Motorsport DTM
"War schon sehr auffällig": Spielte Bortolotti in Spielberg mit Konkurrenz?
Das Tempo von Mirko Bortolotti im SSR-Lamborghini sorgte in Spielberg für Verwunderung bei der Konkurrenz. Es ist bekannt, dass der Italiener der wohl schnellste Fahrer im Huracan GT3 Evo2 ist, dennoch hatten viele den Eindruck, dass das Auto kaum unter dem enormen Gewicht durch die Balance of Performance leidet - und der DTM-Leader stets Reserven hatte.
"Ich habe zu Mirko aufgeschlossen, aber sobald er gesehen hat, dass ich komme, hat er die Pace erhöht und ist auf einmal extrem schnell gefahren", sagt der spätere Sieger Rene Rast im Gespräch mit Motorsport-Total.com über den aufschlussreichen ersten Stint, der einen guten Vergleich bietet, weil die Top 10 auf den Qualifying-Reifen starten müssen.
"Er hatte immer noch was in der Tasche, womit er nachlegen konnte. Das ist etwas, wo wir mal reinschauen müssen", fordert er. "Es war schon sehr auffällig, dass von Mirko auf einmal grüne Sektoren (persönliche Bestzeiten; Anm. d. Red.) gefahren wurden, obwohl er 65 Kilo schwerer war als ich am Vortag."
Lamborghini am Sonntag so schwer wie nie
Wie Rast auf die 65 Kilogramm kommt? Tatsächlich war Bortolottis Lamborghini im Sonntagsrennen um 45 Kilogramm schwerer als am Vortag, weil der SSR-Pilot auch noch die 20 Kilogramm Erfolgsballast für den Samstagssieg im Auto hatte. Rasts BMW wurde hingegen am Sonntag um 20 Kilogramm leichter gemacht. Daraus ergibt sich ein Delta von 65 Kilogramm.
Und als der dreimalige Champion an Luca Engstlers Grasser-Lamborghini vorbeikam und direkt hinter Bortolotti lag, fuhr dieser tatsächlich nicht mehr im Bereich von 1:30.0, sondern 1:29.776 und 1:29.719, ehe die Zeiten wieder anstiegen.
Lamborghini-Konkurrenz ortet "Überperformance"
Auch Rasts Teamchef Torsten Schubert konnte es nicht fassen, denn der Lamborghini hatte am Sonntag zusätzlich zum Leergewicht 120 Kilogramm Ballast an Bord - und war damit so schwer wie nie in dieser Saison, obwohl Spielberg eigentlich nicht als Lamborghini-Strecke gilt.
"Wenn ich mit 120 Kilo drin, also noch mal 15 Kilo nach dem Qualifying und den 20 Kilo Zusatzgewicht, immer noch vorne wegblasen kann, dann sollten sich diejenigen, die die Veranstaltung organisieren, Gedanken machen, ob das vielleicht wirklich ein Fall von Überperformance ist."
Diese "Überperformance" ortete Schubert im Gespräch mit Motorsport-Total.com auch am Samstag, "wenn Bortolotti mit diesem Auto alle Kerbs auslassen kann und einfach mal drumherum fährt" - und trotzdem gewinnt.
"Quali-Stint" oder gar nicht am Limit?
Eine interessante Aussage, denn das Samstagsrennen fand Anfangs auf feuchter Strecke statt, wodurch die Piloten den Randsteinen zunächst fernblieben. Dennoch fiel nicht nur Schubert auf, dass der Führende Bortolotti auch im zweiten Stint auf Slicks deutlich weniger ans Limit zu gehen schien als Verfolger Maro Engel.
Und das, obwohl Bortolotti nach dem Rennen meinte: "Der zweite Stint war ein Quali-Stint. Keine Fehler, ich habe von der ersten bis zur letzten Runde gepusht." Engel erlebte das aus dem Cockpit etwas anders.
"Am Anfang des Stints sind wir alle noch von der Ideallinie abgewichen, und ich habe mich dann irgendwann entschlossen, überall die volle Ideallinie zu nehmen, bis auf Turn 3", verweist Engel auf den an dieser Stelle feuchten Scheitelpunkt. "Also sprich, in Turn 1 außen auf den Kerb zu fahren, so wie man das im Trockenen macht, in Turn 4 auf der Ideallinie zu bremsen. Und ich habe gesehen, dass der Mirko das eben nicht gemacht hat."
Titelrivale Engel fühlt sich durch Sonntag bestätigt
Das sei neben dem geringeren Risiko "auch ein Performance-Nachteil", sagt Engel im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Und er war trotzdem sauschnell und ist mir am Ende eher weggefahren. Dadurch war mir schon am Samstag klar, dass der Mirko mit seinem Paket am Sonntag sehr stark sein wird", so der Mercedes-AMG-Werksfahrer.
Er fühlt sich durch die Ereignisse am Sonntag bestätigt: "Wenn man das Wochenende und die Änderungen übers Wochenende hinweg betrachtet, und sieht, was da nach wie vor an Performance vorhanden war, dann muss man zum Schluss kommen, dass sie es am Samstag einfach gemanagt haben."
"Das ist Taktik": Wurde Bortolotti absichtlich nur Vierter?
Die für die Einstufung zuständige SRO Motorsports Group reagierte noch am Samstagabend mit zusätzlichen zehn Kilogramm für den Lamborghini, doch Bortolotti antwortete am Sonntag mit der Pole, ehe weitere 15 Kilogramm BoP-Ballast ins Auto kamen.
Dennoch dominierte Bortolotti die Anfangsphase, ehe er bei den Stopps auf Platz vier zurückfiel. Wie manche vermuten mit voller Absicht, denn dadurch blieb er vor Titelrivale Kelvin van der Linde und geht ohne Erfolgsballast ins Finale. "Das ist Taktik", sagt ein Fahrerlager-Insider, der nicht namentlich genannt werden will. "Er hat bewusst rausgenommen, sonst hätte er das Rennen gewonnen. Und jeder hätte gesehen, dass die Lamborghini-BoP falsch ist."
Schenkt ein Fahrer, der im Titelkampf ist, wirklich aus taktischem Kalkül einen Sieg und wichtige Punkte her? Zweifel an dieser kühnen Theorie sind berechtigt, denn Bortolotti bremste nach dem verpatzten Stopp in der zweiten Kurve zu spät und rutschte von der Strecke, zudem zählt auch für ihn jeder Punkt. Dennoch ist eines gewiss: Die Einstufung des Huracan GT3 Evo2 wird auch beim Hockenheim-Finale Stoff für Diskussionen bieten.