Motorsport Formel 1
Ferrari: WM-Titelgewinn 2024 ist jetzt "realistisch möglich"
Ferrari hat bei den Grands Prix in Austin und in Mexiko-Stadt mehr Punkte erzielt als jedes andere Team in der Formel 1. Damit ist der italienische Rennstall auf den zweiten Platz der Konstrukteurswertung vorgerückt und der Rückstand auf WM-Spitzenreiter McLaren beträgt nur noch 29 Punkte. Was die Frage aufwirft: Kann Ferrari in der Saison 2024 vielleicht sogar noch Weltmeister werden?
"Das muss natürlich das Ziel sein", sagt Ferrari-Fahrer Charles Leclerc. "Wir erreichen es am besten, wenn wir uns einfach auf uns selbst konzentrieren und versuchen, das Maximum aus unserem Paket herauszuholen. Das ist uns an den vergangenen beiden Rennwochenenden gelungen. Der Titel in der Konstrukteurswertung ist damit realistisch möglich."
Mehr noch: Leclerc wähnt Ferrari jetzt in einer Position, in der es aus eigener Kraft um den Gesamtsieg kämpfen kann. Entscheidend für den Ausgang der Saison 2024 sei aus seiner Sicht, "dass wir gut abschneiden, und nicht, dass bei anderen etwas schiefläuft", so Leclerc.
Sein Ferrari-Teamkollege Carlos Sainz sieht das ähnlich. Ein möglicher WM-Titelgewinn durch Ferrari werde "mehr und mehr" zum Thema in Maranello. Sainz meint: "Wir stacheln uns gegenseitig an, weil wir wissen, es gibt eine Chance. Außerdem fahren wir beide sehr gut im Moment."
Das gelte es weiter auszunutzen, sagt Sainz. Der Schlüssel zum Erfolg für Ferrari sei "Konstanz" bei den Ergebnissen. "Wir müssen immer mit zwei Fahrern vorne dabei sein und ständig am Ball bleiben."
"Wir dürfen uns aber nicht verrückt machen, weil es nicht nur auf uns ankommt. Wenn man bedenkt, wie schnell McLaren ist, hängt es auch ein bisschen von McLaren ab. Aber ja, wir tun weiter unser Bestes", sagt Sainz.
Wie Verstappen und Norris Ferrari helfen
Parallel dazu verstricken sich McLaren-Fahrer Lando Norris als erster WM-Verfolger und Red-Bull-Fahrer Max Verstappen als WM-Spitzenreiter immer mehr in ihr eigenes Duell, wovon Ferrari profitieren kann. "Mir ist es recht, dass sich Max möglichst aggressiv gegenüber Lando verhält, denn das spielt mir in die Karten", sagt Leclerc frei heraus.
Er sieht sich als Außenseiter in der Fahrerwertung und erkennt im intensiven Duell zwischen Norris und Verstappen "mindestens die Chance, näher an Lando heranzukommen". Wenigstens der zweite Platz in der WM sei "offen", mehr werde eher schwierig. "Max hat ja schon einen ziemlichen Vorsprung."
Deshalb denkt Leclerc "realistisch betrachtet nicht über den Fahrertitel nach" und "ich fange auch jetzt nicht damit an. Denn es hilft mir nicht, mehr zu erreichen. Der Fokus liegt daher auf einem Rennen nach dem anderen."
"Ich kann den Ausgang der Fahrer-WM eh nicht kontrollieren, nur teilweise. Wenn ich alles richtig mache und alle Rennen gewinne, dann habe ich die besten Chancen. Aber selbst, wenn mir das gelingt, dann braucht Max sehr schlechte Wochenenden. Darauf kann ich mich nicht verlassen. Deshalb tue ich einfach mein Bestes. Und am Saisonende wird abgerechnet."
Ferrari in der Rolle des WM-Außenseiters
Bis dahin genießt Ferrari die Rolle des Außenseiters. Oder wie es Teamchef Frederic Vasseur formuliert: "Solange sich alle auf Max und Lando konzentrieren, ist es perfekt für uns. Wir fliegen unter dem Radar und können uns auf uns selbst konzentrieren. Dass andere die Schlagzeilen bestimmen, das ist gut für uns."
Was aber nicht bedeute, der Rest der Formel-1-Saison 2024 werde zum Selbstläufer für Ferrari. "Alle operieren am Limit und es geht sehr, sehr eng zu", meint Vasseur. "Ein, zwei Zehntel hin oder her können den Unterschied machen zwischen einem guten und einem schlechten Wochenende. Und manchmal brauchst du bei einem Update ein, zwei Wochenenden, bis du das Auto richtig darauf einstellen kannst."
Er spreche hier aus Erfahrung, denn sein Team erkenne erst jetzt die wahre Tragweite der technischen Neuerungen, die in Monza eingeführt wurden. "Wir waren anfangs aber nicht sicher, ob es nicht nur streckenspezifisch anschlägt. In Austin, auf einer normalen Strecke, haben wir die ganze Wahrheit gesehen", sagt Vasseur. "Also ja: Seit Monza sind wir deutlich besser aufgestellt."
Überall Siegchancen für Ferrari, nur in Katar nicht?
Was das für die noch folgenden Rennstrecken bedeute, wird Vasseur dann gefragt. Antwort: "Auf dem Papier sollte uns Katar nicht so gut liegen. Andererseits hätten wir in Mexiko [von der Papierform her] auch nicht auf Pole fahren sollen. Das bedeutet: Alles ist offen. Und ob es um Platz eins, Platz drei oder Platz fünf geht: Wir müssen einfach an jedem Wochenende das Maximum herausholen."
Das ist Ferrari in der Saison 2024 nicht immer gelungen. Vasseur selbst verweist auf Singapur und darauf, wie er sich "geärgert" habe, weil der SF-24 beim Formel-1-Nachtrennen prinzipiell schnell war, das Team die Leistung aber "nicht besonders gut auf den Punkt gebracht hat. Denn zur Leistung gehört erst einmal ein gutes Auto, aber dann musst du es eben auch gut umsetzen", meint Vasseur.
Ebenfalls nicht geholfen habe das Formtief "nach Kanada und nach Monaco", als Ferrari mit technischen Problemen zu kämpfen hatte und in der Konsequenz "einen Schritt zurück machen" musste.
"Wahrscheinlich haben wir ein, zwei Wochenenden verloren, was die reine Pace angeht. Es war aber ein guter Schritt, denn seit Ende Juli sind wir wieder voll da und haben es jetzt viel besser unter Kontrolle", so der Ferrari-Teamchef. Nachsatz: "Wenn die Pace stimmt, ist alles viel einfacher."