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Motorsport Formel 1

Hamilton vor Abschied niedergeschlagen - Wolff: "Lewis ist nicht happy"

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© Motorsport Images

Was spuckt die Mercedes-Wundertüte für das große Abschiedsrennen von Lewis Hamilton bei den Silberpfeilen in Abu Dhabi aus?

Viel größer könnte der Kontrast wohl kaum sein: In Las Vegas ist Mercedes das dominierende Team, fährt einen ungefährdeten Doppelsieg ein. In Katar schafft es Hamilton als Zwölfter nicht mal in die Punkteränge, auch Teamkollege George Russell kann, trotz Start von der Pole, nicht in den Kampf ums Podium eingreifen.

Teamchef Toto Wolff versucht sich nach dem enttäuschenden Ergebnis an einem Erklärungsversuch: "Es ist sicher ein mechanisches Problem, das wir schon das ganze Jahr haben, dass wenn viel Grip ist, unser Auto in ein Untersteuern hinein tendiert. Und wenn wenig Grip ist, wie es in Las Vegas war, und auch gestern und vorgestern, wo es kalt ist, ist unser Auto wunderbar balanciert, und dann haben alle anderen das Problem", sagt Wolff bei Sky.

Für die Fahrer habe das gravierende Folgen, vor allem für Hamilton: "Ich denke, eine seiner Stärken ist immer das späte Bremsen, die Kurven zu attackieren, und dieses Auto verträgt das nicht. Wenn dann Tage sind wie heute, wo der Grip dazukommt, tritt dieses Phänomen noch mehr auf, und macht es noch schlimmer für ihn."

Schumacher über Hamilton: "Er wollte es mit Gewalt"

Wolff sieht darin "ein Schema, eine Eigenschaft dieses Autos. Das führt dazu, dass er offensichtlich mehr leidet als George" - wenngleich der Teamchef auch bei Russell "das grauselige Untersteuern, was wir bei viel Grip haben", geortet hat.

Sky-Experte Ralf Schumacher analysiert mit Blick auf Hamiltons Schwierigkeiten in Katar: "Hier hat er es übertrieben, das Auto zu sehr in die Ecken gepresst. Er wollte es mit Gewalt, zu sehr reingebremst, und hat sein Problem, das Untersteuern, durch dieses Bremsen, später reinbremsen, noch unterstützt und noch verstärkt."

Für Abu Dhabi sieht der Deutsche Hamilton aber trotz der jüngsten Misere weiterhin mit Chancen auf einen würdigen Abschied: "Wenn er das in den Griff kriegt, kann sich das auch so drehen am Wochenende und auf einmal - so wie Max Verstappen jetzt - ist er wieder schnell. Das können wir ihm jetzt wünschen", sagt Schumacher, wenngleich er anfügt: "Normalerweise ist die Tendenz eher, dass es noch schlimmer wird. Aber wir hoffen, dass es anders ist."

"Kaum noch Sinn gemacht": Wolff versteht Hamilton

Wolff will wegen der Schwierigkeiten in Katar jedenfalls noch nicht die Flinte ins Korn werfen, schließlich habe man in Abu Dhabi nochmal eine ganz neue Chance auf einen positiven Abschied: "Wir fahren nicht um (die) Meisterschaftsposition, es ist wirklich Rennen für Rennen", sagt der Teamchef, und betont: "Wir versuchen ihm so gut wie möglich unter die Arme zu greifen und zu unterstützen, so wie er. Er hält auch die Moral im Team hoch."

Dass sein Schützling in Katar am Funk trotzdem kurzzeitig übers Aufgeben nachdachte, will Wolff ihm nicht übel nehmen: "Das Rennen war schlecht, das Auto war superschwer zu fahren", zeigt der Österreicher Verständnis: "(Bei) Lewis wissen wir, dass er im Moment nicht happy ist, und das war heute die Spitze des Eisberges, mit dem Fehlstart, und den Knopf nicht zu drücken." Für zu schnelles Fahren in der Boxengasse bekam Hamilton von den Stewards auch noch eine Strafe aufgebrummt.

"Es kam zu einem Punkt, wo es eigentlich kaum noch Sinn gemacht hat, weiterzufahren. Aber wenn du das Auto abstellst, dann schleppst du die Fünf-Sekunden-Strafe noch mit nach Abu Dhabi, deshalb mussten wir sie nehmen", erklärt der Silberpfeil-Boss.

Hamilton selbst räumt mit Blick auf den verkorksten Sonntag ehrlich ein: "Das war ich am Start. Dann war es wirklich unglücklich mit dem Reifenschaden. Und dann mit der Boxengasse, das war nochmal ich." Satte 12,5 km/h war Hamilton am Boxeneingang zu flott unterwegs.

In Bezug auf den Reifenschaden spekuliert der Brite indes, dass dieser auch etwas mit dem langen Fahren mit massivem Untersteuern zu tun haben könnte: "Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass das zum Reifenschaden geführt hat. Vielleicht war es auch ein Trümmerteil, aber ich habe eigentlich keine Trümmer gesehen. Jedenfalls nicht ideal", fasst er mit Blick auf seinen schweren Tag im Cockpit zusammen.

"Ich meine, von denen gab es ja jetzt schon einige, es war also eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich bin eigentlich nur dankbar, dass ich noch stehe und immer noch okay bin", erklärt er mit Blick auf sein schwieriges letztes Mercedes-Jahr: "Ich hatte großartige Rennen in meinem Leben, und auch schlechte Rennen." Außer Frage, zu welcher Kategorie der Katar-Grand-Prix am Sonntag zählte ...

Trotz Performance-Krise: Vasseur ohne Sorge

Trotz des Schwächelns auf der gemeinsamen Zielgeraden findet Wolff: "Auf der anderen Seite wird aber nichts einen Schatten auf zwölf unglaubliche Jahre werfen. Wir haben acht Konstrukteursmeisterschaften, sieben Fahrer, davon sechs mit ihm. Wir haben die Benchmark, die Latte, hochgesetzt, und da können eine Handvoll Rennen wie jetzt, die schlecht laufen, nichts ausmachen, weil es waren hundert oder mehr, die wir gewonnen haben."

Auch bei Hamiltons zukünftigem Team Ferrari zeigt man sich unbesorgt über die jüngste Formkrise: "Nein, ich mache mir keine Sorgen. Wenn man das Rennen sieht, das er in Vegas gemacht hat: Das war außerordentlich, von P10 zu starten und so weit vorzufahren", erklärt Ferrari-Teamchef Fred Vasseur: "Ich kann verstehen, dass die Saison nicht einfach ist. Ich bin aber sicher, dass er mit uns eine gute Saison fahren wird."

Wolff wehrt sich gegen Hater: "Einfach Idioten"

Dass die plötzlichen Leistungseinbrüche des Rekordweltmeisters vor allem in den Sozialen Medien noch ganz andere Blüten treiben, wo eingefleischte Hamilton-Fans Mercedes schon seit geraumer Zeit Sabotage und Benachteiligung vorwerfen, dafür hat Mercedes-Pendant Wolff indes kein Verständnis: "Ich habe nie Kommentare gelesen. Ich höre nur, dass dieser Unsinn auftaucht", schüttelt der Wiener den Kopf über das "toxische Umfeld".

Dabei stellt er klar: "Wir lieben unsere Fans." Dennoch gebe es auch einige, die "verrückte, ausgedachte Verschwörungstheorien" verbreiten. "Es stört mich nicht einmal, es sind einfach Idioten", erklärt der Mercedes-Boss, sich über diese spezielle Form von Kritik nur "amüsieren" zu können: "Meine Botschaft an diejenigen, die meinen, uns die Kommentare geben zu müssen: Niemand liest, was ihr schreibt."

Den Fokus will Wolff vor dem letzten Rennen mit Hamilton jedenfalls nicht auf die Negativität legen, weder von den vereinzelten Kritikern, noch von den teilweise enttäuschenden Ergebnissen: "Wir behalten und die guten Erinnerungen", sagt er: "Die letzten Rennen, vielleicht auch die letzten ein oder zwei Saisons waren nicht ganz wie erwartet, an den schlechten Tagen ist dieses Auto wirklich undankbar zu fahren."

Mit Blick auf Abu Dhabi glaubt Wolff aber: "Wir werden unsere Partnerschaft feiern, die Beziehung, die wir hatten. Dann werden diese letzten Rennen schnell vergessen sein."

Ganz so hoffnungsvoll klingt sein scheidender Schützling diesbezüglich allerdings nicht: "Ich meine, ich glaube nicht, dass wir es mit einem Höhepunkt abschließen. Es wird enden, aber ich denke, am wichtigsten ist, wie wir auftreten, dass wir unser Bestes geben. Ich erwarte jetzt nicht ein viel besseres Wochenende als an den letzten Wochenenden", sagt Hamilton, und erklärt: "Mit geringen Erwartungen reingehen, und vielleicht einem besseren Resultat rauskommen ... aber es macht jetzt auch keinen großen Unterschied mehr."

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