Motorsport Formel 1
Vergessene Feindschaft Wolff-Marko: "2021 war's teilweise echt arg"
Teamchefs in der Formel 1, die einander nicht leiden konnten, gab es schon immer. Man denke nur an Enzo Ferrari und Colin Chapman, der Traditionalist auf der einen und der mutige Innovator auf der anderen Seite. Ferrari hielt Chapman für einen "Zauberer", der riskante und unzuverlässige Autos baute, während Chapman Ferrari als stur und rückständig betrachtete.
Oder, nicht ganz so lang her, an Ron Dennis und Flavio Briatore, den manchmal engstirnig wirkenden Perfektionisten auf der einen und den Playboy mit eher unkonventionellen Geschäftsmethoden auf der anderen Seite. Dennis hielt Briatore für jemanden, der nicht viel von Technik verstand. Briatore wiederum machte sich oft über Dennis' übertriebene Pedanterie lustig.
Unübersehbar hatten auch Toto Wolff, Teamchef von Mercedes, und Helmut Marko, Motorsportkonsulent von Red Bull, jahrelang ein ziemlich reserviertes persönliches Verhältnis. Der Legende nach soll am Tiefpunkt der Beziehung der eine sogar Platz getauscht haben, als drohte, dass man in der ersten Klasse eines gemeinsamen Langstreckenflugs nebeneinander sitzen würde.
Aber im Fall der beiden Österreicher ist das Schnee von gestern. Nach dem Saisonfinale 2024 in Abu Dhabi nahmen sie gemeinsam mit Ernst Hausleitner und Alexander Wurz vom ORF an einem Tisch Platz und plauderten in lockerer Atmosphäre über das gerade beendete Jahr. Ein Szenario, das so vor ein paar Jahren noch kaum denkbar gewesen wäre.
"Wenn du eine Rivalität hast und man wirklich mit allen Waffen versucht zu gewinnen, dann ist es schwierig, dass man sich annähert", versucht Wolff, die komplizierte Beziehung zu erklären. Aber letztendlich habe man sich wieder zusammengerauft, denn: "Von der Grundeinstellung her sind wir ein kleiner Haufen Österreicher in der Formel 1. Mit gegenseitigem Respekt."
Die Bruchpunkte einer komplizierten Beziehung
Das war aber, gerade zwischen Wolff und Marko, nicht immer so. Bruchpunkte gab es in den vergangenen 15 Jahren viele. Einerseits das berühmte Wolff-Zitat, wonach Red Bull "nur ein Brausehersteller" inmitten der angesehen Automobilmarke sei, das ihm Dietrich Mateschitz angeblich nie ganz verziehen haben soll.
Andererseits verstand sich Marko immer prächtig mit Niki Lauda, der bei Mercedes bis zu seinem Tod quasi der "Sparringpartner" von Toto Wolff war. Im Juli 2015 kam es zwischen Red Bull und Lauda aber zu einem folgenschweren Missverständnis, als Red Bull nach der Trennung von Renault gerade auf der Suche nach einem neuen Motorenpartner war und dafür Mercedes ins Auge gefasst hatte.
Denn bei einem Treffen zwischen Lauda und Mateschitz kam es angeblich zu einem Handschlag, der von Red Bull wohl als Besiegelung eines Deals für 2016 wahrgenommen wurde, während sich Lauda mit dem Handschlag nur aus dem Meeting verabschieden wollte. So hat es zumindest Bernie Ecclestone später erzählt.
Zur Partnerschaft zwischen Red Bull und Mercedes kam es jedenfalls nicht, und ein paar Jahre später, 2021, eskalierte die Beziehung erneut, als Max Verstappen und Lewis Hamilton gegeneinander um den WM-Titel kämpften. Die Saison und vor allem das kontroverse WM-Finale in Abu Dhabi hinterließen zusätzliche Wunden.
Welche Wunden die Saison 2021 hinterlassen hat
2021, erzählt Marko, sei "sportlich als auch psychologisch und in allen Randbereichen die härteste Saison" gewesen, "die wir je erlebt haben - mit einem Ende, mit dem wir zufrieden sind und Mercedes natürlich in keiner Weise. Und das löst ja auch Emotionen aus. Wir sind aus Leidenschaft in diesem Sport, und das hat halt vieles aufgerührt."
Wolff nickt und bestätigt: "Dann kam 2021, wo's dann echt teilweise arg gewesen ist, wo du natürlich deine Perzeption hast und deine Perspektive, und nicht die andere. Und dann ist es echt schwierig gewesen. [...] Respekt war immer da, aber manchmal haben wir auch die Handschuhe ausgezogen und haben mit nackten Fäusten gekämpft."
"Aber wir sind ja erwachsen genug", nickt Marko und hält fest, "dass wir gelernt haben, mit Niederlagen zu leben und umzugehen. Dann kommt man sich menschlich wieder näher." Wolff erwidert die freundlichen Worte, wenn er sagt: "Ich habe unheimlichen Respekt davor, was der Helmut erreicht hat in seiner Karriere - als Fahrer, aber auch als De-Facto-Leader im Red-Bull-Team."
Eine Aussage, die man übrigens auch als kleine Spitze gegen Christian Horner interpretieren könnte, der sich in seiner Funktion als Teamchef selbst mutmaßlich als wichtigeren Leader des Red-Bull-Teams versteht. Dass Wolff ihm dieses Standing indirekt abspricht, belegt, dass das Verhältnis Wolff-Horner weniger entspannt ist als das Verhältnis Wolff-Marko.
Wie Horner die beiden Erzfeinde zusammengeführt hat
Dass Wolff und Marko doch wieder einen gemeinsamen Nenner gefunden haben, hat maßgeblich mit der Horner-Affäre zu tun, die vor ungefähr einem Jahr, im Februar 2024, öffentlich Wellen geschlagen hat. Horner wurde von einer Mitarbeiterin sexuelle Belästigung vorgeworfen. Die Implikationen der Vorwürfe machten monatelang Schlagzeilen.
Und sorgten bei Red Bull intern für Risse. Horner und Marko zeigten sich zwar nach außen hin stets harmonisch, doch hinter den Kulissen soll im Zuge der Affäre viel vom einst vorhandenen Vertrauen verloren gegangen sein. Von außen betrachtet wirkt es so, als hätten sich Wolff und Marko auch deswegen angenähert, weil sie zwischenzeitlich gemeinsame Feinde und gemeinsame Interessen hatten.
Wolff bestätigt das zwar nicht direkt, sagt aber: "Mit Sicherheit hat auch das Ableben von Dietrich Mateschitz uns irgendwie zusammengeschweißt. Auch wenn's da die Rivalität gab: Das war so ein unglaublicher Unternehmer! Österreicher halten auch da zusammen, und das ist vielleicht dann nicht so im [Red-Bull-]Team passiert."
Als die Red-Bull-interne Situation vollends zu eskalieren drohte, machte Wolff Marko zwischendurch sogar das augenzwinkernde Angebot, er könne als "neuer Niki" zu Mercedes wechseln - am besten mit Verstappen als Fahrer im Gepäck. Doch sowohl Marko als auch Verstappen haben dieses Angebot - zumindest für den Moment - abgelehnt.
Marko: "Blutsbrüder doch deutlich übertrieben"
In einem Interview mit oe24, aufgezeichnet bereits im Mai 2024, als die Horner-Affäre noch nicht so abgehakt war, wie sie das heute ist, hat Marko gesagt: "Es gibt nicht mehr diese Spannungen, wie wir sie in den vergangenen Jahren hatten. Ich habe gehört, wir wären jetzt Blutsbrüder. Aber das ist doch deutlich übertrieben."
"Inzwischen", so auch Wolff, "sind wir uns doch deutlich näher gekommen. Trotz der Rivalität gibt's doch gemeinsame Werte, für die wir stehen. Bei all den Dingen, die in den vergangenen Monaten passiert sind, haben wir festgestellt, dass wir ähnlich denken." Und dabei, präzisiert er, gehe es "um das Verhalten einiger Leute".
So gesehen ist es wahrscheinlich ein großer "Verdienst" Horners, dass mit Wolff und Marko die zwei wahrscheinlich mächtigsten Formel-1-Manager aus Österreich wieder eine gemeinsame Wellenlänge gefunden haben. Ob das nachhaltig so bleibt, bleibt abzuwarten.
Fest steht jedenfalls: In der Boxengasse sind die beiden Teams auch 2025 Nachbarn, als Dritter (Red Bull) und Vierter (Mercedes) der zuletzt beendeten Konstrukteurs-WM ...