Red Bull und die Frage nach dem Durchmarsch: "Können wir? Ja!"
- Aktualisiert: 04.07.2023
- 10:15 Uhr
- Motorsport-Total
Red-Bull-Teamchef Christian Horner hält eine makellose Saison für möglich, sieht aber noch einige Stolpersteine: Kein Silverstone-Sieg mehr seit 2012
Es ist die Frage, die sich eigentlich nach jedem Rennen jetzt gestellt wird: Gewinnt Red Bull alle Rennen in der diesjährigen Formel-1-Saison 2023? In Österreich ist man diesem Ziel wieder ein Rennen näher gekommen und hat das neunte von neun Saisonrennen gewonnen - und mit Abu Dhabi 2022 das zehnte in Folge.
Teamchef Christian Horner tritt erst einmal auf die Euphoriebremse: "Wir sind dankbar für jeden einzelnen Sieg, den wir haben", sagt er. "Das ist unser bester Lauf seit Sebastian Vettel 2013, wo wir in einer Saison neun Siege in Folge geholt haben. Wir wollen diese Strähne solange wir können aufrecht halten, aber wie lange, das wird nur die Zeit zeigen."
Das Team will erst einmal jedes Rennen einzeln angehen, und Horner hält es zumindest nicht für ausgeschlossen, dass der große Wurf möglich ist: "Können wir? Ja", sagt er. "Werden wir? Wer weiß."
Denn natürlich stehen noch 13 Rennen in dieser Saison auf dem Programm, bei denen noch viel passieren kann, auch wenn vielleicht kein Rivale sportlich aufholen kann. Bei den vergangenen vier Rennen war Sergio Perez jeweils nicht Zweiter. Wäre mit Verstappen irgendetwas gewesen, dann hätte ein anderes Team den Sieg geholt.
Zuverlässigkeit und Wetter können immer einen Strich durch die Rechnung machen, weiß Horner. "Wer weiß, welche Hindernisse jetzt in Silverstone lauern. Wir haben im vergangenen Jahr gesehen, was da passieren kann."
Verstappen war 2022 über Trümmerteile gefahren, die seinen Unterboden beschädigt hatten, sodass er nur Siebter wurde. "Es sind Kleinigkeiten", warnt Horner. "Das Team arbeitet auf einem unglaublichen Niveau, aber es braucht nur ein bisschen Wetter, ein wenig Pech oder einen Reifenschaden und die Dinge können sich schnell ändern."
Und dass Silverstone nicht Red Bulls beste Strecke ist, haben die vergangenen Jahre gezeigt. Der letzte Red-Bull-Sieg in Großbritannien ist schon mehr als zehn Jahre her: 2012 mit Mark Webber. "Es ist also ein großes Rennen für uns im Kalender", sagt der Teamchef.
Unter allen Bedingungen stark
In Österreich war das Team wieder zurück in alter starker Form. Auch wenn der Abstand zum ersten Verfolger Charles Leclerc offiziell nur 5,1 Sekunden betrug, so war das dem späten Boxenstopp Verstappens geschuldet, um noch die schnellste Rennrunde fahren zu können. Sonst wäre der Abstand wieder deutlich größer gewesen als die knapp zehn Sekunden von Kanada.
"Wir haben an diesem Wochenende in verschiedenen Bedingungen wieder einen sehr guten Job gemacht", lobt Horner. "Der Abstand war wieder groß und das auf einer Strecke, die im Grunde nur sieben Kurven hat. Das Engineering-Team hat einen großartigen Job gemacht, da sie nur eine Trainingssession hatten."
Doch während die Plätze hinter Red Bull wieder einmal durchgemischt wurden - Aston Martin und Mercedes, die in Kanada noch auf dem Podest standen, hatten darauf diesmal keine Chance -, zogen die Bullen vorne einsam ihre Kreise. Zumindest in Form von Verstappen.
"Höchstes Niveau" der Teamgeschichte
"Für uns ist es eine Kombination aus einem sehr guten Chassis, einem guten Motor und einem herausragenden Fahrer", zählt Motorsportkonsulent Helmut Marko die Faktoren für die derzeitige Dominanz auf. "Und das Team macht auch überhaupt keine Fehler."
Dem muss auch Horner zustimmen: "Ich denke, wir arbeiten auf dem höchsten Niveau, das dieses Team in seiner 19-jährigen Geschichte je gesehen hat", lobt er. "Es ist eine glückliche Zeit für das Team, und wie ich schon sagte, die Frage ist, wie lange wir das durchhalten können."
Geht dem Team das Glück nicht aus, dann spricht nichts dagegen, dass Red Bull jedes Rennen in dieser Saison gewinnt. Denn auch wenn die Rivalen rund um Mercedes, Ferrari und Aston Martin umfangreiche Update-Pakete bringen und das Auto optisch deutlich verändern, so kommen sie Red Bull nicht wesentlich näher, obwohl die anscheinend nur Nuancen verändern.
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Horner: Alle im Team leisten gute Arbeit
Woran liegt das? "Ich denke, dass die Reifen so sensibel sind, dass die Performance da ist, wenn du dich im richtigen Fenster befindest. Und in Sachen Set-up hat das Team bislang einen großartigen Job gemacht", sagt Horner.
Doch generell sei der Erfolg jeder einzelnen Abteilung zuzuschreiben. "Es geht nicht nur um das Rennteam, sondern um alle Aktivitäten, die hinter den Kulissen des Werks ablaufen, von der Herstellung über die Forschung und Entwicklung bis hin zur Aerodynamik und Zuverlässigkeit", sagt er.
"Alle unterstützenden Funktionen, die Rollen, die sie spielen, von der IT bis zur Personalbeschaffung. All diese Aspekte müssen zusammenkommen und man muss als Team arbeiten, und ich denke, dass wir seit COVID unglaublich stark sind."
"Ich denke, das zeugt von der Arbeitsweise des gesamten Teams, denn die Budgetgrenze zwingt einen dazu, harte Entscheidungen in Bezug auf Entwicklung, Mitarbeiter und Mitarbeiterbindung zu treffen", erzählt er weiter.
"Wir mussten uns in den vergangenen Monaten von einigen langjährigen Mitarbeitern verabschieden, aber man muss sich als Team weiterentwickeln, und ich denke, die Kultur und der Geist, den wir im Team haben, bringen es voran", so Horner.
Eine ebenfalls große Einschränkung gibt es für das Team bei der Entwicklungszeit, wo man als Konstrukteursmeister und aktueller WM-Führender weniger Ressourcen zur Verfügung hat als alle anderen Teams. Das hat auch einen Einfluss darauf, dass sich das Auto bislang nicht groß entwickelt zu haben scheint.
"Wir sind uns daher bewusst, dass wir unsere Performance für 2024 nicht beeinträchtigen wollen, darum hatten wir bislang für 2023 nur eine seichte Entwicklung", sagt Horner. "Aber glücklicherweise hatten wir seit Saisonbeginn ein sehr starkes Auto."
Toto Wolff: Red Bull verdient Dominanz
Der Konkurrenz bleibt derweil nichts anderes übrig, als die Dominanz von Red Bull mit Staunen hinzunehmen. "Am Ende kann man sich nicht beklagen, oder?", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wenn ein Team einen besseren Job macht als alle anderen und mit einem Fahrer einfach dominiert, dann ist das, weil sie es verdienen und einfach den Job gut gemacht haben."
Nachsatz: "Vorausgesetzt natürlich, sie halten sich ans Reglement. An das Technische, das Sportliche und als Finanzielle."
Denn da gab es im vergangenen Jahr doch einige Zweifel. Bei Red Bull wurde ein Verstoß gegen die Budgetgrenze festgestellt, die in einer Geldstrafe und einem Abzug von Entwicklungszeit mündete. Seitdem stellen sich viele die Frage, ob der Verstoß Red Bull nicht dennoch geholfen habe, die aktuelle Dominanz aufzubauen.
Von Wolff kommt in dieser Richtung jedoch keinen Vorwurf: "Ich habe nichts gesagt."
Trotzdem ist der Österreicher der Meinung, dass die aktuelle Dominanz von Verstappen "langfristig natürlich nicht" gut für die Formel 1 sei. "Denn am Ende geht es dann doch um das Produkt."
Wolff wünscht keinen Eingriff von außen
Gesprochen wurde von einigen Seiten schon, wie man die Dominanz von Verstappen und Red Bull brechen kann, doch Wolff würde nicht von außen eingreifen wollen: "Was aus sportlicher Sicht absolut fair ist, darf man nie challengen", sagt er. "Du willst schon, dass die Leute gegeneinander fahren, Aber da müssen wir einen besseren Job machen."
Ihm reicht das derzeitige Modell mit der geringeren Aerodynamik-Entwicklung für erfolgreiche Team absolut aus: "Es sind feine Prozent-Schritte mit der Windkanalzeit und der CFD-Kapazität. Und mehr braucht man nicht machen", sagt er. "Das ist meiner Meinung nach im Sinne des Sports. Wir müssen einfach besser sein."
Es liegt also auch an Mercedes, den Durchmarsch von Red Bull zu verhindern. In Barcelona und Montreal schien man schon auf dem richtigen Weg zu sein, doch in Spielberg fing man sich schon wieder knapp 50 Sekunden Rückstand auf Verstappen ein.
"Ich behalte trotzdem den Glauben", sagt Wolff auf die Frage, ob Red Bull aus eigener Kraft schlagbar sei, "denn wenn ich sage, dass ich nicht daran glaube, dann können wir auch alles abstellen und auf das Auto für nächstes Jahr setzen und zufrieden mit einem Top-10-Platz sein."
"Aber das kann man nicht tun. Man muss weiterarbeiten", so Wolff. "Man muss die schlechten Tage so gut wie möglich nehmen und versuchen zurückzuschlagen. Wir haben Rennen gesehen, in denen wir ganz ordentlich waren. In Montreal war der Abstand zu Verstappen zehn Sekunden. Das sieht natürlich vielversprechender aus als das heute (in Spielberg; Anm. d. Red.)."