WM 2022: FIFA schafft Parallelspiele ab und erleichtert damit Ergebnis-Absprachen
- Aktualisiert: 01.12.2022
- 10:46 Uhr
- Tobias Wiltschek
Bei dieser WM werden letztmals Parallelspiele in der Gruppenphase ausgetragen. Die FIFA opfert sie für die Aufstockung der WM-Teilnehmer - mit drastischen Folgen.
München - Was war das für eine Dramatik am letzten Spieltag in Gruppe C bei der WM in Katar!
Die Mexikaner berannten gegen Saudi-Arabien in der Schlussphase das gegnerische Tor, während gleichzeitig nur ein paar Kilometer entfernt den Polen bei jedem Angriff der Argentinier die nackte Angst anzumerken war.
Alle wussten. Schießt Argentinien oder Mexiko in den letzten Minuten noch ein Tor, würde das alles ändern. Die Mexikaner würden auf einmal das Achtelfinale bejubeln dürfen, die Polen in tiefer Trauer versinken.
Dass am Ende nur noch die Saudis tief in der Nachspielzeit trafen, hat dieser Dramatik keinen Abbruch getan. Nicht im Geringsten.
Parallelspiele sorgen für Chancengleichheit
Es sind diese emotionalen Szenen, die die letzten beiden zeitgleich ausgetragenen Gruppenspiele so interessant machen. Außerdem – und das war ja auch der eigentliche Sinn ihrer Einführung – sorgen sie zumindest in den allermeisten Fällen dafür, dass die Chancengleichheit für alle Teams gewahrt bleibt.
Auch wenn sie vor dem Spiel der DFB-Elf gegen Spanien (Do. ab 20 Uhr im ran-Liveticker) wieder durch die Gazetten geisterte: Absprachen wie bei der legendären Schande von Gijon zwischen Deutschland und Österreich 1982 gehörten fortan der Vergangenheit an. Seit 1986 wurden bei jeder WM die letzten beiden Gruppenspiele immer zeitgleich angesetzt.
Umso fragwürdiger ist es, dass dieser bewährte Modus nicht fortgesetzt wird. 2026 bei der WM in den USA, Kanada und Mexiko wird es erstmals seit dann 44 Jahren wieder eine Runde mit Dreiergruppen geben.
Kritik an Aufstockung der WM-Teilnehmer
Eine Entscheidung, die den FIFA-Bossen schon viel Kritik eingebracht hat und in den kommenden Monaten auch noch einiges Kopfzerbrechen bereiten wird.
Denn sie geht einher mit einer weiteren Aufstockung der Anzahl an WM-Teilnehmern auf dann 48 Teams. Der frühere Bundestrainer Joachim Löw, City-Trainer Pep Guardiola und später auch die European Club Association kritisierten die Entscheidung scharf.
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Die Anzahl der Spiele werde damit ein "inakzeptables Niveau" erreichen und die Qualität der Partien darunter leiden, so lautete damals der Vorwurf.
Doch diese kritischen Stimmen überhörte Gianni Infantino damals. Ihm war es wichtiger, die vielen kleineren Verbände von seiner Kandidatur für die Nachfolge von Sepp Blatter als FIFA-Präsident zu überzeugen.
Diese Strategie ging auf. Infantino wurde FIFA-Präsident, die WM auf 48 Mannschaften aufgestockt. Um aber auch die europäischen Verbände milde zu stimmen, wurde festgelegt, dass auch weiterhin kein Team mehr als sieben Spiele bei einer WM bestreiten muss.
Keine Parallelspiele bei WM 2026
Dafür opferte man die Vorrunde mit Vierergruppen zugunsten von 16 Gruppen mit je drei Mannschaften. Mit der Folge, dass es nur noch drei Gruppenspiele gibt und am letzten Spieltag eben keine Parallelspiele stattfinden können.
Den beiden Teams, die das letzte Spiel bestreiten, eröffnet dieser Modus eine Vielzahl an Absprachemöglichkeiten. Von einem Unentschieden, das beiden zum Weiterkommen reicht, bis hin zu einem exakten Ergebnis, von dem beide profitieren. Und das übrige Team ist zum Zuschauen verdammt.
Das Problem wurde auch innerhalb der FIFA erkannt. Die Einsicht, auf die Dreiergruppen wieder zu verzichten, fehlte jedoch.
Van Basten mit kurioser Idee
Stattdessen kam der ehemalige niederländische Weltklassestürmer und heutige Technische Direktor der FIFA, Marco van Basten, auf eine ganz besondere Idee.
In der "Sport-Bild" schlug er vor, das Unentschieden bei der WM komplett abzuschaffen. Stattdessen sollen die Spiele, in denen es nach 90 Minuten unentschieden steht, mit Shoot-outs – vergleichbar mit dem Penaltyschießen im Eishockey – entschieden werden.
Dadurch würde vermieden, dass "alle drei Mannschaften punktgleich sind und das gleiche Torverhältnis haben", argumentierte der Europameister von 1988.
Eine Ergebnis-Absprache im letzten Spiel könnte aber auch diese Idee nur bedingt verhindern.
Dreieinhalb Jahre sind es noch bis zur WM 2026. Bis dahin muss die FIFA entscheiden, wie sie aus dem Dilemma wieder herauskommt, in das sie sich selbst hineinmanövriert hat.