und Blaise Matuidi das effizienteste Türsteher-Trio des Turniers.

Noch viel wichtiger: Die Equipe ist endlich wieder eine echte Einheit. "Durch unsere Unterschiede vereint" steht im Kragen der französischen Trikots. Und genau das strahlt Deschamps mit seiner Multikulti-Truppe aus. Nachdem einige Spieler Deschamps' Titel-Pressekonferenz stürmen und auf den Tischen tanzen, feixt der völlig durchnässte Trainer nur: "Sie sind alle komplett verrückt, aber sorry, sie sind jung und sie sind glücklich."

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Deschamps beweist Mut zum "Anti-Fußball"

Empathie für seine eigenen Spieler und ihre Bedürfnisse, so lange sie sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Dabei aber auch genügend Autorität für klare Entscheidungen im Sinne des Teams. So auch, als Deschamps im Finale durchgreift und den erstmals im Turnier wackligen Kante früh als ersten Spieler für Steven N'Zonzi auswechselt. Ein mutiger Schritt, der letztlich aber Stabilität bringt.

Überhaupt beweist der einstige Defensivspezialist Mut, indem er der individuell wohl bestbesetzten Offensive der Welt ein taktisches Defensivkorsett anlegt, in dem Stabilität vor Spektakel steht. Bezeichnend dafür steht Olivier Giroud, der als Sturmspitze ein Turnier durchspielt, ohne auch nur einen Schuss auf das gegnerische Tor abzugeben.

"Anti-Fußball" sei dies, schimpfen die im Halbfinale unterlegenen Belgier. Doch am Ende bringt Deschamps' abwartende Taktik den Erfolg, im Gegensatz zum Ballbesitzfußball der Deutschen, Spanier oder Brasilianer, für die die WM im Fiasko endet.

Davon ist Deschamps im Moskauer Luschniki-Stadion meilenweit entfernt. Er hat in diesen Stunden lediglich ein Problem: "Ich habe mich schon dreimal umgezogen, aber ich stinke einfach immer noch!"

Martin Jahns

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