Motorsport Formel 1
Nach Hamilton-Pole: Frederic Vasseur warnt vor verfrühter Euphorie
"Ich bin ein bisschen schockiert", sagt Lewis Hamilton nach der durchaus überraschenden Pole für den Formel-1-Sprint in China . "Ich kann es kaum glauben, dass wir tatsächlich die Pole im Sprint geholt haben", sagt er - und dürfte damit nicht der Einzige sein.
Denn nach dem enttäuschenden Auftakt in Australien am vergangenen Wochenende hätten wohl nur wenige ihr Kreuzchen auf dem Tippschein beim siebenmaligen Weltmeister gemacht. Doch nun ist er da, der erste Erfolg für Hamilton in Rot.
Allerdings war es ein knapper Erfolg, denn Max Verstappen (Red Bull) war nur 18 Tausendstelsekunden langsamer, und auch McLarens Oscar Piastri fehlte am Ende weniger als eine Zehntelsekunde. "Es ist einfach unglaublich, beim Anhalten die Eins zu sehen - und dann noch im roten Auto", schwärmt er. "Das ist schon ziemlich beeindruckend."
Doch wo kommt die Zeit plötzlich her, die den Briten in China ganz nach vorne bringt? "Ich habe keine Ahnung - ich muss mir das nochmal anschauen", lacht er.
Schnellster zweiter Sektor
Laut ihm sei vor allem sein erster Sektor "richtig, richtig stark" gewesen. Nur: Das geben die Daten eigentlich nicht her. Im ersten Sektor verlor er allein zweieinhalb Zehntelsekunden auf Lando Norris, der aber der Ausreißer in der Hinsicht war, denn alle anderen Spitzenpiloten fuhren wie Hamilton Zeiten von 24,2 Sekunden.
Dafür legte der Ferrari-Pilot den schnellsten mittleren Abschnitt von allen Piloten hin, war dabei zwei Zehntel schneller als Oscar Piastri und Lando Norris und eine Zehntel schneller als Max Verstappen. Die Zehntel verlor er im letzten Abschnitt dann wieder. "Ich denke, es gibt auf jeden Fall noch Zeit zu finden - und ich werde versuchen, das in der nächsten Qualifying-Session umzusetzen", sagt er.
Für ihn dürfte die Pole nach dem Auftakt und den kritischen Stimmen eine Genugtuung sein, auch wenn er sagt, dass Ferrari in Melbourne nicht alles herausgeholt hatte. "Natürlich war das letzte Rennen eine Katastrophe für uns, und wir wussten ganz klar, dass mehr Performance im Auto steckt - aber wir konnten sie einfach nicht abrufen", so Hamilton.
In China habe das Auto hingegen schon in der ersten Runde "richtig zum Leben gefunden", wie er sagt. "Wir haben ein paar großartige Veränderungen vorgenommen, und das Team hat über die Pause hinweg fantastische Arbeit geleistet, um das Auto vorzubereiten."
Vasseur: "Sind keine Weltmeister"
Laut Teamchef Frederic Vasseur sind es jedoch vor allem die Reifen gewesen, die den Unterschied ausgemacht hätten. Im Training war zunächst McLaren vorne, in Q1 dann Hamilton, dann wieder McLaren und dann wieder Hamilton.
"Es ändert sich sehr viel, sobald man die Reifen nicht im richtigen Fenster nutzt - dann kann man entweder fünf Zehntel voraus oder fünf Zehntel zurück sein, und das ist eine gute Lektion für das ganze Jahr", sagt der Franzose bei Canal+ und gibt daher ein Credo aus: "Man muss sich darauf stark konzentrieren und viel Energie darauf verwenden, die Reifen zu verstehen."
Dann klappt es auch mit einem guten Ergebnis. Für Vasseur ist das auf jeden Fall ein guter Erfolg, weil es positive Energie ins Team und in Lewis bringe. "Und es ist ein guter Schritt", sagt der Franzose, der allerdings schon vor überzogenen Erwartungen warnt.
"Wir sind keine Weltmeister, wir müssen uns beruhigen", stellt er klar. "Es ist nicht so, als hätten wir zwei Rennen in Folge gewonnen. Man muss ruhig bleiben - in jeder Situation, ob positiv oder negativ."
Denn überreagieren wäre das Falsche, meint er. Das gilt für die heutige Sprintpole in China, aber andererseits auch für den enttäuschenden Auftritt in Melbourne. "Nur weil wir an einem Wochenende vorne oder hinten sind, bedeutet das nicht, dass die Meisterschaft entschieden ist."
Leclerc nur auf Rang vier
Für Charles Leclerc lief es am Freitag nicht ganz so gut. Der Monegasse musste sich seinem neuen Stallgefährten geschlagen geben und kam mit zwei Zehntelsekunden Rückstand nur auf Rang vier. "Heute haben wir nicht alles zusammenbekommen", hadert er.
"Unsere größte Herausforderung lag in den Kurven 1 bis 3 - abgesehen davon war alles ziemlich eng. Also werden wir morgen sehen, wo wir stehen", so Leclerc, der sich zwischenzeitlich auch noch einer Untersuchung ausgesetzt sah, weil er die Deltazeit nicht eingehalten hatte. Die wurde aber ohne Strafe abgeschlossen.
"Es ist nicht ideal, das Sprintrennen von Platz vier aus zu starten, aber ich werde alles geben, um mich nach vorne zu kämpfen. Unser Hauptfokus hier wird auf den Reifen liegen, und dann schauen wir, was im Qualifying vor dem Rennen am Sonntag möglich ist."
Vasseur: Will so schnell wie möglich Ergebnisse
Hamilton hat von Rang eins natürlich die deutlich bessere Position, doch ob er die auch ins Ziel tragen kann, ist eine andere Frage. Denn einen Longrun sei er bei den Testfahrten in Bahrain nicht gefahren, und auch in Australien sei der Erkenntnisgewinn aufgrund der Bedingungen gering gewesen.
Daher geht er mit einer gewissen Unbekannte in den Sprint. "Ich hoffe, wir können das halten, aber ich denke, der McLaren ist sehr, sehr, sehr schnell - genau wie Max. Aber wir sind in einer guten Position, wir bleiben positiv, halten den Kopf oben und pushen weiter nach vorn."
Ein Sieg wäre auf jeden Fall ein guter Einstand in der Eingewöhnungsphase, die ihm Vasseur allerdings nicht zugestehen will: "Ich glaube nicht, dass ich gesagt habe, wir sollten ihm Zeit geben", meint der Franzose. "Ich will die Ergebnisse so schnell wie möglich."