WM 2022: Verbände beugen sich Diktat der FIFA
Verzicht auf "One-Love"-Binden zerstört die letzten Hoffnungen auf Anstand - ein Kommentar
- Aktualisiert: 22.11.2022
- 16:57 Uhr
- ran.de
Wenigstens durch das Tragen einer bunten Binde wollten westliche Teams ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz bei der WM setzen. Eine Sanktionsdrohung der FIFA setzt nun aber auch diesem Bestreben ein Ende. Ein Armutszeugnis für alle Beteiligen. Ein Kommentar.
Von Tobias Wiltschek
München - Was ist das bloß für eine jämmerliche Farce!
Eine Weltmeisterschaft kann man dieses Turnier nicht mehr nennen. Noch bevor diese "WM" für die deutsche Mannschaft begonnen hat, zählt das DFB-Team zu den Verlierern.
Wie auch alle anderen Nationalteams, die ihre Kapitäne mit der "One-Love"-Binde auflaufen lassen wollten, und sich nun dem Diktat der FIFA beugen.
Dass die farbige Binde, das Symbol von Vielfalt und Toleranz, nun doch nicht auf den Spielfeldern dieses Turniers zu sehen ist, ist der Gipfel der Ironie und der letzte Beweis dafür, dass es in dieses Land niemals hätte vergeben werden dürfen.
Es ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die von ihren Verbänden und Kapitänen gehofft hatten, dass sie zumindest ein Zeichen des Anstands gegen Homophobie und Intoleranz setzen.
DFB-Präsident Neuendorf weckte Hoffnungen
Es schienen eherne Worte zu sein, die DFB-Präsident Bernd Neuendorf vor ein paar Tagen bei einer Pressekonferenz in die Mikrofone sprach: "Ja", sagte er, er würde sogar eine Geldstrafe in Kauf nehmen, wenn Kapitän Manuel Neuer für das Tragen der Binde von der FIFA tatsächlich sanktioniert werden würde.
Geldstrafe ja – die hätte der DFB sicherlich auch leicht verschmerzen können. Eine Gelbe Karte für den Kapitän? Nein, das dann doch lieber nicht!
Was ist, wenn Neuer nach der Verwarnung im weiteren Verlauf des Turniers noch eine Gelbe Karte kassiert und ein Spiel zuschauen müsste? Was ist, wenn er zum zweiten Spiel wieder mit einer "One-Love"-Binde an den Mittelkreis zur Seitenwahl schreitet und womöglich wegen der zweiten Gelben Karte dann zum dritten Gruppenspiel nicht mehr antreten darf?
Diese drohenden Folgen waren wohl nicht nur dem DFB, sondern auch den vielen anderen europäischen Verbänden zu heikel, um das Tragen einer bunten Binde zu riskieren.
England, Wales, Belgien, Dänemark, die Niederlande und die Schweiz – alle knickten ein, und kritisierten in einer gemeinsamen Stellungnahme die FIFA wegen der Entscheidung scharf.
Doch statt dieser absolut gerechtfertigten Kritik wäre es ein viel stärkeres Zeichen gewesen, wenn sie auch dieser Sanktionsdrohung standgehalten hätten – und ihre Kapitäne dennoch mit der Binde hätten auflaufen lassen.
Denn nur so kann dem diktatorischen Treiben der FIFA und des Gastgebers Katar Einhalt geboten werden.
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Europäische Verbände kuschen vor FIFA und Katar
So aber ist eine weitere Chance vertan worden, durch gemeinsames Auftreten das Machtspiel von FIFA und Katar anzunehmen und den Kampf für die Einhaltung globaler Werte zu gewinnen.
Denn ohne die Wahrung von globalen Werten und den Schutz von Minderheiten auf der ganzen Welt kann es keine vernünftigen Weltmeisterschaften geben.
Das Versprechen des Emirs von Katar von "Inklusion" und "Diversität" bei der Eröffnungsfeier – es ist eben doch nur ein leeres Gefasel ohne Wert geblieben.
Die eigentlichen Zustände im Emirat anzuprangern, hätte nur ein wenig Mut und Teamgeist erfordert. Die westlichen Verbände waren dazu nicht in der Lage.