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Motorsport Formel 1

Ayrton Senna wäre 65: Fünf Senna-Stories, die noch nicht jeder kennt

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© Ercole Colombo

Er bestreitet in China zwar erst sein zweites Grand-Prix-Wochenende, doch dafür wollte sich Mercedes-Neuling Andrea Kimi Antonelli trotz vollgepacktem Zeitplan am Freitag unbedingt einen Moment nehmen: "Happy Birthday Legende", schrieb der 18-Jährige in seiner Instagram-Story und teilte dazu ein Foto von Formel-1-Ikone Ayrton Senna - der Brasilianer wäre am 21. März 65 Jahre alt geworden...

Dabei ist es kein Zufall, dass auch der jüngste Fahrer im aktuellen Feld Senna als sein großes Idol bezeichnet, bewegt der längst zum Mythos hochstilisierte Ausnahmepilot aus Sao Paulo doch bis heute die Massen - und mit ihnen aktuell auch die Jugend:

Erst vor wenigen Monaten hat Streaming-Anbieter Netflix, nach seinem Kassenschlager "Drive to Survive", schließlich auch ein Biopic zu Senna veröffentlicht. Eine Rezension zur sechsteiligen Mini-Serie gibt es hier - die ausführliche Besprechung, mit Reaktionen, Hintergründen und auch der Beleuchtung der ein oder anderen Ungenauigkeit seitens Netflix, im Video:

Dass Antonelli jedenfalls, der ausgerechnet an Sennas offiziellem Sterbeort in Bologna geboren ist, ein glühender Fan des dreimaligen Weltmeisters ist, dürfte keine Überraschung sein: Weniger, weil Sennas Wurzeln mütterlicherseits selbst in Süditalien liegen - sondern weil wohl in keinem anderen Land außer Brasilien, wo er ohnehin als Nationalheiligtum gilt, die Verehrung für Senna so groß ist wie in Italien:

Hier verunglückte der damals 34-Jährige am 1. Mai 1994 in der Tamburello-Kurve von Imola. Bis heute wird von den Tifosi, die sonst nur für Ferrari - und jetzt zusätzlich ein bisschen für Antonelli - jubeln, auch Senna gehuldigt. Im vergangenen Jahr etwa, als sich sein Todestag schon zum 30. Mal jährte, es in Imola einen Charity-Lauf zur Unfallstelle Sennas gab, der letztlich im Regen absoff, und Sebastian Vettel vor dem Rennen zur Begeisterung des Publikums ein paar Runden in Sennas McLaren drehte.

Oder auch in Turin, wo es aus gegebenem Anlass eine sensationelle Sonderausstellung zu Senna gab, die viele Autos und Exponate aus seiner einzigartigen Karriere in nie da gewesener Vollständigkeit zusammenführte - und ein paar Stories aus den Archiven kramte, die so vielleicht selbst den eingefleischten Formel-1- und Senna-Fans noch nicht bekannt waren. Ein paar davon wollen wir zum 65. Senna-Geburtstag hier veröffentlichen:

Der Mentor

Im Alter von 14 Jahren wurde der junge Senna unter die Fittiche von Lucio Pascual Gascón genommen, besser bekannt als Tchê: Ein spanischer Ingenieur, der bereits in den Sechzigerjahren nach Brasilien gekommen war und als Tuningexperte für Gokarts galt.

In dieser Rolle förderte er vor Senna auch schon andere berühmte brasilianische Rennfahrer wie Emerson Fittipaldi, Chico Serra, Roberto Moreno, Maurizio Sala und Mauricio Gugelmin. Unter Tchês Führung feierte der Brasilianer wichtige Erfolge auf dem Weg nach oben - was er seinem Mentor nie vergas, wie ein Brief offenbart, den Senna ihm 1990, nach dem Gewinn seines zweiten WM-Titels, schrieb:

"Tchê, mein Freund, du bist ein Mensch, der eine unglaubliche Bedeutung in meinem Leben hatte. Du hast mir fast alles beigebracht, was ich weiß, hast mir geholfen und bist in jedem Moment an meiner Seite gewesen. Ohne dich wäre ich nicht dort, wo ich heute bin. Du bist maßgeblich für meine Erfolge verantwortlich, und du kannst dir nicht vorstellen, wie dankbar ich dir bin."

Die Flagge

Senna und sein Jubel mit der brasilianischen Nationalflagge, vor allem bei seinem Heimsieg 1991 und Sao Paulo oder nach seiner legendären Regenfahrt in Donington haben sich diese Bilder den Formel-1-Fans ins Gedächtnis gebrannt. Doch eigentlich ging die Geschichte schon etwas früher los:

Zeitgleich zum Großen Preis der USA in Detroit fand im Sommer 1986 im benachbarten Mexiko auch die Fußball-WM statt - und Brasilien scheiterte zu Beginn des Wochenendes im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Frankreich. Die Stimmung im Land war entsprechend gedrückt, doch am Sonntag siegte Senna von der Pole aus, ausgerechnet vor den beiden Franzosen Jacques Laffite und Alain Prost!

Für die Sportfans war die Rache damit geglückt - und wurde dann noch süßer, als sich Senna von einem Streckenposten auf der Ehrenrunde eine Brasilien-Flagge reichen ließ, mit der er seinen Triumph feierte. Die Geburtsstunde eines Jubels, die die Formel 1 in den Folgejahren noch oft zu sehen bekommen sollte von "Ayrton Senna do Brasil"...

Die Lektion

Später galt Senna als kompromissloser Racer, der seinen Gegner Furcht einflößte, wenn nur sein gelber Helm in ihrem Rückspiegel auftauchte. Doch das war nicht immer so, in den ersten Jahren seiner Formel-1-Karriere musste auch der Brasilianer hin und wieder Lehrgeld bezahlen. Eine vergessene Anekdote ist dabei eine Auseinandersetzung mit Michele Alboreto.

Beim Großen Preis von Deutschland 1987 in Hockenheim ging Senna sehr aggressiv gegen den Ferrari-Piloten zu Werke, drängte ihn aufs Gras und ließ ihm wenig Chance, zurück auf die Strecke zu kommen. Alboreto ließ sich das nicht gefallen und lauerte auf seine Chance, es Senna heimzuzahlen.

Beim übernächsten Grand Prix in Österreich bot sich ihm im Training die Chance dazu: Absichtlich bremste er direkt vor Senna ab, der ihm ins Heck rauschte und sich dabei die Front seines gelben Lotus zerstörte. Der junge Brasilianer war geschockt, gab Jahre später aber zu, Alboreto im Nachhinein dankbar für den Denkzettel zu sein: "Er hat mir an diesem Tag eine wertvolle Lektion erteilt."

Der Verlust

Zwar durfte Senna nach einer familiär bedingten Pause 1982 nach Großbritannien zurückkehren, um seine Karriere in der Formel Ford 2000 voranzutreiben, sein Vater Milton da Silva beschloss jedoch, ihm mit einem alten Freund der Familie einen Aufpasser mitzuschicken: Armando Botelho Teixeira.

Er wurde schnell zu einer Art Manager für Senna, kümmerte sich während seines rasanten Aufstiegs auf der Strecke um die geschäftlichen Angelegenheiten daneben. Teixeira war es auch, der Senna dazu riet fortan den Mädchennamen seiner Mutter zu verwenden, da dieser seltener und weltweit leichter als Marke registrieren war als Da Silva.

Zwar war es Armando noch vergönnt, den großen Erfolg seines Schützlings 1988 mit dem ersten WM-Titel mitzuerleben, schon im Sommer 1989 verstarb er jedoch überraschend. Senna erfuhr davon direkt nach seinem Sieg beim Großen Preis von Deutschland und war untröstlich - der Verlust seines engen Freundes sorgte für schwere Stunden in einem ohnehin schon schwierigen Jahr, eskalierte doch parallel gerade endgültig das McLaren-Teamduell mit Alain Prost.

Der Geschäftsmann

Freund und Ex-Teamkollege Gerhard Berger sagte einmal, wäre Senna nicht gestorben, wäre er heute vermutlich Präsident von Brasilien. Wo auch immer die Wege den charismatischen Formel-1-Star noch hingeführt hätten, Senna wäre zusätzlich auf jeden Fall ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen, denn schon auf dem Höhepunkt seines sportlichen Erfolgs stellte er dafür unzählige Weichen.

Senna hatte sich die Exklusivrechte als Audi-Importeur für Brasilien gesichert, war zudem Teilhaber einer Fabrik die modernste Mountainbikes herstellten - sein Name fand sich aber auch auf einem Ducati-Motorrad und einem Motorboot wieder. Darüber hinaus hatte er eine eigene Uhrenkollektion bei Luxushersteller TAG Heuer, die seit diesem Jahr auch wieder als Großsponsor in der Formel 1 vertreten sind.

Durch den italienischen Haushaltsgeräte-Hersteller De'Longhi, der schon in seinen Lotus-Jahren als Sponsor auf dem Auto zu finden war, hatte er zudem eine landesweite Lizenz für den Vertrieb von Klimaanlagen in Brasilien. Und gemeinsam einem Fotografen und einem Journalisten gründete er ein eigenes Unternehmen, das sich um PR- und Fotorechte zu seiner Person kümmerte, lange bevor das für Spitzensportler üblich wurde.

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