Motorsport Formel 1
Marc Surer: Ferrari hat mit Hamilton "eine falsche Entscheidung" getroffen
Mit insgesamt 50 Punkten in Austin und Mexiko war Carlos Sainz seit der Oktoberpause der Formel 1 der erfolgreichste Fahrer im gesamten Starterfeld. Eine Tatsache, die erneut Diskussionen darüber aufkommen lässt, ob Ferrari mit der Entscheidung, Sainz' Vertrag zum Saisonende 2024 nicht zu verlängern und stattdessen Superstar Lewis Hamilton von Mercedes zu engagieren, womöglich einen Fehler gemacht hat.
Für Marc Surer ist der Fall klar: "Ich würde sagen ja", sagt der ehemalige Grand-Prix-Pilot und heutige TV-Kommentator in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. "Wenn Hamilton kommt, ist das im ersten Moment sicherlich eine sehr positive Geschichte. Aber langfristig ist es eine falsche Entscheidung. Denn Lewis Hamilton wird alt."
Der siebenmalige Weltmeister (zuletzt 2020) wird 40 Jahre alt sein, wenn er bei den Wintertests 2025 erstmals offiziell den Ferrari-Overall tragen darf. Zum Vergleich: Michael Schumacher war 41, als er im Jahr 2010 sein Mercedes-Comeback gegeben hat - und Fernando Alonso fährt mit 43 immer noch auf einem sehr hohen Niveau Formel 1.
Aber - und das gelte "auch für einen Alonso", wie Surer betont: "Du wirst mit dem Alter nicht schneller. Du wirst erfahrener, du hast vielleicht im Rennen mehr Tricks drauf. Aber der reine Speed geht verloren. Und wenn das nur Hundertstelsekunden sind pro Jahr (...). Deswegen bin ich überzeugt, dass der Hamilton nicht mehr so schnell ist, wie er mal war."
Hamilton: Nur nach Punkten liegt er vor Russell
Interessant auch der Blick auf Hamiltons Mercedes-internes Duell gegen George Russell seit 2022: Bereits in der ersten gemeinsamen Saison hatte Hamilton nach WM-Punkten das Nachsehen, mit 240:275. 2023 setzte er sich mit 234:175 relativ deutlich durch. Und auch aktuell liegt er mit 189:177 Punkten an sechster Stelle der Gesamtwertung vor Russell.
Aber die Qualifyingduelle, die von Experten oftmals als besserer Gradmesser für den schieren Speed herangezogen werden, sprechen eine andere Sprache. Dort führt nämlich Russell mit 15:5 recht eindeutig, und Russell war auch in drei von vier Sprintqualifyings 2024 schneller als Hamilton. Selbst im direkten Rennduell führt er, anders als nach reinen Punkten, mit 12:8.
Viele Beobachter haben heute den Eindruck: Hamilton gehört immer noch zu den Allerbesten in der Formel 1, wenn er sich in seinem Auto wohlfühlt und vor allem motiviert ist. Das sei er aber angesichts des Mercedes-Rückstands auf die absolute Spitze in den vergangenen drei Jahren nicht immer gewesen, meint auch Surer beobachtet zu haben.
Aber: Hamiltons Sieg beim Heimrennen in Silverstone im Juli habe gezeigt, "dass es halt doch was ausmacht, wenn man hoch motiviert ist. Und ich würde sagen: Im Moment ist er es nicht", sagt Surer. "Aber wenn er im Ferrari sitzt, wird er es sein. Da will er sich und der Welt beweisen, dass es die richtige Entscheidung war, für Ferrari zu fahren."
Wie genau Hamilton Ferrari jetzt schon studiert
Ganz unabhängig davon, ob Ferrari-Chef John Elkann schon Zweifel daran kommen, ob seine Verpflichtung von Hamilton wirklich der große Wurf war, den er sich erhofft: Aus Hamiltons Sicht scheint der Wechsel zu Ferrari aktuell ein Glückgriff zu sein. Nach einer schwierigen Phase zur Saisonmitte sind die roten Autos derzeit wohl die schnellsten im Feld.
Beim Grand Prix von China, sagt Hamilton, sei Red Bull noch "eine Sekunde voran" gewesen, "aber seither war es unglaublich, den Aufstieg von McLaren zu sehen und dann, in den letzten paar Rennen, den von Ferrari". Er habe das Monza-Update und die damit einhergehenden Fortschritte genau beobachtet. Kein Wunder, wird Ferrari doch sein zukünftiger Arbeitsplatz sein.
Was Hamilton dabei sieht, dürfte ihm gefallen. Das gilt auch für die Onboardaufnahmen, die er stets genau studiert: "Wir schauen alle Videos, alle Fahrer. Wir schauen uns die Onboardrunden an, und wir versuchen immer zu erkennen, wo einer Zeit gewinnt. Und es gibt einige Autos, die einfach anders reagieren und in bestimmten Bereichen besser oder schlechter sind."
Das Interview mit Marc Surer über die derzeitige Topform von Carlos Sainz und seinen Ferrari-Nachfolger Lewis Hamilton gibt's jetzt in voller Länge (10 Minuten) auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen. Kanal am besten gleich kostenlos abonnieren und kein neues Formel-1-Video mehr verpassen!