Formel 1 Motorsport
Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: China
FERRARI: Vom Himmel ging es für die Scuderia an diesem Wochenende in China in die Hölle, und das innerhalb von etwas mehr als 24 Stunden. Lewis Hamiltons Sieg im Sprint hätte der Startschuss einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte sein können, am Sonntagabend sprach darüber aber niemand mehr. Die Disqualifikationen für Hamilton und Charles Leclerc im Grand Prix waren selbst in der an Chaos nicht armen Geschichte Ferraris etwas besonderes: Erstmals wurden beide Piloten des Teams im gleichen Rennen aus der Wertung genommen. Maranello bringt sich damit nicht zum ersten Mal um die Früchte der eigenen Arbeit, mit derartigen Ungenauigkeiten wird das Team früh den Anschluss an McLaren verlieren. Immerhin bleiben noch viele Rennen, um es besser zu machen. Potenzial scheint durchaus vorhanden.
OSCAR PIASTRI: Es ist wohl an der Zeit, über Oscar Piastris Chancen auf den WM-Titel zu sprechen. Seit zwei Jahren fährt er schon in der Formel 1, er kam damals als "future world champion" - aber das gilt ja für so viele junge Fahrer, die dann in der obersten Liga doch nur Durchschnitt sind. Im dritten Jahr an der Seite von Lando Norris scheint er nun erstmals mehr zu sein, als der talentierte Teamkollege. Piastri war das gesamte Wochenende über der bessere McLaren-Fahrer, in seiner Ruhe liegt dabei eine Kraft. Die Pole Position und den Sieg quittierte er mit einem Lächeln und analysierte alles mit ruhigen Worten. Das erinnerte viele an Kimi Räikkönen zu besten Zeiten. Die Formel 1 hat einen neuen Iceman.
MCLAREN: Piastri allerdings lebt von der Stärke des Teams, die Engländer sind der einzige Rennstall, der wirklich überzeugend aus den Startlöchern gekommen ist. Und sie haben zwei Piloten, die daraus Kapital schlagen können. In der frühen Phase der Saison ist das ein Vorteil. Sollten beide sich im Laufe des Jahres als Titelkandidaten etablieren, dann dürfte es interessant werden. "Wir wollen den jeweils anderen schlagen, wir wollen zeigen, wer der Bessere ist", sagte Norris in Shanghai: "Das ist unausweichlich, darauf wird es hinauslaufen."
RED BULL: Nicht nur Ferrari steht sich selbst im Weg. Red Bull kann sich im Moment noch auf Max Verstappen verlassen, der Niederländer hat kein Siegerauto, punktet aber so konstant, dass er dennoch WM-Zweiter ist. Alles andere genügt aber nicht den Ansprüchen. Der RB21 ist zu langsam, und wie so häufig wirkt Verstappens Teamkollege im Vergleich mit dem Weltmeister wie ein Fahrschüler. Liam Lawson ist es in diesem Jahr, eigentlich ein vielversprechendes Talent. Doch er war in Australien und China so schwach, dass bereits über seine Ablösung vor dem nächsten Rennen in Japan spekuliert wird. Im Tausch könnte dann - wie passend - der Japaner Yuki Tsunoda vom Schwesterteam Racing Bulls kommen. In dieser Woche will man bei Red Bull in einem Meeting die Wege aus der Krise diskutieren.
NICO HÜLKENBERG: Für eine Bewertung des Sauber-Rennwagens ist es wohl auch nach dem zweiten Grand Prix zu früh. In Australien rutschte Hülkenberg auch dank äußerer Umstände nach vorne, in China beschädigte er sich nun schon früh den Unterboden und war dann ohne Chance. Das Qualifying (Platz 12) lässt zumindest hoffen, dass der einzige Deutsche im Feld durchaus häufiger um die Punkte kämpfen könnte. Das war vor der Saison so nicht erwartet worden.
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Meine rechte Hacke ist irgendwie heiß geworden, die Gashacke. Obwohl wir so langsam fahren." (Nico Hülkenberg hat Schmerzen und nimmt es mit Humor.)