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Motorsport Formel 1

Ferraris Strategiecoup bringt Monza-Sieg - Leclerc: "McLaren in Fehler gehetzt"

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© Motorsport Images
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Es läuft die 17. Runde im Großen Preis von Italien, und nicht nur Charles Leclerc, sondern auch viele Zuschauer auf den Tribünen und an den TV-Schirmen denken sich, dass Ferraris Strategieabteilung mal wieder ins Klo gegriffen hat: "Was war das?! Warum kommen wir an die Box, wenn wir undercuttet werden", verleiht Leclerc seinem Ärger am Funk Ausdruck.

Sekunden zuvor hat er seinen am Start durch die Uneinigkeit der McLaren-Piloten so hart erkämpften zweiten Platz wieder an Lando Norris verloren, der eine Runde vor ihm stoppt. Doch für Ferrari wird genau dieses vermeintliche Malheur am Sonntag zum Glücksgriff, bringt es das Heimteam als Jäger doch endgültig in die Position, ein riskantes Vorhaben umzusetzen.

"Als wir undercuttet wurden, dachte ich, dass wir da vielleicht den Sieg verloren haben. Aber als dann beide reinkamen, habe ich ehrlich gesagt ziemlich an Grip auf der Vorderachse zugelegt, weil ich nach vorne freie Fahrt hatte. Und als letztes Auto (der Top-3) hatte damit ich nicht viel zu verlieren, den Einstopper zu versuchen", grinst Leclerc nach der Zieldurchfahrt.

Dass die ihm sogar den Sieg beschert, darüber ist dann aber auch der Scuderia-Star baff: "Es war eine große Überraschung, denn McLaren war auf dem Papier stärker. Aber wir haben es geschafft, sie unter Druck zu setzen, und so in einen Fehler mit der Strategie zu hetzen", sagt Leclerc bei Sky.

Für seinen Kommandostand hat er nach dem Rennen nur Lob übrig: "Das war wirklich gut gespielt vom Team, wir haben insgesamt einen tollen Job gemacht. Alles perfekt, auch wenn ich nicht denke, dass wir heute das beste Auto hatten." In jedem Fall aber die beste Strategie ...

Knappe 2,664 Sekunden vor dem heranpreschenden Oscar Piastri rettet Leclerc schließlich seinen zweiten Italien-Sieg nach 2019 über die Linie und verwandelt Monza erneut in ein Tollhaus für die Tifosi.

Vasseur zu Strategie: "War von Beginn an der Plan!"

Ferrari-Teamchef Fred Vasseur ist im Freudentaumel gar so überschwänglich, dass er in Bezug auf den Strategiecoup der Scuderia voller Stolz rausposaunt: "Das war von Beginn an der Plan! Denn McLaren hat mehr gepusht als erwartet, und das hat uns in die Karten gespielt."

"Im zweiten Stint, wo wir gute Pace hatten", sagt der Franzose bei Sky, wenngleich er einschränkt: "Es war jetzt nicht komfortabel, aber hatten alles unter Kontrolle, viel mehr als vorher - deswegen haben wir gesagt: Wir machen das weiter."

Aus Leclercs Mund klingt die Sache mit Ferraris Strategiewahl zwar ein bisschen zurückhaltender, doch auch der Monegasse bestätigt: "Es war unsere präferierte Wahl vor dem Rennen." Leclerc: "Wenn man mich vorher gefragt hätte, wäre der Einstopper definitiv das gewesen, was ich machen wollte."

Allerdings schränkt der Ferrari-Pilot ein: "Nach zehn Runden haben wir aber gesehen, dass Red Bull vorne links schon Probleme bekam mit den harten Reifen. Da haben wir natürlich an der Einstopp-Strategie gezweifelt, dachten, dass es viel schwieriger würde, den harten Reifen bis ans Ende zu bringen."

Doch der Praxistest lieferte Erleichterung: "Sobald ich ihn dann selbst drauf hatte, hatte ich aber wieder das Gefühl, dass es eine Möglichkeit sein könnte. Und besonders, als Oscar dann an die Box kam, hatte ich nach einigen Runden den Eindruck, dass ich ohne Verkehr mehr Grip hatte. Ab da war mir klar, dass wir es mit einem Stopp zum Funktionieren bringen können", sagt Leclerc.

"Ich wusste, dass ich konzentriert bleiben musste, weil Oscar wirklich eine gute Pace hatte. Aber in den letzten fünf, sechs runden, hatte ich schon das Gefühl, dass wir es haben, die Reifen fühlten sich gut an und ich konnte sehen, dass Oscar nicht so schnell war, dass er mich vor Rennende einfangen würde, wenn ich keine Fehler mache."

Leclerc: "Wenn das schlimmer wird, verliere ich das Rennen"

Ein Extralob bekommt Leclerc von seinem Teamchef für das Haushalten mit den harten Pneus: "Das Reifenmanagement war großartig von ihm", sagt Vasseur und verrät: "Wir haben ihm Zielzeiten vorgegeben und er hat es perfekt umgesetzt."

Auch Leclerc ist sich bewusst, dass sein guter Umgang mit den Pirellis am Ende der Schlüssel zum Erfolg war, besonders mit einem ganz bestimmten: "Wir haben einen sehr guten Job mit dem linken Vorderreifen gemacht, der hier für alle sehr problematisch war. Wir hatten viel Blasenbildung vorne, aber konnten den Grip vorne wiederfinden, und das hat geholfen, um heute zu gewinnen."

Deshalb habe auch sein ganzer Fokus im zweiten Stint auf der vermeintlichen Schwachstelle gelegen: "Ich habe mich nur auf vorne links fokussiert, weil ich sehen konnte, dass ich etwas Blasenbildung habe, und ich wusste, wenn das schlimmer wird, verliere ich das Rennen", erklärt Leclerc.

Doch nicht nur die Behandlung der Reifen, auch Ferraris spezieller Monza-Heckflügel, war für den Monegassen am Sonntag entscheidend: "Wir hatten sehr guten Topspeed, das hilft natürlich sehr auf so einem Kurs. Die Balance war auch gut, wir haben seit dem ersten Training eigentlich nicht viel geändert. Im Qualifying hatten wir ein paar Schwierigkeiten mit den Reifen, aber im Rennen waren wir wirklich gut aufgestellt", findet Leclerc.

Trotz Triumph: Leclerc bremst die Erwartungen

Allein, es bleibt die Frage: Wo steht Ferrari nach dem Monza-Sieg nun wirklich im Kampf der Top-Teams? "Wir müssen vorsichtig sein", erinnert sich Leclerc an den letzten Sieg der Roten im Mai, "denn nach Monaco hatten wir die vier schlimmsten Rennen der Saison. Einfach, weil Monaco so speziell ist für das Auto. Und Monza ist auch eine sehr spezifische Strecke, viele Geraden, wenig Kurven."

Leclerc glaubt: "Ja, wir hatten auch einen Heckflügel für diese Strecke, der uns heute dabei geholfen hat, zu gewinnen. Wir hatten auch ein weiteres Upgrade, was uns sicher näher an McLaren gebracht hat. Aber ich denke nicht, dass es schon genug ist, um für den Rest der Saison auf anderen Strecken das Auto zu sein, das es zu schlagen gilt."

Diese Erwartungshaltung sei einfach "nicht realistisch", bremst Leclerc die euphorisierten Tifosi: "Haben wir einen Schritt nach vorne gemacht? Ja. Ist es genug, um bis zum Saisonende Rennen zu gewinnen? Das glaube ich noch nicht", mahnt der Monegasse.

Ferner fordert Leclerc: "Wir sollten uns nicht zu sehr auf dem Rennen ausruhen, das wir gerade hatten. Als Team ist es sehr wichtig, sobald wir wieder in der Fabrik sind, dass wir neu starten, nach dem, was am Wochenende passiert ist. Wir lernen aus allem, analysieren alles, aber wir sollten die Emotionen beiseite lassen, uns als Team wieder resetten, und dann in Baku erneut angreifen."

Dabei schränkt der Sieger vom Sonntag ein: "Aber ohne jetzt verrückt hohe Erwartungen zu haben, weil das nicht das ist, wo das Team gerade steht. Ich wiederhole mich, aber Monza ist eine sehr besondere Strecke, und wir waren dieses Wochenende stark. Aber Baku wird vielleicht ganz anders, Singapur auch."

Zumindest mit Blick auf das übernächste Rennen im Stadtstaat hat Leclerc allerdings Hoffnung: "Singapur könnte vielleicht noch eine gute Strecke für uns sein, aber auf den anderen Strecken habe ich schon noch das Gefühl, dass wir einen Schritt hinter McLaren und Red Bull sind. Aber heute haben wir zumindest gesehen, dass wir mithalten können, wenn wir alles perfekt hinbekommen." Und den nötigen Mut in Sachen Strategie beweisen ...