Motorsport Formel 1
Horner räumt ein: Neuer Perez-Vertrag "hat nicht funktioniert"
Wenn Sergio Perez am Sonntag in Abu Dhabi zum 281. Mal bei einem Grand Prix am Start steht, wird es wahrscheinlich sein letztes Mal sein. Denn aktuell deutet alles darauf hin, dass er sein Cockpit bei Red Bull Racing an Liam Lawson verlieren und Lawsons freien Platz bei den Racing Bulls dann Isack Hadjar einnehmen wird.
Hadjar, Jahrgang 2004 und französisch-algerischer Doppelstaatsbürger, war 2020 Dritter in der Französischen Formel 4, 2022 Vierter in der Formel 3 und 2023 14. in der Formel 2. Aktuell liegt er in der Formel-2-Gesamtwertung an zweiter Position, mit vier Laufsiegen auf dem Konto und nur einem halben Punkt Rückstand auf den zukünftigen Sauber-Fahrer Gabriel Bortoleto.
Halb verplappert hat sich Hadjar schon vor einer Woche in Katar, als er gefragt wurde, ob er sich bereit fühle für den Aufstieg in die Formel 1, und er zögerlich antwortete: "Ich meine, es gibt 'bestätigt' und es gibt 'muss noch bestätigt werden', richtig? Daher kann ich nicht sagen, was ich nächstes Jahr machen werde, denn es ist nicht offiziell."
Laut Informationen von Motorsport-Total.com sind allerdings alle beteiligten Fahrer bereits über die neue Besetzung bei Red Bull und den Racing Bulls informiert. Auch Perez weiß Bescheid, dass er nicht mehr fahren wird. Das wurde ihm am Sonntag vor dem Start in Katar mitgeteilt. Wenn er sich in Interviews unwissend stellt und auf seinen Vertrag pocht, hat das vermutlich juristische Gründe.
Wie Horner seine Worte wählt
Teamchef Christian Horner sagt schon seit Wochen nicht mehr, dass Perez 2025 im Auto sitzen wird, sondern wählt stets - zuletzt auch am Freitag in Abu Dhabi - eine neutrale Formulierung: "Checo hat einen Vertrag mit dem Team." Wortklauberei, aber eine im Detail sehr wichtige - denn einen Vertrag haben bedeutet nicht automatisch, 2025 im Auto zu sitzen.
Im Subtext lässt Horner dann die Wahrheit schon durchblinzeln, wenn er Dinge sagt wie: "Diese Saison ist nicht nach Plan gelaufen, besonders nicht im Hinblick auf Checos Leistungen. Seit Monaco war es richtig hart für ihn. Und es ist zwangsläufig so, dass wir uns nach diesem Rennen hinsetzen und über die Zukunft sprechen werden."
Das passiert am Montag, bei einem Meeting zwischen dem Teammanagement und den Shareholdervertretern. In diesem Meeting wird "eine interne Entscheidung" getroffen, sagt Helmut Marko im Interview mit Sky, aber danach nicht zwangsläufig sofort eine Pressemitteilung veröffentlicht: "Wann die hinausgeht, kann ich jetzt noch nicht sagen."
Marko will "diesen ganzen Gesprächen nicht vorgreifen", sagt aber, angesprochen auf einen Medienbericht, wonach Red Bull Perez ein Angebot für einen freiwilligen Rücktritt gemacht haben soll: "Natürlich sind alle Beteiligten versucht, eine positive Lösung zu finden." Ohne genau zu präzisieren, wie so eine positive Lösung aussehen könnte.
So könnte Red Bulls Kompromissvorschlag aussehen
Im Paddock in Abu Dhabi sickert nach und nach durch, dass sich Red Bull womöglich vorstellen könnte, Perez zu reduzierter Gage weiter zu beschäftigen, als Botschafter und Berater für das Formel-1-Team. Er könnte Showruns absolvieren, weil David Coulthard ohnehin langsam in die Jahre kommt, und jahrelang noch gutes Geld verdienen.
Aber wenn Perez auf die in seinem Rennfahrervertrag für 2025 festgehaltene Gage bestehen sollte, könnte das zum Dealbreaker werden, denn die wird ihm Red Bull vermutlich nicht zahlen wollen. Sollten die Fronten weiterhin verhärtet bleiben, worauf Perez' bisherige Interviews in Abu Dhabi hindeuten, könnte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen.
"Niemand ärgert sich mehr über die Ergebnisse als Checo selbst, gemessen an seinen eigenen Erwartungen. Das tut ihm sehr weh", weiß Horner. "Wir haben als Team extrem hart dran gearbeitet, ihn zu unterstützen, und das werden wir auch bis zur Zielflagge am Sonntag in Abu Dhabi tun. Hoffentlich kriegen wir da nochmal ein gutes Ergebnis raus."
Nach FT1-Einsatz: Horner lobt Hadhar
Inzwischen wird das Fell des Bären schon zerlegt. Hadjar saß am Freitag im ersten Freien Training im Red Bull RB20 und belegte als Drittschnellster der sechs eingesetzten Rookies den 15. Platz. Perez wurde Zehnter und war um vier Zehntelsekunden schneller. Hadjar habe "einen guten Job gemacht", lobt Horner im Interview mit Sky.
"Es war sehr wichtig, dass er auf dem Auto keinen Kratzer hinterlässt, und das hat er gut gemacht. Er hat auch brauchbares Feedback geliefert", berichtet Horner und bestätigt, dass Hadjar "der Nächste in der Reihe" wäre, sollte 2025 bei einem der beiden Red-Bull-Teams ein Platz frei werden. Was nach Absage an Franco Colapinto klingt, der zeitweise auch als Kandidat gehandelt wurde.
Dass Hadjar am Freitag am Boxenfunk durchaus auch mal emotional rüberkam ("For fucks sake!"), nimmt man ihm bei Red Bull nicht übel: "Das ist sein Charakter", winkt Horner mit nonchalantem Grinsen ab. "Er ist ein emotionaler Kommunikator." Und es ist bekannt, dass eine gewisse Chuzpe auch von Marko eher als durchsetzungsstark denn als Problem verstanden wird.
Warum hat Red Bull Perez' Vertrag so früh verlängert?
Viele stellen sich im Nachhinein die Frage, warum Red Bull Perez' Vertrag überhaupt so früh verlängert hat. Bereits im Juni verlautbarte das österreichisch-britische Team eine Vertragsverlängerung bis Ende 2026. Offenbar wollte das Teammanagement ihm frühzeitig Zukunftssicherheit geben, um zu sehen, ob das zu konstanteren Leistungen führt.
"Zu dem Zeitpunkt", erklärt Horner, "hat Checo extrem gut performt. Soweit ich mich erinnere, hatte er in den ersten fünf Rennen vier Podestplätze. Und um ihm den nötigen Seelenfrieden zu geben und diese Form für den Rest der Saison zu konservieren, haben wir uns dazu entschieden, seinen Vertrag früh zu verlängern." Nachsatz: "Das hat nicht funktioniert."
Lawson: Vorfreude auf die künftige Aufgabe
Lawson weiß indes genau, was als künftiger Verstappen-Teamkollege bei Red Bull auf ihn zukommen könnte, und spricht in diesem Zusammenhang von der "größten Herausforderung", die man sich als Rennfahrer vorstellen kann. Aber: "Es wäre auch der beste Platz im Feld, um vom besten Fahrer im Feld lernen zu können", sagt er.
"Zugriff auf die Daten von Max zu haben, sich jede seiner Sessions anschauen zu können, zu analysieren, wie er performt, das wäre für mich als junger Fahrer in der Formel 1 das Beste, was mir im Hinblick auf meine weitere Entwicklung passieren kann. Ich würde es lieben, denn diese Daten würden mich sicher schneller machen."
Und auch Horner ist bewusst, dass es "die schwierigste Aufgabe in der Formel 1" ist, Verstappens Teamkollege zu sein, "weil er die Latte so hoch ansetzt". Jeder, der im zweiten Auto sitze, müsse als Charakter "extrem gefestigt" sein, um dem Druck standzuhalten, "und ignorieren, was im anderen Auto los ist. Sonst wird's mental schwierig."
Horner vergleicht Verstappen in diesem Kontext mit Größen der Formel-1-Geschichte und sagt: "Ich bin mir sicher, wenn du früher mit Michael Schumacher oder Ayrton Senna gearbeitet hast, war das eine ähnlich schwierige Aufgabe. Und Max gehört jetzt auch zu diesem elitären Kreis dazu. So einfach ist das im Grunde."
Übrigens: Dass das große Red-Bull-Meeting, bei dem die Fahrerentscheidungen endgültig abgesegnet werden sollen, bereits am Montag stattfindet, ist ein Indikator dafür, dass Yuki Tsunoda im Hinblick auf das Perez-Cockpit so gut wie aus dem Rennen ist. Sonst hätten die Red-Bull-Chefs wahrscheinlich noch seinen Red-Bull-Racing-Test am Dienstag abgewartet.