Künftig für Audi unterwegs
Formel 1 - Nico Hülkenberg über verpassten Wechsel zu Topteam: "Letztes Puzzleteil hat gefehlt"
Nico Hülkenberg ist der letzte verbliebene Deutsche in der Formel 1. In Abu Dhabi fuhr er Anfang Dezember sein letztes Rennen für Haas, ab dem kommenden Jahr startet er für Audi. Im Interview zieht er Bilanz.
Wie kein anderer Sport ist die Formel 1 ständig in Bewegung, ändert sich gemäß ihrem Naturell rasend schnell - doch manche Dinge in der Königsklasse bleiben auch überraschend konstant. Kaum einer im Fahrerlager kennt diese Gesetzmäßigkeiten besser als Nico Hülkenberg: Nach 227 Grand-Prix-Starts ist der Emmericher mit allen Wassern gewaschen, geht 2025 bereits in sein zwölftes Jahr als Stammfahrer.
Vor 14 Jahren begann für Hülkenberg das Abenteuer Formel 1, 2010 mit Williams. Auch damals schon stieg das Saisonfinale in Abu Dhabi. Der Unterschied: Nicht nur kam der Rookie gerade mit dem frischen Rückenwind seiner ersten Poleposition beim vorherigen Rennen in Brasilien an, er war auch einer von sage und schreibe sieben deutschen Fahrern im Feld, neben Sebastian Vettel (Red Bull), Nico Rosberg und Michael Schumacher (beide Mercedes), Adrian Sutil (Force India), Nick Heidfeld (Sauber) und Timo Glock (Virgin).
Anno 2024 ist der 37-Jährige, mittlerweile drittältester Pilot im Fahrerfeld hinter Fernando Alonso (43) und Lewis Hamilton (39), schon im zweiten Jahr in Folge der einzige Vertreter seiner Nation. Daran wird sich auch 2025 nichts ändern - sehr wohl aber an seinen Teamfarben: Hülkenberg wechselt von Haas zu Sauber. Am Rande des Saisonfinals in Abu Dhabi treffen wir ihn in der Haas-Hospitality zum großen Abschiedsinterview.
Hülkenberg über Comeback: "Leistung war auf Anhieb da"
Frederik Hackbarth: "Der letzte Tanz mit Haas! Fühlt es sich so an, wie wenn das insgesamt eine kurze Zeit war? Oder ist es jetzt auch okay, dass das Kapitel beendet ist, und was Neues kommt?"
Nico Hülkenberg: "Okay ist, glaube ich, die falsche Umschreibung. Aber so ist der Sport, so ist das Business, so ist die Industrie. Die Entscheidung, dass es eine Veränderung gibt oder kommt, die ist vor circa einem halben Jahr gefallen. Es waren intensive zwei Jahre und gute zwei Jahre von mir aus gesehen, die ich sehr genossen habe."
Das Wichtigste in Kürze
"Natürlich am Anfang ein bisschen ungewiss nach drei Jahren Pause: Wo stehe ich? Wo bin ich? Wie wird es gehen? Aber da haben wir dann schnell Antworten darauf bekommen. Und ich glaube, die Leistung war auf Anhieb wieder da. Und ich habe einfach, glaube ich, sehr viel Freude und Spaß gehabt, mit dem Team zu arbeiten, wieder ins Lenkrad zu greifen. Das habe ich direkt gemerkt. Es hat Freude gebracht. Und ja, jetzt ist das hier meine Familie geworden. Aber trotzdem werden sich die Dinge ein bisschen neu sortieren und verändern, wie wir alle wissen."
Hackbarth: "Du bist ja schon so lange dabei, das heißt, es ist auch nicht der erste Abschied von einem Team, mit dem du lange gearbeitet hast. Also du sagst ja sogar Familie. Wie fühlt sich das an? Wie bereitet man sich darauf vor? Was ist jetzt vielleicht auch noch geplant?"
Hülkenberg: "Geplant ist nichts Großes. Ich meine, wir sind immer noch in einem Meisterschaftsrennen. Von daher ist es ein ganz normales Wochenende, wie jedes andere auch. Es ist halt das letzte Rennen der Saison, aber ich glaube, von meiner Perspektive will ich einfach ein gutes, optimiertes Wochenende haben, wo wir unsere Performance maximieren und das Maximum rausholen in Sachen Resultat. Und dann werden wir mal sehen, wo wir stehen."
"Ob wir Siebter werden, Sechster werden, oder was auch immer: Ich glaube aber, bigger Picture haben wir generell ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns. Wenn man sich mal zurückerinnert, wo wir letztes Jahr gefahren sind an Sonntagen, und wie wir oft ausgesehen haben ... von daher war es ein sehr gutes Jahr, erfolgreich. Aus meiner Sicht haben wir schon gewonnen - und alles, was jetzt noch passieren könnte, wäre eine Zugabe."
Anmerkung der Redaktion: Das Interview haben wir zu Beginn des Wochenendes in Abu Dhabi geführt. Die "Zugabe" bleibt am Ende aus - zwar belegt Hülkenberg beim Saisonfinale den starken achten Platz, Pierre Gasly wird im Alpine jedoch Siebter und sichert den Franzosen damit Rang sechs in der Konstrukteurs-WM vor Haas. Trotzdem: Platz sieben ist das beste Resultat des Rennstalls seit Rang fünf im Jahr 2018, und das zweitbeste Ergebnis der Teamgeschichte ...
Hackbarth: "Also die Gesamtbilanz fällt durchwegs positiv aus mit Haas, oder?"
Hülkenberg: "Mehr als positiv."
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Hackbarth: "Hattest du das erwartet, als du damals bei Haas unterschrieben hast?"
Hülkenberg: "Nee, ich glaube, erwartet nicht. Ich glaube, ehrlich gesagt, ich wusste nicht, was zu erwarten ist. Ich meine, damals 2022, hatten sie auch ein recht schwieriges Jahr. 2021 und 2022 sportlich, das sah nicht super rosig aus. Von daher ... plus meine drei Jahre Pause. Ich hatte nicht irgendwie große Erwartungen oder gedacht, da oder da kommen wir raus, sondern einfach: 'Fang an zu arbeiten, zu fahren, und lass uns hier gemeinsam wachsen und uns durchkämpfen.'"
Hackbarth: "Was sind denn die Gründe, dass das so eine positive Überraschung geworden ist, sowohl für dich als auch fürs Team? Also als du kamst, war das Team ja wirklich hinten. Und jetzt seid ihr zusammen nach vorne marschiert oder zumindest ins Mittelfeld."
Hülkenberg: "Viele, viele verschiedene Faktoren. Viele verschiedene gute Entscheidungen, die in den zwei Jahren passiert sind, Veränderungen, Entwicklungen, haben dazu geführt, dass wir uns so gut entwickelt haben."
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Hackbarth: "Wenn du sagst 'Veränderung', was hat der Teamchefwechsel noch mal bewirkt aus deiner Sicht?"
Hülkenberg:" [Der] Teamchefwechsel war natürlich ein Tapetenwechsel, war ein frischer, neuer Input von einem Ingenieur, von einem Teammitglied, der schon Mitglied war, und der quasi - ich nenne das mal - ein 360-Grad-Verständnis hat von der ganzen Materie, von jedem Job, der stattfindet, der alles quasi versteht, die Hintergründe, die Prozesse, und natürlich ein anderer neuer Managementstil."
"Ich glaube, einige von den guten Veränderungen wurden auch schon vorher gemacht, schon Ende '23 aufgrund der schlechten sportlichen Leistungen damals. Da fing es schon an, und dann mit Ayao [Komatsu] natürlich im Winter in '24 sind noch mal ein paar Sachen verändert worden. Und wie gesagt, ich glaube, die Summe von allem hat uns jetzt so gut dastehen lassen."
Hackbarth: "Mal kurz als kleiner Ausblick, weil du gesagt hast, Ayao ist als Ingenieur reingekommen in dieser Position. Gibt es eine gewisse Parallelität dann auch mit Mattia [Binotto] nächstes Jahr, der ja auch im Prinzip einen technischen Background hat? Ist das zu begrüßen, wenn der Chef noch mal eine andere, detailliertere Sicht auf diese Dinge hat?"
Hülkenberg: "Ich glaube, es ist anders. Es ist nicht zwingend notwendig. Man sieht, beide Modelle funktionieren, und hat es in der Vergangenheit gegeben, und wird es in Zukunft auch geben. Aber es ist anders. Es ist ein Unterschied. Aber jeder Mensch ist anders. Jeder Mensch hat eine andere Herangehensweise, einen anderen Managementstil. Wichtig ist, dass es natürlich zielführend ist, einfach in dem jeweiligen Team, und fruchtet."
Hülkenbergs "zweite" Karriere: "Super krasse Geschichte"
Unser Interview wird kurz unterbrochen, ein paar deutschsprachige Journalistenkollegen kommen zu uns an den Tisch und gesellen sich dazu. Eigentlich hatten sie einen Gesprächsslot nach uns, doch weil es zeitlich eng wird und Hülkenberg anschließend direkt weiter zur Pressekonferenz muss, wird kurzerhand zusammengespannt:
Reporter: "Unverhofft kommt oft ... würdest du sagen, das ist auch so ein bisschen die Überschrift über diesem ganzen Haas-Kapitel? Einmal das Comeback, dann die riesengroße Auferstehung des Teams, und für dich noch mal eine neue Chance mit dem Werksteam [Sauber wird 2026 zu Audi]. Also das ist ja schon eine irre Geschichte, wenn man sich das so anschaut."
Hülkenberg: "Super, super krasse Geschichte. Erfolgreich, und hätte ich mir auch nicht erträumt, auch nicht erwartet, nicht gedacht. Ehrlich gesagt bin ich mit - da hatten wir gerade schon drüber geredet - relativ wenig bis kaum Erwartungen reingegangen, sondern einfach nur mit: 'Hey, ich habe jetzt noch mal eine Verlängerung bekommen meiner Karriere, genieße es einfach, mache das Meiste daraus, so gut, so positiv wie möglich.' Und ich glaube einfach, in den zwei Jahren habe ich einfach sehr, sehr viel ... ich hab's gefühlt. Ich habe einfach richtig Freude gehabt, Spaß gehabt. Und das war nicht immer so der Fall in der Formel 1."
"Von daher, ich glaube, war das für mich sehr, sehr viel wert und hat auch dazu geführt, dass ich diese Leistungen abrufen konnte, und bringen konnte, am Ende des Tages. Und dass dann noch mal hinten darüber hinaus, über das Haas-Kapitel, noch mal diese Audi-Geschichte kommt, das war natürlich ... da hätte ich nie mit gerechnet, hätte ich dir den Vogel gezeigt damals. Aber ja, von dem her, wie du sagst, 'unverhofft kommt oft' passt schon so ein Stück weit."
Reporter: "Woran lag das jetzt? Lag das an dem Umfeld, dass du mehr Freiheiten hattest? Lag das an deiner Reife, dass du in einem anderen Stadium bist?"
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Hülkenberg: "Ich glaube, eine Kombination aus allem, wirklich. Es hat einfach rundum gepasst. Ich glaube, am Anfang haben schon einige geguckt, und ich habe so ein bisschen skeptische Gesichter gesehen, weil die natürlich dachten: 'Jetzt holt der Günther [Steiner] hier den Typ, der drei Jahre schon im Ruhestand ist. Was soll das?' Und ich glaube, ich habe die Jungs dann aber schnell auf unsere Seite gewonnen. Und die haben gesehen: 'Hey, der kann doch fahren, und der gibt noch Gas, und die Leistung ist da.'"
"Und dann hat sich da einfach so eine Chemie und sehr, sehr positive gute Dynamik ergeben, ein unheimlich cooles Teamgefühl und Miteinander, was uns allen sehr viel Freude macht, und da ist sehr, sehr viel gewachsen. Von daher, auf der Seite passt es. Bei mir persönlich, privat passt es. Mein privates Umfeld und Team, was ich auf der Strecke habe, das ist sehr, sehr gut, und stark wie nie. Und wie gesagt, ich glaube, da greifen dann einfach die Zahnräder ineinander. Und das hilft einem Akteur am Ende dann auch, die Leistung abzurufen."
Ground-Effect? Quali-Stärke? Woran liegt der Aufschwung?
Klar ist: Hülkenberg ist es gelungen, sein Image innerhalb der Formel 1 in seiner "zweiten Karriere" signifikant aufzupolieren. Ende 2019 schien die F1-Karriere des Deutschen nach dem Aus bei Renault eigentlich schon beendet. Doch starke Auftritte als Ersatzspieler für die an Corona erkrankten Sergio Perez und Lance Stroll bei Racing Point 2020 hielten Hülkenberg im Blickfeld.
Zu Saisonbeginn 2022 wiederholte sich die Geschichte bei Nachfolgerteam Aston Martin, als auch Sebastian Vettel krankheitsbedingt zweimal passen musste. Für 2023 ergatterte Hülkenberg deshalb schließlich das Haas-Cockpit, und etablierte sich seitdem nicht nur einen Ruf als exzellenter Qualifyer, sondern auch als einer der Fahrer, die besonders gut mit den neuen Ground-Effect-Autos zurechtkommen ...
Hackbarth: "Kannst du das auch mal ein bisschen skizzieren ... wir haben ja eine neue Autogeneration seit ein paar Jahren. Und das Gefühl ist schon, dass du damit irgendwie auch noch mal einen Schritt gemacht hast, vielleicht in der Reputation, in dem, wie du mit dem Auto klarkommst. Würdest du das so unterschreiben, dass dir diese Autos mehr liegen? Es gibt ja einige Beispiele: Hamilton hat mal gesagt, ihm kommt Ground-Effect nicht entgegen. Ricciardo haben wir gesehen, hat ziemliche Probleme gehabt. Vettel eigentlich auch. Kommt dir das vielleicht mehr entgegen?"
Hülkenberg: "Nee, sehe ich nicht so. Ich glaube, das hat eher immer damit zu tun, wie du dich als Fahrer fühlst, wie dein Gefühl ist, und wie dein Vertrauen oder Selbstvertrauen ist. Am Ende ist es das Gefühl im Auto, was du hast oder nicht hast, und wenn irgendwie ein Prozent fehlt, dann ist halt direkt ein Problem da. Dann fehlt es an Rundenzeit und man sieht es auf der Stoppuhr."
"Aber, ich weiß nicht: Es gibt Beispiele, da kann man das anwenden. Aber es gibt auch Beispiele wie Max, der, egal welche Generation an Auto, der performt in jedem, unter jedem Umstand, und unter jeden Regularien. Ich gefühlt auch. Klar habe ich meine Höhen und Tiefen gehabt, auch mit den alten Autos, und bin bei Renault nicht so gut rausgegangen. Aber das war anderen Umständen geschuldet, wie gesagt, eher wieder Gefühl und wo man ist."
"Ich glaube, die Regeln und die Autos verändern sich ja alle fünf, sechs Jahre. Von daher musst du dich als Fahrer eigentlich anpassen können, neu lernen. Weil sonst, wenn du nur auf einem Auto gut bist, und dich nicht weiterentwickelst, dich nicht anpasst, dann hättest du eine relativ kurze Lebenserwartungshaltung hier in der Formel 1. Von daher glaube ich das nicht, [ist] finde ich nicht so ein Argument."
Hackbarth: "Du hast eine Reputation als sehr guter Qualifyer, dir diese jetzt auch in den zwei Haas-Jahren noch mal mehr erarbeitet, weil du einfach sehr oft dieses Auto irgendwie weit vor Kevin [Magnussen], oft sogar in Q3 reingestellt hast. Woran würdest du das festmachen? Gibt es eigentlich noch so was wie ein Quali-Set-up, und man geht dann auch vielleicht ein bisschen mehr in diese Richtung, weil man weiß, auf gewissen Strecken im Rennen, je nach DRS-Zug und so weiter, bist du sowieso gar nicht so anfällig ... und dann ist es einfach nur wichtig, weit vorne zu stehen?"
Hülkenberg: "Es gibt kein klassisches Quali-Set-up, es sei denn es ist irgendwie Regen vorhergesagt, solche Umstände. Aber sonst ... man ist ja im Parc Ferme, sobald man im Quali ist, und es muss für beide, fürs Rennen und fürs Quali taugen, obwohl das komplett unterschiedliche Welten sind. Aber ich glaube, man geht einfach immer für das optimale Set-up oder das, was man glaubt, was das optimale Set-up ist, fürs Rennen hauptsächlich oder fürs Wochenende. Aber ich glaube, das Rennen hat natürlich schon deutlich mehr Gewicht."
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Hackbarth: "Aber warum läuft es so gut für dich im Qualifying, warum stichst du da irgendwie so heraus?"
Hülkenberg: "Ich glaube, wenn man so meine Geschichte anguckt, schon von Junior-Zeiten, war das einfach immer eine natürliche Stärke von mir, dass ich den Reifen relativ schnell verstehe, gut fühle, und einfach fühle, wo der Grip ist, und das irgendwie gut abschätzen kann. Und ich glaube, das ist eine Fähigkeit, die habe ich einfach irgendwie gehabt und dann gut weiterentwickelt über die Jahre, über meine Karriere."
"Und ich find's cool. Es ist mit der intensivste Moment des Wochenendes, wenn du nur am Limit bist, mit dem Auto, mit dir selber, und wirklich am Limit spielst, mit Nuancen von Geschwindigkeit, von G-Kräften. Das ist eines der Highlights, und es sind in dem Moment wirklich die absolut schnellsten Autos der Welt - und ja, das taugt mir einfach."
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Reporter: "Wo siehst denn du deine Schwäche, wenn das Qualifying deine Stärke ist? Gibt es noch was?"
Hülkenberg [grinst]: "Schwächen? Schwächen habe ich wenige.
Reporter: "Das weiß ich. Aber wenn du sagst 'wenige', dann scheint es ja welche zu geben ..."
Hülkenberg [lacht]: "Nee, nee, Schwächen nicht. Aber es gibt immer Bereiche, wo du weiterarbeiten musst, wo du dich verbessern kannst: Reifenmanagement, Racecraft, Rennübersicht. Es sind immer diese typischen klassischen Drucksituationen im Rennen, wo alles Spitz auf Knopf kommt auf einmal, wo du einfach immer in der Regel Luft hast nach oben, und dich verbessern kannst."
"Aber in dem Moment hast du halt kaum Zeit irgendwie nachzudenken oder zu reagieren, sondern oft Instinkte einfach, die reinkippen. Aber das ist die Formel 1. Die Formel 1 ist dynamisch, die steht nie still. Die Autos verändern sich, die Reifen verändern sich, Regeln verändern sich. Von daher ist ein Anpassungsspiel, bei euch ja auch."
Reporter: "Selbstverständlich. Kommt das Internet auf einmal auf, Neuland ..."
Hülkenberg: "Da hab ich von gehört. Ich weiß nicht, ob sich das durchsetzt [grinst]."
Reporter: "Wir haben jetzt viel darüber gesprochen, wie du dich verbessert hast, wie du reifer geworden bist, wie das jetzt alles funktioniert. Gibt es denn eigentlich irgendetwas, wo du sagst, da warst du früher, als du in die Formel 1 gekommen bist 2010, besser, dass dir irgendwas fehlt heutzutage?"
Hülkenberg [überlegt lange]: "Nein, ich glaube nicht."
Reporter: "Das heißt, man wird als Rennfahrer bis zu einem gewissen Grad einfach nur besser, erfahrener?"
Hülkenberg: "Ich glaube, Erfahrung ist viel wert. In dem Sport, vor allem jetzt, wo man wenig Trainingszeit hat, kannst du mit Erfahrung relativ viel kompensieren, und den Vorsprung hast du halt gegenüber den Jungen oder den Rookies, die die Erfahrung halt nicht haben, ist ja normal. Hatte ich damals auch nicht und Rubens [Barrichello] hat mir mit seiner Erfahrung alle zwei Wochenenden eine Klatsche gegeben. So ist das vom Timing her. Aber ja, ich glaube, wenn du mich jetzt so ad hoc fragst, dann fällt mir nichts ein, was mir jetzt fehlt, was ich damals aber gehabt hätte."
Reporter: "Biss oder sowas, dass du sagst, du hast jetzt voll Bock noch das Meeting bis Mitternacht durchzuziehen. Wahrscheinlich hat man da als junger Fahrer noch ein bisschen mehr Lust drauf als vielleicht als erfahrener, wo du sagst, das hast du eh schon 50 Mal gehört. Gibt es das nicht?"
Hülkenberg: "Klar, da gibt es eine gewisse Abnutzungserscheinung, aber ich weiß nicht, ob das mit Biss zu tun hat, oder es hat einfach damit zu tun: Du musst einfach versuchen, alles zu optimieren. Und damals bist du vielleicht bis Mitternacht geblieben, um denen zu imponieren, aber es hat eigentlich nichts gebracht. Vielleicht hat die Stunde im Hotel, auf dem Bett, dir mehr Erholung gebracht."
"Und so einfach alles zu verstehen, da hilft die Erfahrung auch wieder besser: Wie viel muss ich am Ball sein und hier sein, dass alles wirklich so optimiert sein kann, wie ich es nur kann, wie es möglich ist oder auch nicht? Wo ist meine Zeit optimal investiert? Klar, da gibt es immer diese Stories von den Rookies, die kommen und dann allen imponieren wollen. Und es ist aber auch ein bisschen huhihaha, immer schöne Stories ..."
Reporter: "Also können wir festhalten: Deine Zeit ist auf dem Bett besser investiert?"
Hackbarth: "Kommt ja auch drauf an, was man da macht ..."
Am Tisch bricht Gelächter aus, auch Hülkenberg schmunzelt. Die drei Jahre Zwangspause ohne Vollzeit-Formel-1 hat der 37-Jährige tatsächlich für die Familienplanung genutzt, ist im September 2021 Vater geworden: Frau Egle und Töchterchen Noemi Sky sind oft mit dabei im Fahrerlager. Dass ihm der neue Lebensabschnitt als Familienvater guttut, und eine gewisse Gelassenheit in Bezug auf den Sport gebracht hat, daraus hat Hülkenberg nie einen Hehl gemacht.
Auch auf seinen letzten Schritten als Haas-Pilot begleiten ihn die beiden wichtigsten Damen in seinem Leben beim Saisonfinale in Abu Dhabi, ehe für 2025 der Wechsel zu Sauber ansteht. 2013 fuhr Hülkenberg schon mal für die Truppe aus Hinwil, doch diesmal sind die Vorzeichen ganz andere, schließlich wird aus dem Schweizer Rennstall 2026 Audi.
Gibt es also doch noch ein Happy End für Hülkenberg, der mittlerweile der Fahrer mit den meisten Rennstarts ohne Sieg oder Podium in der Formel 1 ist? Mit Ausnahme vom damals bereits kriselnden Renault blieb ihm ein Werksvertrag bisher immer versagt, bei den großen Topteams sowieso: Bei Ferrari erhielt in den Verhandlungen über ein Engagement für 2014 Kimi Räikkönen den Vorzug, auch anstelle von Sergio Perez bei Red Bull wurde Hülkenberg ein ums andere Mal gehandelt ...
Geplatzte Chancen? "Bin nicht der wehmütige Typ"
Hackbarth: "Du meintest vorhin, wenn dir jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, dass jetzt noch mal Audi mit einem Werksvertrag um die Ecke kommt, hättest du ihm den Vogel gezeigt. Andersrum gesprochen, du warst ja mal nahe an einem Ferrari-Vertrag dran, vor zehn Jahren. Nur du kannst sagen, wie nahe du an einem Red-Bull-Cockpit dran warst. Aber was ist deine Meinung: Warum hat das nie geklappt mit diesem Vertrag im Topteam?"
Hülkenberg: "Weil am Ende immer Kleinigkeiten und das letzte Puzzleteil irgendwie gefehlt hat ... [pausiert länger]. So simpel und einfach ist es am Ende. Das Ding ist nicht durch, bis es wirklich durch ist, und unterschrieben ist. Und ich glaube, teilweise war ich da wirklich sehr nah dran. Aber zählt halt nicht, wenn es nicht unterschrieben ist von der anderen Seite. Von daher können wir da viel oder lange drüber debattieren, wie nah war das oder nicht, spielt am Ende keine Rolle. Es hat ein bisschen was gefehlt."
Reporter: "Schaust du darauf wehmütig zurück oder ist das einfach Teil der Karriere?"
Hülkenberg: "Nee, gar nicht. Ich bin nicht der wehmütige Typ."
Reporter: "Erwartest du denn einen anderen Workload jetzt wieder mit einem Werksteam? Habt ihr einen Simulator, ganz andere Ressourcen ..."
Hülkenberg: "Ja, klar. Der Simulator ist das offensichtliche Ding, was die auch viel mehr benutzen. Das wird auf jeden Fall kommen und zusätzlich sein. Aber generell, ich glaube aus meiner Erfahrung: Immer, wenn du einen Teamwechsel hast, hast du natürlich erstmal viel mehr zu tun. Weil beim neuen Team natürlich immer viel mehr zu entdecken ist, und du das von denen lernst, und dann deine Inputs mit einbringen kannst oder was du verändert haben willst. Das ist normal. Und natürlich ist es am Anfang dann immer mehr in den ersten paar Monaten."
Reporter: "Wie viel Sauber ist das noch von dem Sauber, das du kennst, so auf den ersten Blick, bevor du richtig drin bist?"
Hülkenberg: "Ja, bin ich aber noch nicht. Kann dir nicht sagen, weil ich noch nicht so richtig da war. Von außen sind ein paar Leute noch da, die die damals auch da waren. Aber ich glaube, 80 Prozent sind neu, neue Gesichter, neue Leute. Aber es ist immer schwer, wenn man nicht hinter die Gardine gucken kann."
Sorgen wegen Audi? "Es ist alles im grünen Bereicht"
Hackbarth: "Gibt es denn auch Sorge durch das, was rund um Audi herum so passiert, und auch den VW-Konzern? Und wie es da mit [Gernot] Döllner zum Beispiel, der Austausch? Also meldet er sich dann mal und sagt: 'Nico, alles gut, das hat auf Formel 1 und unser Projekt keine Auswirkungen?' Weil ich meine, die Schlagzeilen kriegst du ja auch mit, wenn es dann bei VW oder Audi halt Trouble gibt, irgendwelche Werke streiken ..."
Hülkenberg: "Nee, ich glaube, ich kriege die nur begrenzt mit, weil ich ... sorry, aber ich lese generell wenig News und Presse. Aber ob es da Bedenken gibt oder Probleme?"
Hackbarth: "Ja, oder auch wie der Austausch einfach läuft, ob ein Döllner sich mal rührt und sagt: 'Hey, mach dir keine Sorgen, Formel-1-Projekt ist Formel-1-Projekt.' Oder ob du dir irgendwie schon auch denkst: 'Wow, was passiert dann?'"
Hülkenberg: "Ich glaube, es ist alles im grünen Bereich. Da ist alles abgesichert. Ich habe Gernot jetzt zum ersten Mal persönlich kennengelernt, er war ja in Katar, und ich habe da null Bauchschmerzen. Ich glaube, alles ist gesetzt, so wie es sein soll, und das Projekt wird seinen Gang gehen."
Hackbarth: "Wie siehst du das Investment von Katar, die sich ja jetzt mal eingekauft haben mit Geld, das vielleicht auch noch mal absichernd ist?"
Hülkenberg: "Ja, absolut. Wir wissen, dass es ein kostenintensiver Sport ist, und wenn du vor allem als Team wachsen willst, deine Ressourcen upgraden musst, deine Fabrik und alles, da brauchst du einiges an Kapital. Von daher ist das eine gute weitere Unterstützung und Hilfe in dem Gesamtprojekt."
Reporter: "Aber du weißt schon, dass Katar auch durchaus mal kritisch gesehen wird, mit dem, was da alles in der Vergangenheit schon war. Ich glaube, darauf zielte die Frage ja auch ab, dass Katar-Geld ja immer dieses Geschmäckle quasi mit sich bringt. Das hast du aber nicht?"
Hülkenberg: "Nee, kein Geschmack."
Alle Infos und Hintergründe zum Katar-Investment bei Audi gibt es hier nachzulesen. Am 16. März 2025 startet die neue Formel-1-Saison in Melbourne - und für Nico Hülkenberg das neue Abenteuer Sauber.