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Motorsport Formel 1

Ferrari mit Lewis Hamilton: Sind die Testergebnisse besser als die Realität?

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© Getty Images

Helmut Marko sah nicht sonderlich beunruhigt aus, als er am Donnerstagabend in Bahrain die Zeitentabelle des zweiten Testtags studierte. Zwar betrug der Rückstand von Red Bull auf die Tagesbestzeit fast eine Sekunde, "aber Max ist heute ja nicht gefahren" (sondern "nur" Liam Lawson). Aber der Österreicher räumt ein: "Ferrari hat sehr konkurrenzfähig ausgesehen."

Superstar Lewis Hamilton, der in seinem neuen Team jeden Kilometer aufsaugt wie ein trockener Schwamm, war auch an Tag 2 am Vormittag dran. Am Ende standen für ihn gerade mal 45 Runden zu Buche, weil ein zwischenzeitlicher Regenschauer einen Teil seiner Fahrzeit auffraß. Trotzdem blieb er 0,052 Sekunden vor Teamkollege Charles Leclerc und wurde Zweiter, mit 0,031 Sekunden Rückstand auf Carlos Sainz (Williams).

Doch aussagekräftiger als die Zeitentabelle von Tag 2 waren die ersten echten Rennsimulationen, die am Nachmittag absolviert wurden. Leclerc probte zuerst ein Qualifying, dann ein komplettes Rennen inklusive zwei Boxenstopps. In seinen drei Stints fuhr er die Reifenmischungen C3, C2 und C1 von Pirelli.

Longrun mit gedrosselter Powerunit?

Die Datenauswertung, powered by PACETEQ, ergibt, dass Leclerc im Durchschnitt um knapp eine halbe Sekunde langsamer war als Lando Norris im McLaren, und ungefähr auf Augenhöhe mit Andrea Kimi Antonelli im Mercedes. Mehr als die Hälfte des Rückstands handelte sich Ferrari im ersten Sektor ein, der überwiegend aus Geradeauspassagen besteht. Was, so hoffen die Ferrari-Fans, auf eine gedrosselte Powerunit hindeuten könnte.

"Da sich die Bedingungen heute ständig änderten, war es schwierig, klare Rückschlüsse zu ziehen", will Leclerc dem zweiten Tag der Wintertests noch nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Er kündigt an: "Heute Abend konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Analyse der gesammelten Daten, um uns bestmöglich auf den letzten Testtag vorzubereiten."

Der wird voraussichtlich genutzt, um auch Hamilton die Chance auf eine komplette Grand-Prix-Simulation zu ermöglichen. Am Vormittag war der siebenmalige Weltmeister der absolut Schnellste im Feld. Doch die absoluten Bestzeiten zu bewerten, ist bei Testfahrten aufgrund der möglicherweise sehr unterschiedlichen Benzinmengen immer schwierig.

Hamilton: Erste Änderungen am Set-up vorgenommen

Es sei zwar noch früh, sagt Hamilton, "aber ich habe wirklich Freude mit dem Auto. Langsam freunden wir uns an." Der Testauftakt am Mittwoch war aus seiner Sicht ein langsames Warmlaufen: "Ich habe noch nichts am Set-up geändert oder so, sondern habe nur versucht, mich an das Auto zu gewöhnen. Heute habe ich schon ein bisschen mehr mit dem Ingenieur interagiert."

"Im Moment ist da noch einiges, was wir erst rausfinden müssen. Mit jeder Runde gelingt mir das ein bisschen besser. Die ganzen Einstellungen sind komplett anders. Selbst Bremsbalance und solche vermeintlich banalen Dinge sind ganz anders, als ich es von meinem vorherigen Team gewöhnt war. Jetzt muss ich mir erstmal aneignen, wie dieses Auto am liebsten gefahren werden will."

Denn: Das sei "anders" als beim Mercedes, sagt Hamilton, betont aber im gleichen Atemzug, dass er das Auto schon gut unter seinem Hintern spüren kann. Und: "Es reagiert auf meine Eingaben. So gesehen war heute ein guter Tag, mit inkrementellen Schritten am Set-up. Aber wir haben da noch ein bisschen Arbeit vor uns."

Vasseur: Lenkrad "wie ein Atomkraftwerk"

Es sind selbst vermeintliche Kleinigkeiten, auf die sich Hamilton nach zwölf Jahren bei Mercedes erst einstellen muss. Teamchef Frederic Vasseur unterstreicht zwar, dass die bisherigen Tests in älteren Ferrari-Modellen hilfreich gewesen seien. Doch ein offizieller Test im SF-25, mit dem Hamilton die Saison 2025 bestreiten wird, ist dann halt doch was anderes.

Das Lenkrad etwa sei komplex "wie ein Atomkraftwerk", grinst Vasseur im Interview mit Canal+: "Du musst mit den ganzen Knöpfen klarkommen, mit der Software und auch mit den Menschen. Wir haben 1.500 Leute. Diejenigen davon, mit denen er unmittelbar zusammenarbeitet, muss er kennenlernen, und diese Beziehungen müssen wir aufbauen. Das dauert ein bisschen."

"Lewis hat viel Zeit in der Fabrik verbracht, um Leute zu treffen", sagt Vasseur und fügt lachend hinzu, dass der Winter sich "wie Flitterwochen" angefühlt habe. Hamilton sei "gut für das Team, gut für die Formel 1, und er bringt einen frischen Wind zu uns. Ich will ihn gar nicht mit Carlos vergleichen, mit dem ich mich nach wie vor sehr gut verstehe. Aber jemand mit Lewis' Erfahrung bringt dann doch einen etwas neuen Blick auf das ein, was wir so tun."

Ferrari-Präsident höchstpersönlich in Bahrain

Am Donnerstag traf übrigens Hamiltons vielleicht größter Fan, Ferrari-Präsident John Elkann, in Bahrain ein. Elkann ist der Mann, der Hamilton zu Ferrari geholt hat. Und einer, der sich nicht allzu oft an der Rennstrecke blicken lässt. Wenn der Chef kommt, dann hat das eine starke Symbolwirkung. Und soll Hamilton wahrscheinlich das Gefühl geben, für die Marke Ferrari wichtig zu sein.

Hamilton hält fest: "Wie etwas anfängt, ist oft sehr wichtig. Der vergangene Monat hätte nicht besser sein können. Jeder Tag war wirklich wichtig, und es ging darum, die Grundfesten aufzubauen. Und auch wenn wir versucht haben, möglichst viel in möglichst wenig Zeit reinzupacken, haben wir dabei nichts überstürzt."

"Wir haben uns die Zeit genommen, die wir brauchen, aber wir haben gleichzeitig viele Überstunden geschoben. Das ist es, wofür wir hier sind, nicht wahr? Ich bin mir sicher, das wird sich lohnen - der Fokus, die Kommunikation, die Änderungen, die wir vorgenommen haben. Aber in den nächsten sechs bis acht Monaten wird da auch noch viel dazukommen. Es fühlt sich alles nahtlos an. Ich fühle mich hier zu Hause."

Selbst mit Leclerc, der als Teamkollege so etwas wie der natürliche Rivale im eigenen Haus ist, versteht sich Hamilton bislang prächtig. Doch Teamchef Vasseur rechnet schon damit, dass das nicht ewig so bleiben wird: "Bis zum ersten Grand Prix ist es immer leicht, eine gute Stimmung zu haben. Wenn es jetzt schon Krieg geben würde, dann müsste ich meinen Job wechseln", lacht der Franzose.

"Im Moment läuft alles sehr gut", sagt er. "Sie kommen gut miteinander aus, arbeiten gut zusammen. Ich denke, sie hatten genug Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie jetzt Teamkollegen sind. Wir haben das ja schon vor einem Jahr bekannt gegeben, und sie konnten einander erstmal kennenlernen, ohne direkte Konkurrenten zu sein."

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