Motorsport Formel 1
Audi-Teilverkauf an Katar: Wird's eine Nummer größer als gedacht?
Allen Dementis zum Trotz könnte der deutsche Automobilhersteller Audi sein für 2026 auf Schiene gelegtes Werksprogramm für die Formel 1 nun doch verkaufen. Oder zumindest Teile davon. Entsprechende Medienberichte konnten durch Recherchen von Motorsport-Total.com jetzt verdichtet werden.
Käufer könnte demnach das arabische Emirat Katar sein. Darüber hat der Formel-1-Journalist Joe Saward am 30. Oktober als Erster berichtet. Er schrieb damals: "Ich erwarte eine Art Übernahme von Sauber durch ein Unternehmen aus Katar, und ich würde vermuten, dass der beste Zeitpunkt, dies bekanntzugeben, in einigen Wochen in Doha wäre." Also rund um den Grand Prix von Katar am 1. Dezember 2024.
Sawards Meldung fand in den internationalen Medien zunächst kein großes Echo, wird aber seit ein paar Tagen von verschiedenen anderen Plattformen aufgegriffen. Tenor: Audi könnte Minderheitsanteile verkaufen, um frisches Kapital für den Aufbau des Teams zu generieren.
Laut Informationen von Motorsport-Total.com könnte der Deal sogar noch schneller vonstattengehen und bereits nächste Woche finalisiert werden. Und es soll auch ein Investment, das viel größer ist als von diversen Medienberichten beschrieben, zumindest als Möglichkeit im Raum stehen.
Audi & Katar: Die Vorgeschichte des Deals
Audi hatte erst im März 2024 angekündigt, dem schwedischen Sauber-Eigentümer Finn Rausing doch nicht nur 75, sondern 100 Prozent des Hinwiler Rennstalls abzukaufen. Für einen Kaufpreis von geschätzt rund 650 Millionen Euro. In Zeiten, in denen viele Investoren in die Formel 1 einsteigen wollen, ein relativ günstiger Einstiegspreis.
Doch seit ein paar Wochen hat die Volkswagen AG, zu der auch die Marke Audi gehört, eine wirtschaftliche Krise erfasst. In Deutschland ist von Werksschließungen und dem Abbau von bis zu 30.000 Stellen die Rede. Eine Krise, die auch an der Marke Audi, die auf dem Weltmarkt mit ganz ähnlichen Herausforderungen konfrontiert ist, nicht spurlos vorübergeht.
Audi- und Branchenkenner erzählen hinter vorgehaltener Hand, dass es konzernintern aktuell nur sehr schwierig darstellbar sei, in großem Stil jenes Aufbauprogramm in der Formel 1 zu finanzieren, das zwingend erforderlich ist, wenn man ab 2026 mittel- bis langfristig konkurrenzfähig sein möchte. Weil das Kapital eigentlich an anderen Stellen dringender gebraucht wird.
Was Audi offiziell zu den Gerüchten sagt
Audi hält sich zu den Gerüchten um einen Einstieg des Emirats Katar offiziell bedeckt ("Wir kommentieren grundsätzlich keine Spekulationen"). Auf Anfrage wird lediglich auf eine Aussage von CEO Gernot Döllner am Rande des Grand Prix von Italien in Monza 2024 verwiesen. Dort hat Döllner gesagt, jetzt sei "die richtige Zeit" für Audi, in die Formel 1 einzusteigen.
"Die Entscheidung wurde vor zweieinhalb Jahren gut vorbereitet und im vergangenen Jahr neu bewertet. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Formel 1 und Audi perfekt zusammenpassen. Es steht im Einklang mit unserer Strategie, und obwohl es ehrgeizig ist und Zeit brauchen wird, passt es auch perfekt zu der Art und Weise, wie wir uns auf der Unternehmensseite neu erfinden."
Klar ist aber auch: Der Zeitpunkt, im Konzern zu argumentieren, dass Audi womöglich weniger Geld in einzelne Serienbaureihen investieren kann, die dringend aufgefrischt werden müssen, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, ist angesichts der Krise rund um die Volkswagen AG ein schwieriger.
Da käme frisches Kapital aus Katar, das dabei helfen würde, den Aufbau des Formel-1-Teams voranzutreiben, ohne dass das Geld dafür aus Ingolstadt abfließen muss, gerade recht. Dem Vernehmen nach sollen die Katari signalisiert haben, bis zu einer Milliarde Euro dafür in die Hand nehmen zu wollen, wenn die Rahmenbedingungen für sie stimmen.
Warum ein Einstieg für Katar Sinn ergibt
Ein logischer Investor wäre Katar für Audi allemal. Erstens, weil die staatliche Fluggesellschaft Qatar Airways schon jetzt einer der wichtigsten Seriensponsoren der Formel 1 ist und Katar seit Jahren Interesse an der Formel 1 als globale Plattform zeigt. Und zweitens, weil Katar ohnehin schon in der Volkswagen AG investiert ist. Mit 17 Prozent am Gesamtkonzern.
Katar ist über die Qatar Holding LLC der drittgrößte Anteilseigner des Volkswagen-Konzerns, nach Porsche (53,3 Prozent) und dem Land Niedersachsen (20 Prozent). Sollte von einem Investment ins Audi-Formel-1-Team letztendlich auch die Volkswagen AG profitieren, würde Katar als einer der Shareholder daran also auch indirekt partizipieren.
Zudem besetzt Katar im so wichtigen Aufsichtsrat der Volkswagen AG zwei der 20 Sitze. Konkret durch Dr. Hessa Sultan Al Jaber, ehemalige Ministerin für Informations- und Kommunikationstechnologie, und Mansoor Bin Ebrahim Al-Mahmoud, CEO der Qatar Investment Authority. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist übrigens der Österreicher Hans Dieter Pötsch, ein weiteres Mitglied der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil.
Steigt Katar viel größer ein als alle denken?
Auch wenn die Gespräche bereits fortgeschritten sind: Wie genau Katar nun bei Audis Formel-1-Programm einsteigen möchte, darüber gibt es derzeit keine eindeutige Informationslage. Andere Medien berichten von einem Minderheitsengagement ohne nennenswerte Veränderung im öffentlichen Auftritt des Teams.
Doch möglicherweise könnte das Investment auch größer ausfallen, mit einer Anpassung des Teamnamens, der dann neben Audi auch Katar oder ein Unternehmen aus Katar führen würde. Das wäre wahrscheinlich dann der Fall, sollte Katar mehr als 50 Prozent der Anteile der Sauber AG übernehmen und dazu auch noch den Motorenstandort in Neuburg kaufen.
Laut Ralf Schumacher passiere "bei Audi gerade einiges". Der Formel-1-Experte meinte dieser Tage im Interview mit Sky: "Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Konzerns scheint ein großer Teil des Teams schon in Richtung Katar verkauft zu sein." Und: "Ich bin immer noch gespannt, was da noch so passiert mit Audi."
Die Idee, mit Katar einen neuen Investor an Bord zu holen, war jedenfalls nicht von Anfang an Teil der Vision für das Audi-Formel-1-Programm, sondern wurde aus der wirtschaftlichen Krise heraus geboren. Und ist womöglich auch der Tatsache geschuldet, dass die beiden Männer, die den Formel-1-Einstieg maßgeblich initiiert haben, längst nicht mehr bei Audi sind.
Das waren zum einen Markus Duesmann, der als glühender Formel-1-Befürworter galt und im Sommer 2023 als Audi-CEO abgesetzt wurde. Und zum anderen Oliver Hofmann, der den Formel-1-Einstieg ursprünglich als Audi-Vorstand für Forschung und Entwicklung begleitet hat und im Juli 2024 ebenfalls gehen musste. Damit waren die zwei größten Treiber des Programms weg.
Audi und die Formel 1: Wie es angefangen hat
Duesmann und Hoffmann waren innerhalb des Volkswagen-Konzerns im Jahr 2020 einem Arbeitskreis unter dem Codenamen "Speed" beigetreten, der damals sechs Personen umfasste (je drei von Audi und Porsche, darunter auch die beiden Marken-CEOs). So steht das zumindest im neuen Formel-1-Buch Grand Prix Storys - Hinter den Kulissen der Formel 1.
In dem Buch heißt es wörtlich: "Im Oktober 2020 entstanden intern die ersten Arbeitsdokumente und Präsentationsfolien des 'Speed'-Projekts. Die Mitglieder der kleinen Gruppe tagten in unregelmäßigen Abständen, ungefähr alle sechs Wochen."
Danach wurde, "unter strenger Geheimhaltung, am Münchner Flughafen ein Tagungsraum angemietet. Red Bull schickte Helmut Marko und Gerhard Berger, einen langjährigen Freund und inoffiziellen Berater von Konzernchef Dietrich Mateschitz, zu dem Meeting. Audi tauchte mit Oliver Hoffmann und Julius Seebach auf. Und Porsche mit Fritz Enzinger."
Sowohl Audi als auch Porsche waren zum damaligen Zeitpunkt an einer Partnerschaft mit Red Bull interessiert. Die Entscheidung, dass Red Bull wenn, dann nur mit Porsche zusammenarbeiten würde, soll nach dem Münchner Meeting noch Dietrich Mateschitz höchstpersönlich getroffen haben.
Audi ging danach also erstmal auf "Brautschau", flirtete nach Red Bull auch mit McLaren und Aston Martin, landete aber letztendlich bei Sauber. Wegen des Standorts Hinwil in der Schweiz und aufgrund der dort recht hohen Personalkosten ein Schritt, der Audi-intern bis heute von den kritischeren Stimmen hinterfragt wird.
Duesmanns Nachfolger Gernot Döllner hat sich später, nach einer mehrmonatigen Evaluierungsphase, zwar ebenfalls grundsätzlich zur Formel 1 bekannt - soll aber dem Vernehmen nach weniger kompromissbereit sein, wenn es darum geht, andere Unternehmenssparten dem Erfolg in der Formel 1 unterzuordnen und dort große Investments zu tätigen.
Sollte es wirklich zu einem Verkauf von Anteilen kommen, wäre das in der Formel 1 jedenfalls kein neues Modell. Selbst Mercedes, das erfolgreichste Team des vergangenen Jahrzehnts, gehört nur noch zu einem Drittel dem Mercedes-Konzern. Die anderen beiden Anteilsdrittel werden von Toto Wolff und dem Chemiekonzern INEOS kontrolliert.
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