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Motorsport Formel 1

McNishs Suzuka-Crash 2002: "Ich erinnere mich nicht an alles"

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© Motorsport Images

"Er kommt auf den Randstein, das Heck geht weg. Er korrigiert zu viel, das Auto pendelt." So fasste Marc Surer im Live-Kommentar von Premiere zusammen, was sich am 12. Oktober 2002 im Qualifying zum Japan-Grand-Prix in Suzuka ereignet hatte: der schwere Unfall von Toyota-Fahrer Allan McNish ausgangs der schnellen 130R-Kurve.

McNish hatte es in diesem Versuch darauf angelegt, seine bisherige Rundenzeit zu unterbieten, zunächst mit Erfolg: "Als ich auf die 130R zukam, war ich schon sieben Zehntel schneller. Und ich bin dann voll draufgeblieben", erklärt McNish über 20 Jahre später im Gespräch mit Formula1.com.

In den Runden zuvor habe er die Passage jeweils "fast voll" genommen und deshalb den Ansporn gehabt, ein etwas größeres Risiko einzugehen, so McNish. "Leider war die Aerodynamik nicht ganz dazu in der Lage, das zu leisten, was ich ihr abverlangt habe. Und das war es auch schon. Es gab einen heftigen Unfall."

McNishs Auto bog nach rechts von der Fahrbahn ab, drehte sich in der Auslaufzone, schlug rückwärts in die Leitplanken ein und durchschlug diese sogar. Erst dahinter kam es zum Stehen.

TV-Bilder von damals zeigen, wie McNish sich sofort aus dem Cockpit stemmte und die Unfallstelle aus eigener Kraft verließ. An den eigentlichen Crash aber erinnert er sich nicht, nur "bis zu dem Moment, als ich rückwärts flog", sagt der Toyota-Fahrer. Anschließend habe er das Bewusstsein verloren, wenn auch nur kurz.

McNish kann sich das nicht erklären

Erst, als er unweit der Unfallstelle umringt von Sportwarten im Gras lag, setze die Erinnerung wieder ein, meint McNish. "Da hörte ich jemand sagen: 'Atmen!' Es stellte sich heraus, dass das ein Kameramann war, den ich gut kenne."

Kurz darauf erreichte das Medical-Car mit dem damaligen Formel-1-Arzt Sid Watkins die 130R. Er nahm McNish mit zur Untersuchung im Streckenkrankenhaus.

"Mit Sid bin ich durch ein Loch in der Leitplanke gelaufen und dachte noch: 'Was für ein dämlicher Platz für ein Loch in der Leitplanke! Das muss ich mit [Rennleiter] Charlie Whiting besprechen!' Dabei war es das Loch, das ich gerade selbst geschlagen hatte."

Erst mit Verzögerung spürte McNish die Unfallfolgen. Es sei ein "offensichtlich ziemlich schmerzhafter" Crash gewesen, sagt er heute. "Ich hatte ein großes Hämatom am Bein. Von der Fußsohle bis zur Hüfte war alles schwarz und blau. Außerdem hatte ich einen ordentlichen Schlag auf den Kopf abbekommen."

Keine Starterlaubnis für McNish

Für die behandelnden Ärzte war deshalb schnell klar: McNish würde den Japan-Grand-Prix nicht bestreiten. Toyota ging in Suzuka nur mit Mika Salo an den Start.

Diese Entscheidung kann McNish rückblickend nur begrüßen, denn er sei noch lange nach dem Unfall nicht wieder klar gewesen, betont er: "Ich habe erst vor ein paar Jahren realisiert, dass das Qualifying [durch den Unfall] um etwa zwei Stunden verzögert wurde." Denn vor dem Weiterfahren mussten die Verantwortlichen erst die Leitplanken wieder instandsetzen.

"In meinem Kopf", sagt McNish, habe die Unterbrechung "nur fünf Minuten" gedauert. "Ich hörte, wie die Autos wieder auf die Strecke fuhren, aber ich hatte damals überhaupt kein Zeitgefühl. Ich war bei Bewusstsein, ich habe mich bewegt, aber ich erinnere mich nicht an alles."

McNish wechselt auf die Langstrecke

Eine weitere Formel-1-Chance bekam McNish nicht: Der Japan-Grand-Prix als das Saisonfinale 2002 war sein letzter Auftritt als Stammfahrer - und das letzte Rennen mit nur sechs Punkteplätzen.

Nach jeweils nur einem Jahr verloren McNish und Salo ihre Cockpits für 2003 an Olivier Panis und Cristiano da Matta. McNish blieb 2003 als Renault-Testfahrer in der Formel 1, verabschiedete sich dann aber endgültig auf die Motorsport-Langstrecke.

Als Audi-Werksfahrer knüpfte McNish in den folgenden Jahren an seinen Porsche-Triumph bei den 24 Stunden von Le Mans 1998 an und erzielte 2008 sowie 2013 weitere Gesamtsiege beim Langstrecken-Klassiker in Frankreich, dazu fünf weitere Podestplätze. 2005 absolvierte McNish zudem eine Saison in der DTM und belegte mit 13 Punkten den zehnten Platz in der Gesamtwertung.

Nun steht sein Formel-1-Comeback bevor: Als Motorsport-Koordinator der Audi-Gruppe ist McNish in einer leitenden Funktion in das Grand-Prix-Projekt der deutschen Marke involviert.

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