Motorsport Formel 1
Horner-Interview deutet an: Ist Ricciardos Abschied längst entschieden?
Offiziell hat Red Bull zwar noch nicht kommuniziert, dass Daniel Ricciardo in Singapur seinen letzten Grand Prix für die Racing Bulls bestreiten wird. Doch Christian Horner hat am Samstag in einem TV-Interview den bisher stärksten Hinweis darauf gegeben, dass hinter den Kulissen die Entscheidung längst gefallen ist, ab Austin Liam Lawson fahren zu lassen.
Horner stand am Samstag zwischen drittem Freien Training und Qualifying beim englischen Ableger des Pay-TV-Anbieters Sky vor der Kamera. Dort hätte er die Frage nach dem mutmaßlichen Ricciardo-Lawson-Tausch einfach dementieren können. Stattdessen blieb er bei dem Thema vage und ließ die Tür zu einem Fahrerwechsel ausdrücklich offen.
Die Fahrerbesetzung stehe "unter laufender Beobachtung", sagt der Red-Bull-Teamchef über die Gerüchte, und: "Da steckt viel mehr dahinter, es geht nicht nur um Daniel. Wir ziehen alle Optionen in Betracht. Jetzt kommt eine natürliche Pause, mit einem Monat bis zum nächsten Rennen. Da ist es nur logisch, dass man sich mal hinsetzt und sich überlegt, was die Optionen für den letzten Saisonabschnitt sein könnten."
"Daniel war unsere Bank für den Fall, dass Sergio es nicht auf die Reihe bekommt. Daniel hatte eine okay Saison, aber keine herausragende. Die Frage ist jetzt: Wie gut ist Liam? Manchmal müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden, um diese Antworten zu bekommen. Wir werden uns in der Pause hinsetzen und all diese Möglichkeiten durchspielen."
Nächste Woche: Meeting in Milton Keynes
Damit bestätigt Horner, was im Paddock in Singapur gemunkelt wird, nämlich dass es nächste Woche in Milton Keynes ein Meeting geben soll, bei dem die Ricciardo-Frage auf der Agenda steht. Denn zu dem Meeting sind auch Peter Bayer (CEO) und Laurent Mekies (Teamchef), die beiden Chefs der Racing Bulls, eingeladen.
Laut Bayer "laufen noch Gespräche" darüber, wie es nach Singapur weitergehen soll. Im Gespräch mit Motorsport-Total.com' sagt er: "Ganz so klar, wie es immer dargestellt wird, ist es nicht." Und er bemüht sich nicht besonders energisch, die Ricciardo-Gerüchte abzuwürgen, wenn er sagt, dass in der Formel 1 "jedes Rennen das letzte sein kann. Insbesondere in unserer Familie, wenn er die Leistung und Performance nicht bringt."
Eine Frage, die sich Sky-Experte Nico Rosberg stellt: Kann es Ricciardo mit einer Topleistung in Singapur noch herumreißen? Auch Horner weicht auch da aus: "Das wäre sicher nicht zu Daniels Nachteil. Wir wissen, wie er performt hat, haben viele Daten und Wissen darüber, wo er steht. [...] Wir werden uns in der Pause unweigerlich hinsetzen und alle Optionen in Betracht ziehen."
Ricciardo im Qualifying erneut enttäuschend
Doch Ricciardo trägt wenig dazu bei, es den Entscheidern so schwer wie möglich zu machen, ihn während der laufenden Saison aus dem Cockpit zu entfernen. Im Qualifying am Samstag wurde Yuki Tsunoda sensationell Achter, vor beiden Ferraris, während Ricciardo bereits in Q1 ausschied.
Auf die Frage nach dem Qualifying, ob so ein Ergebnis angesichts der Gerüchtelage besonders wehtue, antwortet Ricciardo: "Ja, sicher. Es wäre schön gewesen, ein Statement zu setzen." Er stammelt und sucht offensichtlich nach den richtigen Worten, und sagt dann: "Es nervt. Ich weiß nicht. Mit der ganzen Scheiße, die gerade abgeht, wäre es heute schon gut gewesen."
Umso mehr, als Helmut Marko vor dem Wochenende grinsend angedeutet hatte, falls Ricciardo in Singapur aufs Podium fahren sollte, werde man über die Sache nochmal nachdenken. Ein Interview, das offenbar auch Ricciardo gesehen - und ihm nicht gefallen hat: "Das ... Es kann nicht von einem Rennen zum nächsten ... Das ist nicht okay."
Was er mit seiner Antwort meint, lässt Ricciardo offen: "Mehr will ich dazu nicht sagen." Doch zwischen den Zeilen kann man herauslesen, dass er es nicht fair zu finden scheint, vor dem Rennen in Singapur noch nicht zu wissen, ob er in Austin überhaupt noch dabei ist. Eine Reaktion, für die Bayer Verständnis zeigt: "Er wäre kein Mensch, wenn das nicht zumindest hin und wieder aufblitzt."
Glock: Red Bull sollte Ricciardo mit mehr Respekt behandeln
Ein Fahrertausch Ricciardo-Lawson würde bedeuten, dass Ricciardo seinen letzten Grand Prix bestreitet, ohne diesen als Abschied zelebrieren zu können. Und darauf deutet alles hin: "Ich glaube, dass die die Entscheidung schon gefallen ist", sagt Sky-Experte Timo Glock in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. "Ein Rennen wird es jetzt nicht noch den Unterschied machen."
Glock findet es "schade, dass man da nicht einfach eine klare Kommunikation hat und sowas schon vor dem Rennwochenende klärt. Auch, in meinen Augen, was den Respekt gegenüber Daniel angeht, der ja wirklich lange Jahre in der Formel 1 und bei Red Bull dabei ist." Das wäre "für alle angenehmer" gewesen und hätte in Singapur so manchem ein Herumgeeiere in TV-Interviews erspart.
2026: Kommt Russell zu Red Bull?
Spannend übrigens auch: Während der Fahrerkader für 2025 mit Verstappen/Perez und Tsunoda/Lawson festzustehen scheint, hält sich Red Bull für 2026 alle Optionen offen. Zwar gibt's aus dem eigenen Juniorenkader Kandidaten wie Isack Hadjar und Arvid Lindblad, die nachdrängen (Bayer: "Der Druck von unten nimmt zu"). Aber: Horner schließt nicht aus, einen Fahrer bei einem anderen Team abzuwerben.
"Wir wollen uns jetzt die Zeit nehmen und nachdenken, wie die Möglichkeiten für die Zukunft aussehen. Wir haben keine Angst, vielleicht auch außerhalb unseres Pools zu schauen. George Russells Vertrag läuft Ende nächsten Jahres aus. Es wäre unsinnig, nicht über andere talentierte Fahrer nachzudenken, deren Verträge auslaufen", sagt Horner etwa.
Horner: "Checo unterliefert dieses Jahr"
Martin Brundle wollte von Horner dann auch noch wissen, ob es im Nachhinein betrachtet nicht klug gewesen wäre, einige der hauseigenen Junioren der jüngeren Vergangenheit nicht ziehen zu lassen - Stichwort Carlos Sainz, Stichwort Pierre Gasly. Denn jetzt habe man "eine der schwächeren Paarungen im Fahrerfeld".
Eine Fragestellung, die normalerweise bei Teamchefs reflexartig die Antwort triggert, dass man mit der derzeitigen Fahrerpaarung zufrieden sei. Nicht so bei Horner. Er sagt: "Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben so vielen Nachwuchstalenten eine Chance gegeben. Einige davon hast du ja aufgezählt."
"Das Red-Bull-System erfordert Ergebnisse und erfordert Leistung. Max liefert die. Checo unterliefert dieses Jahr. Vergangenes Jahr hat er seine Sache gut gemacht - oder: gut genug -, und er wurde Zweiter in der WM, und wir als Team Konstrukteurs-Weltmeister. Aber wir müssen nach vorn schauen."
"Wir haben ein paar tolle Talente. Wir haben Liam Lawson auf der Ersatzbank. Wir sind nicht ganz sicher ... Wenn ich mir Colapinto und Bearman und Antonelli anschaue: Ist er auf dem gleichen Niveau? Das wird nur die Zeit zeigen."
"Wir haben Isack Hadjar in der Formel 2, der bis vor kurzem die Meisterschaft angeführt hat. Dann haben wir noch ein aufregendes Nachwuchstalent, von dem ich besonders begeistert bin, in der Formel 3, nämlich Arvid Lindblad. Wir haben also Tiefe in unserem Juniorprogramm", betont Horner.
Es deutet also alles darauf hin, dass Ricciardo in Singapur den letzten Grand Prix seiner Karriere bestreiten wird. Denn theoretisch hat zwar Sauber noch ein Cockpit für 2025 frei. Aber dort soll, zumindest laut dem Schweizer Blick, die Entscheidung gefallen sein, jetzt doch mit Valtteri Bottas weiterzumachen.