WM 2022
WM 2022: Japan gegen Spanien - Ball im Aus oder nicht? FIFA klärt bei Twitter auf.
- Aktualisiert: 02.12.2022
- 20:21 Uhr
- ran
Hätte Deutschland weiterkommen müssen, weil der Siegtreffer der Japaner zum 2:1 irregulär war? Nun klärt die FIFA auf, warum der Ball vor dem Zuspiel nicht im Toraus war. Auch die nachträgliche Annullierung durch den VAR war korrekt, meint zumindest Ex-FIFA-Referee Urs Meier bei ran.
München - Am Tag nach dem WM-Aus des DFB-Teams sah sich die FIFA zu einer Stellungnahme und damit der Aufklärung gezwungen. Es ging um das Siegtor bei Japans 2:1-Erfolg über Spanien. Den wohl am heißesten diskutierten Treffer des Turniers in Katar.
Die Frage lautete: War der Ball bereits hinter der Torauslinie, als Kaoru Mitoma diesen per Grätsche in die Mitte zurückspielte, bevor der Düsseldorfer Ao Tanaka einnetzte (54.)?
WM 2022: FIFA reagiert auf Diskussion um Japan-Tor mit Tweets
Via Twitter veröffentlichte die FIFA mehrere Wiederholungen der Szene und erklärte, dass der VAR das Tor gecheckt habe und auch die Torlinienkamera zum Einsatz gekommen sei.
In einem weiteren Tweet wird die Position des Balles noch einmal nachgestellt und aus verschiedenen Perspektiven gezeigt. Hierzu schrieb der Weltverband: "Andere Kameras können irreführende Bilder liefern, aber den vorliegenden Informationen zufolge war der Ball nicht komplett aus dem Spiel."
Wichtig hierbei: Laut den offiziellen Fußballregeln muss der Ball die Linie komplett überschreiten, ehe er im Aus ist.
WM 2022: Japan wäre mit Unentschieden rausgeflogen
Damit wäre die Frage beantwortet, die die Fußballwelt bewegt. Denn wäre Japan gegen Spanien nur zu einem 1:1 gekommen, hätte dies das Aus für die "Samurai Blue" bedeutet. Dagegen wäre Deutschland nach dem 4:2 über Costa Rica ins Achtelfinale eingezogen.
Wobei natürlich zu erwähnen ist, dass Japan auch bei Annullierung des Treffers noch mehr als eine halbe Stunde Zeit geblieben wäre, um ein weiteres Tor zu erzielen.
Direkt in den japanischen Jubel hinein hatte Schiedsrichter Victor Gomes den Treffer zunächst abgepfiffen. Doch dann meldete sich Video-Assistent Fernando Guerrero aus Mexiko.
Nach fast dreiminütiger Überprüfung legte sich Guerrero schließlich fest, dass der Ball bei der Vorlage nicht vollständig im Aus war und das 2:1 deshalb zählen musste. Diese Entscheidung übernahm Schiri Gomes, ohne sich die Szene noch einmal selbst am Monitor anzuschauen. Tor für Japan, Deutschland ausgeschieden.
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WM 2022: Meier verweist auf turnusmäßigen VAR-Check bei Toren
Fortan trieben zwei Fragen viele Fans und auch Experten um, nicht nur in den sozialen Medien: War der Ball im Toraus und hätte der VAR überhaupt eingreifen dürfen, da es sich ja um eine Millimeterentscheidung, aber nicht um eine krasse Fehleinschätzung gehandelt hat?
Der frühere Weltklasse-Unparteiische Urs Meier beantwortet beide Fragen mit einem klaren Ja - und ist damit auf einer Linie mit der FIFA. "Anders als bei sonstigen Entscheidungen auf dem Feld, wird bei jedem Treffer standardmäßig ein Torcheck durchgeführt. Der VAR darf immer eingreifen bei der Frage, ob das Tor korrekt entstanden ist oder nicht", sagte der Schweizer im Gespräch mit ran:
"Nach den Bildern, die ich gesehen habe, würde ich sagen, ist der Ball dem Regelbuch entsprechend noch im Spiel. Der Ball beißt die Linie so eben noch, es ist kein Grün zwischen Linie und Ball zu sehen. Und weil das so ist, ist der Ball noch im Spiel. Denn wenn man keine Beweise hat, dass der Ball eindeutig draußen ist, gilt wie beim Abseits im Zweifel für den Angreifer."
Unterstützung erhielt Meier von der ehemaligen Nationaltorhüterin Almuth Schult. "Auf der äußeren Linie ist es wirklich genau dieser Zentimeter, dass es passt und dann ist es nach der Regel ein Tor, weil der Ball noch die Linie berührt", meinte die "ARD"-Expertin. "Das ist eine Millimeter-Entscheidung. Wenn ich das so sehe, würde ich sagen, das ist okay."
WM 2022: Michael Ballack kritisierte Entscheidung als "falsch"
Es fanden sich aber auch zahlreiche Fachleute, die das anders sehen. "Die Entscheidung ist kontrovers und falsch. Du hast eine eventuelle Aus-Entscheidung, die nicht klar belegbar ist, korrigiert. Sie haben es korrigiert, obwohl es nicht beweisbar ist, weil es keine Torlinien-Entscheidung ist", erklärte der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack bei "Magenta TV".
Dass wie von der FIFA angsprochen genug Bilder kursieren, die den Eindruck vermitteln, der Ball sei in vollem Umfang außerhalb des Spielfelds gewesen, tat sein Übriges. "Ich habe ein Bild gesehen, das muss manipuliert sein. Das kann nicht das wirkliche Bild sein", sagte Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique nach der Partie.
Und Torschütze Tanaka meinte: "Wenn der Schiedsrichter den Ball aus gegeben hätte und das Tor nicht gezählt hätte, hätte ich es akzeptiert und wäre nicht enttäuscht gewesen."
Alles eine Frage der Perspektive, sagte Meier: "Es hängt immer am Blickwinkel. Den besten Blick hat man auf Ballhöhe von oben, ansonsten ist der Eindruck oft verzerrt."
WM 2022: Hatte der VAR ein eindeutiges Bild der Toraus-Szene?
Daher stellte sich die nun von der FIFA beantwortete Frage: Hatte der VAR anhand der Kameras ein eindeutiges Bild der Szene, dass seine klare Entscheidung rechtfertigt? Nur dann kann er nämlich den Entschluss des Unparteiischen auf dem Platz in Frage stellen.
Deshalb hatte Ex-FIFA-Referee Manuel Gräfe eine nachträgliche Aufklärung gefordert. "FIFA, bitte belegen", schrieb er auf Twitter. Ähnlich hatten sich dort "Collinas Erben" geäußert.
"Der Punkt ist: Die Feldentscheidung lautete 'Ball im Toraus, daher kein Tor'. Das bedeutet: Wenn der VAR keinen klaren Beleg dafür hat, dass der Ball noch im Spiel war, darf er keine Entscheidungsänderung empfehlen", heißt es dort.
Und weiter: "Es wäre schön, wenn das aufgeklärt werden würde. Ausschließlich auf der Grundlage der bislang veröffentlichten Bilder die ursprüngliche Entscheidung als klaren Fehler einkassiert zu haben, wäre schon ein recht gewagter Move."
WM 2022: Könnte ein Chip im Ball die Lösung sein?
Ob die kritischen Nachfragen nach den FIFA-Reaktionen nun enden, wird sich zeigen. Mehr Klarheit direkt auf dem Platz könnte vermutlich die Ausweitung der Torlininen-Technologie auch auf die Torauslinie bringen. "Das man mit einem Chip eine zusätzliche Sicherheit hat, wäre sicher zu überlegen und technisch auch kein großer Aufwand", meinte Urs Meier.
Am zweiten deutschen WM-Aus nach der Vorrunde würde dies freilich nichts mehr ändern.
"Komisch", bemerkte Meier grinsend: "Es betrifft immer wieder die Deutschen bei der Frage Ball draußen oder drin." Das berühmte Wembley-Tor von 1966 lässt grüßen.