Motorsport Formel 1
Mateschitz, Newey und die Horner-Affäre: Wie sehr leidet Red Bull?
Helmut Marko glaubt, dass der Verlust von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ein wichtiger Grund für Adrian Neweys Entscheidung gewesen sein könnte, Red Bull nach 17 Jahren zu verlassen und zu Aston Martin zu wechseln, während gleichzeitig Sky-Experte Ralf Schumacher der Meinung ist, dass auch Christian Horner seinen Anteil am personellen Aderlass des Teams haben könnte.
Marko sagt in einem Interview mit dem ORF, dass mit Mateschitz' Tod im Oktober 2022 teamintern "eine gewisse Änderung eingetreten" sei, denn unter Mateschitz habe es "Entscheidungen in kürzester Zeit" gegeben, "er war ein charismatischer Unternehmer, der sehr viele Visionen hatte und der auch bereit war, im Rennteam Risiken einzugehen".
Nach seinem Tod musste im Unternehmen "alles anders aufgestellt werden, denn so eine Einzelpersönlichkeit findest du nicht so schnell wieder, und die ist nicht durch eine Person ersetzbar". Das sei womöglich der Grund für viele der Wechsel, über die zuletzt berichtet wurde, und "vor allem bei Newey war das, glaube ich, warum er sich entschlossen hat, eine neue Herausforderung zu suchen".
Newey wird im März 2025 seinen Dienst als Managing Technical Partner bei Aston Martin antreten. Doch er ist nicht der einzige verdiente Mitarbeiter, der sich entschieden hat, Red Bull zu verlassen. Die Liste der Abgänge ist lang: Dan Fallows (Aston Martin), Rob Marshall (McLaren) und Jonathan Wheatley (Audi) sind neben Newey die wohl prominentesten Namen.
Lage bei Red Bull: Das sagt Ralf Schumacher
Ralf Schumacher glaubt, dass die teaminternen Streitigkeiten am Saisonbeginn, die im Zuge der sogenannten Horner-Affäre eskaliert sind, dazu beigetragen haben, "dass einige Leute weggehen wollen, die man eben nicht so leicht ersetzen kann. Das ist natürlich nicht förderlich, weil man muss an einem Strang ziehen. Und da fehlt sicherlich Didi Mateschitz."
Mateschitz habe, sagt Schumacher in einem Interview auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de, "die Dinge von oben klargestellt", wenn es Handlungsbedarf gab, interne Konflikte im Keim zu ersticken. "Das, glaube ich, fehlt dem Team." Dazu komme, dass Horner zwar "unheimlich erfahren" sei und einen "super Job" mache, aber gleichzeitig dem Vernehmen nach "kein einfacher Boss" sei.
Marko sieht darüber hinaus noch andere Gründe, die die Personalabgänge erklären könnten: "Wenn du gewinnst - und wir haben die letzten drei Jahre gewonnen, 2023 dominant -, dann sind natürlich die Mitarbeiter Begierde von anderen Teams. Das ist ein übliches Spiel in der Formel 1", erklärt er im ORF.
Marko: Wie machen die anderen das mit dem Budgetcap?
Ihn "verwundere" aber, wie hoch die Geldbeträge sind, die Fallows, Marshall und Co. geboten wurden, um sie von Red Bull wegzulocken: "Wir kämpfen immer mit dem Kostenlimit. Und diese Mitarbeiter kriegen oft das Doppelte und noch mehr geboten. Das heißt, manche konnten wir nicht halten."
"Newey war 17 Jahre bei uns, Wheatley 19 Jahre. Die waren Bestandteil des Teams, Bestandteil des Erfolgs. Das tut dann schon weh", räumt der Österreicher ein. "Aber wenn es einfach aus Kostengründen, aus Karrieregründen ... Wenn du [mit den Konkurrenzangeboten] nicht mithalten kannst, dann ist das halt so."
Die Horner-Affäre habe dabei "nicht geholfen", gibt Marko zu. Aber: "Intern haben wir uns zusammengesetzt und gesagt: 'Wir müssen alle Kräfte bündeln, wir müssen zusammenarbeiten in allen Bereichen, damit wir diese Weltmeisterschaft ins Trockene bringen und auch für die Zukunft ein Siegerauto haben.'"
"Denn das ist auch klar: Wenn wir Max Verstappen nicht ein Auto zur Verfügung stellen, mit dem er auf Dauer gewinnen kann, dann wird Max sicher dort seine Zukunft sehen, wo man ihm das beste Paket hinstellt." Denn "all diese Verträge von Topfahrern haben leistungsbezogene Ausstiegsklauseln", und das sei auch bei Verstappens Vertrag so, der bis 2028 läuft.
Perez-Zukunft: Was deutet Marko da an?
Spannend übrigens: Für 2025 sollte bei Red Bull Racing in puncto Fahrerbesetzung eigentlich alles klar sein, denn der Vertrag von Sergio Perez wurde erst dieses Jahr verlängert. Doch Marko antwortet auf die Frage des ORF, ob er davon ausgehe, 2025 mit Verstappen zu fahren, und zwar im Idealfall als Weltmeister, wörtlich so: "Und im Idealfall mit einem aus unserem Juniorenprogramm."
Hintergrund: Red Bull hat mit Red Bull Racing und den Racing Bulls vier Cockpits in der Formel 1, aber mit Verstappen, Perez, Tsunoda, Lawson, Hadjar und Iwasa sechs Fahrer, die dafür in Frage kommen. Angesichts der neuesten Aussagen scheint es wohl nicht mehr ausgeschlossen, dass nach Daniel Ricciardo auch Perez bald den "blauen Brief" erhalten könnte.
Für den Fall, dass Verstappen seine Drohung wahrmachen sollte und er seine Karriere wirklich beendet, hätte man also zumindest keine Knappheit an Fahrern. Ein Szenario, das Marko zumindest nicht kategorisch ausschließt: "Max ist nicht einer wie Alonso oder Hamilton, die fahren, solange sie von ihrer körperlichen Konstitution wettbewerbsfähig sind."
Marko unterstreicht, Verstappen sei "am Gewinnen interessiert, aber ob er jetzt vier oder fünf oder sechs Weltmeisterschaften hat, das steht bei ihm nicht im Vordergrund. Er will in der Ausübung seines Sports und in der Gesamtheit, was er macht, Freude und Begeisterung haben. Und er will ein Umfeld, in dem er sich wohlfühlt."
Ob all diese Faktoren noch in ausreichendem Maße vorhanden seien, angesichts des Fallouts der teaminternen Streitigkeiten, der aktuellen Formkurve des Teams, den personellen Abgängen und den zuletzt recht kleinlichen FIA-Verhaltensstrafen, das scheint Marko ernsthaft anzuzweifeln.