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Motorsport Formel 1

McLaren-Stallorder: So reagieren Norris & Piastri auf Stellas Ansage

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© Motorsport Images
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Wird das die entscheidende Wende im Titelkampf der Formel 1 2024? Nachdem Lando Norris und Oscar Piastri zuletzt frei gegeneinander fahren durften und Norris seinem Teamkollegen in Ungarn sogar den Sieg überlassen musste, hat McLaren nun entschieden, dass Piastri Norris im WM-Kampf unterstützen soll.

Die Entscheidung fiel nach dem vergangenen Rennen in Monza, bei dem sich Piastri in der Startphase sehr hart gegen seinen Teamkollegen durchgesetzt hatte, was diesen eine Position gegen Charles Leclerc und letzten Endes auch wichtige Punkte im WM-Kampf gekostet hatte.

Bislang hatte McLaren nicht in den Kampf eingegriffen, solange sich beide an die abgemachten Regeln halten, doch ab Baku will man seine Chancen in der WM erhöhen, um vielleicht doch noch die 62 Punkte Rückstand auf Max Verstappen gutzumachen.

Der Vorfall aus Monza war für viele aus WM-Sicht nicht gerade clever, doch im Team ist man weiterhin der Meinung, dass der Angriff von Piastri in der zweiten Schikane legitim war: "Unter den Umständen war es in Ordnung, was ich gemacht habe", sagt der Australier.

In Monza war "nichts verkehrt"

"Für mich war es ein gutes Manöver, auch wenn nicht im Sinne des Teams ist, dass wir als Erster und Dritter aus der Kurve gekommen sind", so Piastri. "Natürlich braucht es die Zusammenarbeit von beiden, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert, aber unter diesen Umständen war es nach dem Regelbuch. Daran war nichts verkehrt."

Norris selbst hadert mit Blick auf die Szene aber etwas: "Der Punkt ist, dass wir als Erster und Dritter aus der Kurve kamen, dabei hatten wir vor der Kurve den größten Abstand der Welt", ärgert er sich. "In meiner Welt ist das nicht ideal, auch nicht für das Team. So hätten wir dort nicht fahren sollen", stellt er klar.

McLaren hat sich die Situation nach dem Rennen noch einmal angeschaut und entschieden, dass es einen ähnlichen Vorfall nicht noch einmal geben soll. "In genau diesen gleichen Szenarien wären die Dinge jetzt anders", bestätigt Piastri, auch wenn er betont, dass der Angriff nichts mit dem Rennausgang zu tun hatte.

Denn Teamchef Andrea Stella hat eine Entscheidung getroffen: "Wir haben uns entschieden, Lando im Kampf um den Titel zu unterstützen", bestätigte der Italiener gegenüber der BBC. Heißt: Im Zweifel müsste Piastri zurückstecken.

Piastri weiß: Geht nicht nur um mich!

Der hat sich mit der neuen Aufgabe bereits arrangiert: "Natürlich ist eine Stallorder aus der egoistischen Fahrerperspektive nie schön, aber gleichzeitig weiß ich, dass es ein größeres Bild als nur mich selbst gibt", sagt Piastri.

Ihm ist bewusst, dass er für ein Team fährt, das ihm den Formel-1-Einstieg erst ermöglicht hat und mit dem er die Chance hat, Formel-1-Rennen schon nach so kurzer Zeit im Sport zu gewinnen. "Von daher trage ich eine Menge Dankbarkeit in mir", stellt er klar.

"Es geht nicht nur um mich, sondern wir wollen beide Meisterschaften gewinnen, was für das Team eine unheimlich große Sache ist", so Piastri. "Konstrukteur ist eine Sache, aber wenn du die Chance hast, in einem Jahr gleich beide Titel zu gewinnen, dann ist das als Team natürlich ein großes Ziel."

"Und natürlich würde ich es egoistisch gesehen lieber nicht haben, aber ich bin mir bewusst, dass sich die Welt nicht nur um mich dreht, und von daher bin ich gerne bereit, zu diesem Zeitpunkt der Saison eine unterstützende Rolle zu spielen. Vorher wäre es vielleicht übertrieben, aber jetzt ist ein angemessener Zeitpunkt, dem Team zu helfen, beide Meisterschaften zu gewinnen."

Muss Piastri auch Siege opfern?

Doch wie genau diese Unterstützung aussehen soll, das ist noch nicht so ganz klar. Denn einfach Platz machen und Norris vorbeilassen, das soll Piastri nicht. "Es ist nicht so, dass ich in jedem Rennen und mit jeder Entscheidung einfach hinter Lando sein werde, denn auch ich habe noch Dinge, die ich in der Meisterschaft erreichen möchte", sagt der Australier.

Geht man nach den Aussagen von Lando Norris, dann wird sich bei McLaren eigentlich gar nicht so viel ändern: "Es kann auch sein, dass er mir in diesem Jahr gar nicht helfen muss", sagt der Brite. "Es geht darum, dass ich Oscars Hilfe habe, wenn ich sie brauche, aber trotzdem kann er für sich kämpfen und seinen eigenen Job machen."

Das heißt: Piastri darf auch Rennen gewinnen, selbst wenn Norris hinter ihm liegt. "Wenn er um den Sieg gekämpft hat und ihn verdient, dann verdient er auch zu gewinnen", betont Norris und stellt klar, dass er in diesem Fall nicht erwartet, den Sieg von seinem Teamkollegen geschenkt zu bekommen.

Allerdings deutet er an, dass McLaren in Monza wohl die Positionen zwei und drei getauscht hätte, wenn die Regeln dort schon aktiv gewesen wären.

Norris will keinen Titel geschenkt

Nicht alles auf die Karte Norris zu setzen, könnte aber bedeuten, dass der McLaren-Pilot seinen ersten WM-Titel in Abu Dhabi knapp verpassen könnte. Das wäre dann aber eben so, meint er: "Sicherlich würde es weh tun, aber ich weiß nicht. Ich bin auch hier, um zu racen", sagt Norris.

"Wenn ein Fahrer besser ist als ich, dann muss ich einfach einen besseren Job machen. Ich möchte niemandem etwas wegnehmen, und ich möchte auch keine Meisterschaft geschenkt bekommen", sagt er.

"Klar wäre es toll, einen Titel zu haben, und kurzfristig würde sich das auch toll anfühlen, aber ich glaube nicht, dass du langfristig stolz darauf sein würdest", so der Brite. "Das ist nichts, was ich möchte. So möchte ich keine Meisterschaft gewinnen. Ich möchte sie gewinnen, in dem ich gegen Max kämpfe, Max schlage und beweise, dass ich der Beste auf der Strecke bin."

Diese Einstellung kann auch Piastri gut nachvollziehen. Er sagt: "Als Fahrer möchte man immer aus eigener Kraft gewinnen, weil man besser war - und nicht, weil man Hilfe hatte." Aber: "Wenn es den Unterschied macht, ob du eine Meisterschaft gewinnst oder nicht, dann würdest du die Hilfe natürlich nehmen."

"Aber ich denke, dass alle von uns im Team so viel wie möglich aus eigener Kraft schaffen wollen - mit ein klein wenig Hilfe", so der Australier.

Piastri: McLaren würde es andersrum auch so machen

Von Teamchef Stella wurde Piastri übrigens gefragt, ob er auch Siege abgeben würde, was dieser laut dem Italiener bejaht habe. Somit steht also durchaus im Raum, dass McLaren auch ganz vorne einen Platztausch vornehmen würde.

Sicherlich dürfte dabei auch eine Rolle gespielt haben, dass McLaren in Ungarn Piastri dessen ersten Sieg ermöglicht hatte. Denn so hat der Youngster das Gefühl, dass das Team nicht nur auf der Seite von Norris steht, sondern dass auch er in einer solchen Situation profitieren würde.

"Ich weiß, dass es genau die gleichen Diskussionen gäbe, wenn es andersherum wäre", betont Piastri. Und genau wie es auch bei neuen Teilen und Strategien immer ausgeglichen war, so ist er der Überzeugung, dass das Team nicht vergessen wird, sollte er Norris im WM-Kampf Unterstützung liefern.

Übrigens: Mit Manager Mark Webber weiß Piastri dabei jemanden an seiner Seite, der sehr gut weiß, wie es sich in der Rolle der Nummer 2 anfühlt. Bei Red Bull musste er häufiger die zweite Geige von Sebastian Vettel spielen - und war damit nicht immer glücklich.

Webber war in die Gespräche zwischen Piastri und McLaren involviert, doch einen Vergleich will Piastri zwischen heute und damals nicht ziehen, weil die Umstände komplett andere seien. Und in seinem Fall gibt es von oben keine Anweisungen.

"Es ging immer darum, mit dem Team zusammenzuarbeiten und zu schauen, welche Unterstützung ich leisten möchte und welche ich nicht leisten möchte", sagt er. "Es ist eher eine Art Richtlinie als 'ja' oder 'nein'".

Piastri darf Norris attackieren und überholen

Wie sich das am Ende auswirken wird, wird sich zeigen. Denn noch immer gibt es einige natürliche Unklarheiten, wie Situationen in Zukunft gehandhabt werden. "Versuchen, alle Szenarien durchzugehen, ist unmöglich", weiß Piastri, "und natürlich wollen wir das auch nicht in der Öffentlichkeit besprechen".

"Aber wenn wir das Gefühl haben, dass jemand am Wochenende einen deutlich besseren Job gemacht hat - egal wie rum - dann wollen wir, dass die Person auch dafür belohnt wird." Das könnte im Zweifel aber kontraproduktiv für den WM-Kampf sein.

"Ja, dann wird es natürlich knifflig", sagt Piastri. "Darüber werden wir weiter reden müssen."

"Es gibt aber auf jeden Fall keine Regel, dass ich Lando nicht attackieren oder überholen darf", stellt er klar. Nur miteinander kollidieren dürfen die Fahrer dabei nicht - aber das stand ja auch ohnehin schon vorher in den sogenannten "Papaya Rules".

"Das ist einfach die erste Regel unter Teamkollegen", will Norris das Thema nicht zu hoch hängen. Er betont: "Wir haben schon immer gut als Team gearbeitet, jetzt gibt es halt eine bessere Struktur und ein Verständnis, bei welchen Positionen und welchen Szenarien wir tauschen und wie wir uns gegenseitig helfen können."

"Aber es ist nicht so, dass das in jeder Session jetzt sein einziger Job ist", so Norris. "Wenn er rausfährt und besser ist als ich, mich im Qualifying schlägt und das Rennen gewinnt, dann weil er einen besseren Job gemacht hat."

Norris: Wäre lieber in Max' Position

Trotzdem dürfte Max Verstappen gewarnt sein. Der Niederländer hatte zuletzt ohnehin schon gemeint, dass beide Titel angesichts der Form von Red Bull unrealistisch seien, was Norris aber nicht ernst nimmt: "Max sagt einfach, was er sagen will. Er führt trotzdem noch mit 60 irgendwas Punkten."

Daher sei Verstappen auch "locker" in der besseren Position, in der Norris auch lieber wäre als in seiner eigenen.

Denn er glaubt nicht, dass McLaren jetzt locker von Sieg zu Sieg spazieren wird, während Red Bull nur noch Ergebnisse wie in Monza einfährt, wo Verstappen enttäuschender Sechster wurde. "Sobald Red Bull rausgefunden hat, was sie falsch gemacht haben, erwarte ich, dass sie das Problem innerhalb von ein paar Rennen gelöst haben werden und wieder stark sind."

"Das mag vielleicht sein Gefühl nach einem schlechten Rennen sein, aber es war nur ein schlechtes Rennen", sagt Norris. "Es ist nicht so, als seien sie in jedem Rennen so weit weg gewesen. Das war vielleicht ihr schlechtestes Rennen."

"Er ist sicherlich nah dran, viele Rennen zu gewinnen, von daher ist es sicherlich möglich für ihn", entgegnet er. "Ich denke, er sagt das nur, damit er sich ein bisschen besser fühlt. Er ist immer noch in einer deutlich stärkeren Position als ich."

Verstappen nicht enttäuscht von McLaren-Call

22 Punkte hat Norris dem dreimaligen Weltmeister in den vergangenen vier Rennen abgenommen. Bei noch acht verbleibenden Rennen würde diese Tendenz nicht reichen, um Verstappen noch abzufangen, doch wenn McLaren jetzt besser zusammenspielt, dann könnte das den entscheidenden Ausschlag in der Meisterschaft geben.

Gefragt, ob er von der Entscheidung McLarens enttäuscht sei, antwortet der Red-Bull-Pilot: "Ich bin nicht enttäuscht. Am Ende des Tages tun sie natürlich das, was sie wollen. Das ist nicht mein Problem, und im Moment habe ich meine eigenen."

Er verweist nur darauf, dass Piastri mit 44 Punkten Rückstand auf Norris näher an seinem Teamkollegen dran sei, als Norris an ihm. "Aber das ist etwas, mit dem sie umgehen müssen", meint er vielsagend.

Für ihn wäre es daher auch nicht sinnvoll gewesen, schon vorher auf Stallorder zu setzen: "Nein, denn sie waren ja nie weit voneinander entfernt", winkt er ab. "Und beide Fahrer kommen als Nummer 1. Ich denke nicht, dass Oscar ein Fahrer ist, den man als Nummer 2 abstempelt."

Norris für Baku optimistisch

Nach Baku werden die Fragezeichen womöglich geringer sein - und womöglich wird McLaren dann schon die nächste Evaluierung seiner Teamtaktik vornehmen. Denn das Team will je nach WM-Situation entscheiden, wie man bei den verbleibenden Rennen weiter vorgeht.

Ein gutes McLaren-Ergebnis würde die WM weiter spannend machen, doch die Frage nach der Form stellt sich in Aserbaidschan besonders. Denn als die Formel 1 zum letzten Mal in Baku war, da gehörte McLaren noch zu den Hinterbänklern, weil es vor dem Spielberg-Aufschwung 2023 war.

"Schwierig zu wissen", antwortet Norris daher auch auf die Frage nach dem Ausblick. "So optimistisch wir auch waren, hier sind wir vielleicht nicht ganz so optimistisch wie auf Strecken mit mehr Medium- und Highspeed-Kurven."

Denn Ferrari sei in langsamen Kurven sehr gut gewesen, und die letzten drei Poles in Baku gingen alle an Charles Leclerc. "Du brauchst ein gutes Auto und viel Vertrauen in langsamen Kurven. Mittelschnelle und schnelle Kurven gibt es hier nicht, von daher kannst du deinen Fokus darauf legen", so Norris.

"Ich erwarte, dass wir hier gut performen werden, aber ich erwarte auch, dass Ferrari, Mercedes und natürlich Red Bull sehr stark sein werden", sagt er. "Ich würde also nicht sagen, dass es immer so wird wie am vergangenen Wochenende."