Zhou, Mazepin, Lauda und Co.
Formel 1: Paydriver - Zwischen Werbe-Millionen und Weltmeisterschafts-Hoffnungen
- Aktualisiert: 17.11.2021
- 23:37 Uhr
- ran.de/Christoph Gailer
Mit dem Chinesen Guanyu Zhou schnappt sich Alfa Romeo für 2022 einen Paydriver und dadurch wird ein in der Formel 1 schon fast zu Tradition gewordenes Geschäftsmodell fortgesetzt: Ein Fahrer bringt für seinen Traum viel Kohle von Sponsoren oder Gönnern mit. ran geht dem Mythos Paydriver in der Formel 1 auf den Grund.
München - Der Chinese Guanyu Zhou fährt in der Saison 2022 für Alfa Romeo. Diese Entscheidung hat der Formel-1-Rennstall kürzlich bekanntgegeben und damit einmal mehr den Mythos des Paydrivers aufleben lassen.
Denn der 22-Jährige aus Shanghai wird nicht nur wegen seines fahrerischen Talents verpflichtet, sondern auch aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte.
Daraus macht selbst Zhous künftiger Arbeitgeber keinen Hehl. "Ich denke, für die Firma, für die Arbeit der aktuellen Sponsoren, für die neun anderen Teams, für die Formel 1 im Allgemeinen, ist es eine riesige Chance. Einfach riesig.", sagte Teamchef Fred Vasseur bei "Motorsport-Total.com" über Zhous Engagement bei Alfa Romeo.
China-Grand-Prix ab 2023 wieder im Rennkalender
Dass ausgerechnet ein Chinese in der Formel 1 an den Start geht, dürfte möglicherweise auch nicht von ungefähr kommen. Schließlich wurde erst kürzlich bekannt, dass nach mehrjähriger Corona-Pause ab 2023 der Grand Prix in China wieder in den Renn-Kalender aufgenommen wird. Mit Zhou gibt es für das Rennen dort dann möglicherweise schon einen Lokalmatador im Team von Alfa Romeo.
Vor allem bei Zhous Team hofft man, durch die Verpflichtung des Chinesen die geschäftlichen Verbindungen mit und in dem Land weiter ausbauen zu können. "Alle sind begeistert", sagte Vasseur. "Es geht nicht nur um Alfa Romeo, Orlen oder einen anderen, sondern jeder versucht, kommerzielle Beziehungen zu China zu entwickeln, und das [also einen chinesischen Fahrer zu verpflichten - Anm. d. Red.] ist der beste Weg, dies zu tun."
Auch Formel-1-CEO Stefano Domenicali bezeichnete China zuletzt immer wieder als besonders wichtigen Markt.
Paydriver? Danner: "Das sind richtig gute Rennfahrer"
Während die Formel-1-Teams gerade in den finanziell schwierigeren Zeiten der Corona-Pandemie über sogenannte Paydriver durchaus glücklich sind, die sich durch ihre mitgebrachten Sponsoren-Millionen ihr Cockpit quasi selbst finanzieren, findet der ehemalige Formel-1-Pilot und ran-Experte Christian Danner den Begriff des Paydrivers wenig zutreffend.
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"Letztendlich sind fast alle Fahrer in der Formel 1 auf eine gewisse Art Paydriver", sagte Danner bereits 2020 bei "RTL" und nannte durchaus prominente Beispiele, die zu Beginn ihrer Formel-1-Karriere ebenfalls in genau diese Kategorie fielen.
"Sebastian Vettel wurde bereits lange vor der Formel 1 von Red Bull gefördert, Hamilton hat bereits zu Kart-Zeiten vieles von McLaren finanziert bekommen. Bei denen sind es vielleicht nicht die superreichen Daddies im Hintergrund, dafür aber riesige Unternehmen", ergänzte der 63-jährige Münchner, der früher unter anderem in der DTM an den Start ging.
Und außerdem seien die sogenannten Paydriver laut Danner in erster Linie mal "richtig gute Rennfahrer".
"Nicholas Latifi war Vizemeister in der Formel 2, Stroll hat 2016 souverän die Formel 3 gewonnen", belegte Danner seine These über die durchaus guten, fahrerischen Qualitäten der Paydriver, die nicht jeder Fan liebt.
Skandal-Pilot Mazepin als Negativ-Beispiel
Da wäre zum Beispiel Nikita Mazepin, der Urtyp des Paydrivers mit reichem Daddy. Sein schlechter Ruf ist Gift für das Modell, dass junge Fahrer finanzstarke Hilfe mitbringen.
Finanziert wird Mazepins Karriere von dessen Vater Dimitri, einem millionenschweren Geschäftsmann. Ihm gehört das russische Chemieunternehmen Uralchem. Diese finanzielle Unterstützung dürfte Sohnemann Nikita wohl auch dabei helfen, dass er sein Cockpit bei Haas überhaupt noch hat.
Kaum ein Renn-Wochenende verging in der Saison 2021, an dem Mazepin nicht auf oder gar neben der Strecke für irgendeinen Skandal sorgte. Besonders Teamkollege Mick Schumacher musste mehr als nur einmal unter der extrem rücksichtslosen Fahrweise des 22-Jährigen aus Moskau leiden.
Außerhalb der Strecke gehen Mazepins Skandale bis hin zu einer sexuellen Belästigung gegen ein Model im Dezember 2020. Doch all seine Verfehlungen blieben für den "Russen-Rowdy" weitestgehend folgenlos.
Niki Lauda: Vom Paydriver und gegen den Willen der Familie zum Weltmeister
Es gab in der Formel-1-Geschichte aber auch deutlich positivere Beispiele für einen sogenannten Paydriver als eben Mazepin. Eines von ihnen ist zweifelsohne der Österreicher Niki Lauda, der sich 1972 ein Cockpit bei March-Ford kaufte - und dabei, anders als etwa Mazepin, nicht im Geringsten von seiner Familie unterstützt wurde.
Finanziert hat er sein erstes Formel-1-Cockpit mit einem klassischen Kredit über die österreichische "Raiffeisenbank".
Zwei Millionen Schilling (umgerechnet etwa 145.000 Euro) nahm Lauda damals gegen den Willen seines Vaters, einem einflussreichen Industriellen, als Darlehen auf, um sich seinen Traum vom Profi-Rennfahrer zu erfüllen.
Zuvor war ihm von anderen Banken ein Darlehen sogar noch verweigert worden, weil die einflussreiche Familie Lauda im Hintergrund erfolgreich bei den jeweiligen Bank-Bossen intervenierte, um "den Buben zur Vernunft zu bringen", wie Niki Lauda es in seiner Autobiografie "Das dritte Leben" formulierte.
Daraufhin überwarf sich der spätere Formel-1-Weltmeister mit der Familie und verfolgte seinen Traum im Alleingang - mit unglaublich großem Erfolg.
Der Kredit bei der Raiffeisenbank und der damit ermöglichte Einstieg in die Formel 1 war der Beginnder eindrucksvollen Karriere Laudas, die in drei WM-Titeln mündete (1975, 1977, 1984).
Bei 171 Formel-1-Starts feierte der gebürtige Wiener 25 Siege und stand insgesamt 54-mal auf dem Podest. Dabei versuchte Laudas Großvater zuvor alles, um das junge Motorsport-Talent von seinen ehrgeizigen Motorsport-Plänen abzubringen.
"Ein Lauda hat auf den Wirtschaftsseiten der Zeitung zu stehen, nicht im Sportteil", polterte Großvater Lauda laut Niki, wie es der Enkel in der Autobiografie wiedergab.
Da hat es der jüngste Formel-1-Paydriver Zhou mit dem Einstieg in die Motorsport-Königsklasse sicherlich leichter. Er wird einerseits von seiner Familie massiv unterstützt, die ihn schon mit 13 Jahren nach Italien schickte, um dort an seiner Motorsport-Karriere zu arbeiten.
Und zudem hat er dank potenter Geldgeber die Chance, in der Formel 1 Fuß zu fassen und damit möglicherweise dem Mythos des Paydrivers ein weiteres (Erfolgs-)Kapitel hinzuzufügen.
Von Christoph Gailer
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