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Paralympische Spiele

Paralympics 2024 - Markus Rehm im ran-Interview: Magische Weite? "Ich wäre nah dran!"

  • Aktualisiert: 09.09.2024
  • 13:43 Uhr
  • Marcus Giebel

Bei den Paralympischen Spielen von Paris springt Markus Rehm zu seiner insgesamt fünften Goldmedaille, der vierten im Weitsprung. Im ran-Interview spricht er über die große Unterstützung, eine lange Feier, die Folgen einer verlorenen Wette und einen unrealistisch erscheinenden Traum. Außerdem verrät der 36-Jährige, unter welchen Umständen er auch in Los Angeles 2028 dabei wäre.

Von Marcus Giebel

Wenn Markus Rehm bei Paralympischen Spielen im Weitsprung antritt, springt er auch zu Gold. In Paris wiederholte der 36-Jährige seine Triumphe von London, Rio de Janeiro und Tokio mit einer Weite von 8,13 Meter. Damit steht der "Bladejumper" nun bei fünf paralympischen Goldmedaillen, denn in Brasilien war er auch Teil der siegreichen 4x100-Meter-Staffel.

Zur Gewohnheit werden die Erfolge aber keinesfalls. Das unterstreicht schon die große Feier, die Rehm in der Nacht nach dem Gold-Sprung folgen ließ.

Im ran-Interview schaut der gebürtige Göppinger, der als Jugendlicher infolge eines Wakeboard-Unfalls seinen rechten Unterschenkel verlor, zurück auf den besonderen Triumph vor vielen Freunden und Weggefährten und seinen großen und auch spontanen Auftritt bei der Eröffnungsfeier.

Zudem verrät er eine anstehende Wettschuld, spricht über einen sportlichen Traum, eine mögliche Zusammenarbeit mit Malaika Mihambo und konkretisiert seinen Vorschlag für eine Verzahnung von Olympia und Paralympics. Und unter Umständen will er 2028 in Los Angeles nach dem fünften Weitsprung-Gold bei Paralympischen Spielen greifen.

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Das Wichtigste in Kürze

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Markus Rehm im Interview: "Viertes Gold in Folge - können nicht viele von sich behaupten"

ran: Herr Rehm, wie ordnen Sie die Goldmedaille von Paris mit ein paar Tagen Abstand im Vergleich zu den anderen Paralympics-Triumphen ein?

Markus Rehm: Es war auf jeden Fall eine schwere Goldmedaille, aber auch eine wahnsinnig schöne. Nicht nur, weil sie wirklich schön ist, sondern auch weil es besonders ist. Die vierte Goldmedaille in Folge, das können nicht viele von sich behaupten, dass sie vier Goldmedaillen gewonnen haben. Über so viele Jahre ganz vorne zu sein, das ist eine tolle Sache. Ich freue mich darüber wahnsinnig, aber auch, dass ich das mit allen Menschen teilen kann, die mich auf dem ganzen Weg begleitet haben. Denn die waren auch alle im Stadion.

ran: Wen meinen Sie da konkret?

Rehm: Meine Eltern, Partnerin, Freunde. Aus der alten Heimat in Stuttgart, aber auch aus Leverkusen waren so viele Menschen da, die mich auf dem ganzen Weg immer begleitet haben. Und die dann im Stadion gemeinsam zu sehen, wenn sie mich anfeuern. Sie haben ein Riesenbanner organisiert. Das war einfach toll, den Support im Rücken zu spüren.

ran: Das war sicher ein Unterschied zu den früheren Paralympischen Spielen. Da hat sich ausgezahlt, dass Paris so nah liegt.

Rehm: Genau. Meine Eltern waren auch in London mit dabei, bei meinen ersten Spielen. Auch das war natürlich ganz besonders. Aber schön, dass es diesmal auch so geklappt hat. Gerade wenn die Spiele so nah sind, dann gelingt so etwas doch etwas einfacher.

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Rehm über Feier nach Gold: "Spontane Party mit sehr, sehr großer Truppe"

ran: Nach dem Triumph haben Sie im Interview angekündigt, es wird noch eine "ganz lange Nacht". Wie man hört, ist das auch eingetreten. Wie wurde da gefeiert?

Rehm: Wir haben zunächst mal im Deutschen Haus gefeiert und sind dann weitergezogen, mit einer sehr, sehr großen Truppe. Da hatten ein paar Kollegen schon einen Club ausgemacht. Das war unfassbar toll. Es war eine spontane Party, eigentlich gar nicht so in der Form geplant, aber die spontanen Partys sind meistens die schönsten. Und ich glaube, nach so vielen Entbehrungen in den vergangenen Wochen, Monaten oder Jahren darf so eine Party auch mal stattfinden. Das haben wir alle sehr genossen. Erfolge müssen und sollen gefeiert werden.

ran: Waren also auch andere Paralympioniken dabei?

Rehm: Ja, da war wirklich eine Riesentruppe am Start. Einige, die auch schon mit ihren Wettkämpfen durch waren, aber auch Besucher aus dem Deutschen Haus, meine ganze Mannschaft war mit dabei, selbst meine Eltern waren mit dabei. Bis spät in die Nacht.

ran: Wissen Sie noch, um wie viel Uhr die Feier zu Ende war?

Rehm: Das muss morgens um 6 Uhr gewesen sein. Es war auf jeden Fall eine lange Party.

ran: Da Sie bei ihrem Sieg eine Weiten-Wette um sieben Zentimeter verloren haben, müssen Sie demnächst auch ihre Wettschuld einlösen. Was kommt da auf Sie zu?

Rehm: Bei mir im Heimatdorf wird es eine kleine Feier geben und da darf ich dann meine Kumpels im Dirndl bedienen. Aber hey, mache ich wahnsinnig gerne. Die Goldmedaille haben wir gewonnen, die Weite, die angepeilt war (8,20 Meter), nicht wirklich, aber bei so großen Events geht es um die Medaille.

Noch kein Mensch auf der Welt ist neun Meter gesprungen. Aber Träume dürfen auch ein bisschen unrealistisch sein

Markus Rehm über seine Ziele

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Rehm über Ziele: Traum vom Neun-Meter-Sprung lebt

ran: Welche sportlichen Ziele haben Sie nach vier paralympischen Goldmedaillen im Weitsprung jetzt noch?

Rehm: Ich bin ehrlich. Ich muss mich erstmal ein bisschen sammeln, das war alles sehr viel. Ich habe unfassbar viele Nachrichten auf dem Handy, die ich noch gar nicht beantwortet habe. Ich glaube, ich brauche jetzt erstmal ein paar Tage, um das Ganze sacken zu lassen, und dann wird überlegt, wie es weitergeht. Ich würde auf jeden Fall gerne noch eine Saison machen. Ich glaube, dass weitentechnisch noch etwas drin ist und was gehen könnte. Und dann möchte ich gucken, ob ich den eigenen Weltrekord (8,72 Meter) nach oben schrauben kann. Das ist sicherlich etwas, das bei mir im Kopf ist.

ran: Haben Sie eine bestimmte Marke, die Sie erreichen wollen oder für möglich halten?

Rehm: Ja, meine Trainerin (Ex-Speerwerferin Steffi Nerius) hat ja immer mal die neun Meter rausgehauen. Als Ziel genommen. Das habe ich selber dann beim Namen genannt. Ich bin letztes Jahr 8,72 Meter gesprungen, aber da lief nicht alles so perfekt, wie wir uns das vorgestellt haben. Das hat man auf Video gesehen. Bei der Landung haben wir einiges verschenkt, das ist ärgerlich. Wenn man das nicht verschenken würde, dann wäre ich an diesen magischen Weiten schon sehr nah dran. Mit magischen Weiten meine ich natürlich die 8,95 Meter, den Weltrekord der olympischen Athleten (von Mike Powell aus dem Jahr 1991). Dann kommt auch schon die neun, und das hat noch kein Mensch auf der ganzen Welt je geschafft. Ja, ich glaube, Träume dürfen auch ein bisschen unrealistisch sein. Das ist einer, der vielleicht ein bisschen unrealistisch klingt, aber er ist im Hinterkopf und der Traum lebt.

ran: Abseits Ihres Triumphs – welcher Moment von Paris ist Ihnen noch in besonderer Erinnerung geblieben?

Rehm: Der größte Moment war sicherlich bei der Eröffnungsfeier, das paralympische Feuer zu tragen. Da muss ich ganz ehrlich gestehen, das war – mit dem Gewinn der Medaille natürlich – einer der schönsten Momente meiner Karriere. Das war sehr besonders, das Symbol unserer Spiele da tragen zu dürfen, einer der Ausgewählten zu sein. Das hat mich schon sehr gerührt, dass das Orga-Team an mich gedacht hat und das war sicherlich einer der schönsten und emotionalsten Momente für mich.

ran: Wann wurden Sie darüber informiert?

Rehm: Kurz davor habe ich einen Anruf bekommen. Was ich genau zu tun habe, habe ich tatsächlich erst erfahren, als ich Backstage war. Da wurde mir ein Video gezeigt, mit einer Dame, die meine Rolle quasi übernommen hat. Dann hieß es: 'Genau das, was die Dame macht, machst du. Dann läufst du aus dem Stadion raus, um den Teich und dann übergibst du das Feuer.' Wir haben es nicht einmal geprobt, aber hat ja Gott sei Dank alles geklappt. (lacht)

Hoch und weit: Markus Rehm sprang in Paris als einziger Starter über acht Meter
Hoch und weit: Markus Rehm sprang in Paris als einziger Starter über acht Meter© 2024 Getty Images
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Rehm über Verzahnung von Olympia und Paralympics: Schluss- und Eröffnungsfeier verbinden

ran: Wenn Sie auf ihre Goldmedaillen bei Paralympischen Spielen schauen – wie hat sich die öffentliche Aufmerksamkeit verändert? Ist es mit jedem Sieg mehr geworden?

Rehm: Definitiv. Ich denke, dass London schon unfassbar stark war. Die Spiele davor habe ich ja nicht mitgemacht. Da hat sich schon einiges verändert, und das ist schön zu sehen, dass wir mittlerweile auch zur Primetime übertragen werden, unser Wettkampf in der ARD zum Beispiel. Das war ein Meilenstein für unseren Sport und ich hoffe, dass wir bei den nächsten Spielen in LA das ein oder andere Mal mehr in der Primetime dabei sind. Das würde ich mir auch wünschen, dass unser Sport so attraktiv und hochklassig wird, dass man einfach sagt: 'Hey, das müssen wir übertragen, weil es einfach so spannend ist.' Da muss man natürlich auch die Athleten in die Pflicht nehmen.

ran: Sie haben sich bereits Gedanken gemacht, wie man die Paralympischen Spiele noch attraktiver für die Öffentlichkeit machen kann und einen gemischten Staffellauf vorgeschlagen, um Olympia und die Paralympics zu verbinden. Es gibt auch Vorschläge, beide Events parallel stattfinden zu lassen – was sagen Sie dazu?

Rehm: Ich glaube, parallel wird nicht funktionieren. Wenn, dann hilft es nur, wenn man die Spiele näher zusammenbringt.

ran: Wie könnte das aussehen?

Rehm: Man könnte es so machen: Die Abschlussfeier der Olympischen Spiele soll gleichzeitig die Eröffnungsfeier der Paralympics sein. Dann gibt es auch kein neues Feuer, sondern man könnte die Olympische Flamme symbolisch als Staffelstab einer 4x100-Meter-Staffel aus zwei olympischen und zwei paralympischen Athleten nutzen. Der Sieger dieses Rennens hat dann die Ehre, das Paralympische Feuer wieder zu entzünden. So könnten olympische und paralympische Athleten näher zusammenkommen. Das hat auch den großen Vorteil, dass man die Nationen dazu bringen würde, auch mal gemeinsam zu trainieren. Man will ja gewinnen, aber gerade in der Staffel müsste man Abläufe untereinander trainieren. Vielleicht merkt man dadurch sogar, dass es eigentlich ganz gut funktioniert und das ein attraktiver Wettbewerb in Zukunft sein kann. Das wäre eine schöne Abwechslung.

Medaillen-Trio: Markus Rehm (M.) gewann Gold vor den US-Amerikanern Derek Loccident (l.) und Jarryd Wallace
Medaillen-Trio: Markus Rehm (M.) gewann Gold vor den US-Amerikanern Derek Loccident (l.) und Jarryd Wallace© Beautiful Sports

ran: Wie sieht es denn bei den deutschen Weitspringern aus? Malaika Mihambo ist ja das Aushängeschild der deutschen Leichtathletik, Sie sind das Aushängeschild der deutschen Paralympioniken. Gibt es da eine Zusammenarbeit?

Rehm: Nein, tatsächlich nicht. Sie ist ja auch in Mannheim. Da sind wir räumlich getrennt, daher gibt es da keine engere Zusammenarbeit. Aber es ist schon denkbar, dass man sich vielleicht mal zusammentut zwischen den Weitspringern und sich gegenseitig nach vorne bringt. Sagen wir mal: Der Austausch würde allen Seiten gut tun. Es gibt das eine oder andere, was wir von olympischen Weitspringern lernen können, und umgekehrt ist es genauso. Wir springen Weiten, die in Deutschland zumindest kein olympischer Athlet bisher gesprungen ist. Das Training ist nicht allzu unterschiedlich. Da hat Steffi, meine Trainerin, schöne Trainingsmethoden entwickelt, von denen sicher auch Olympia-Athleten profitieren können.

ran: 2028 finden die nächsten Paralympischen Spiele in Los Angeles statt. Wo sehen Sie sich da?

Rehm: Das ist noch ganz schön lange hin. Das kann ich jetzt so nah an Paris noch gar nicht beantworten. Ich sehe es aktuell nicht, aber ich will es auch nicht ausschließen. Solange der Körper noch mitspielt – und das hat er in den letzten Jahren getan –, mache ich den Sport einfach noch wahnsinnig gerne. Wie lange das sein wird, dass muss ich jetzt von Jahr zu Jahr entscheiden. Da kann man nicht mehr mit vier Jahren planen, sondern Jahr für Jahr und wenn ich hintenraus das Gefühl habe, das könnte nochmal was werden, wären das auch nochmal großartige Spiele.

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