Paris 2024: Zwischen Euphorie und Bedenken – Die Spiele in Teahupo'o
- Veröffentlicht: 28.05.2024
- 12:50 Uhr
Die Olympischen Spiele bieten nicht nur eine Fläche für sportliche Höchstleistungen, sondern auch eine Gelegenheit nachhaltige Maßnahmen zu fördern. Wir begleiten die Olympischen Spiele in Paris über die kommenden Monate vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit. Erfahre in unserer Serie, wie Paris 2024 die französischen Überseegebiete zum ersten Mal in der Geschichte miteinbezieht.
Aber damit noch nicht genug. Rund 16.000 Kilometer von Paris entfernt, in Teahupo'o im Süden Tahitis, sollen die olympischen Surfwettbewerbe vom 27. bis 30. Juli 2024 stattfinden. Diese Entscheidung ist Teil des Bestrebens, die Spiele in ganz Frankreich zu vertreten und somit auch erstmals die französischen Überseegebiete miteinzubinden. Doch hinter der atemberaubenden Kulisse und den meterhohen Wellen verbirgt sich eine Kontroverse, die die lokale Bevölkerung und Umweltschützer aufschrecken lässt.
Surfen in Teahupo’o: Ein Ort der Furcht und Verehrung
Der Olympische Austragungsort auf Tahiti zählt zu den schönsten und beliebtesten Surfspots der Welt. Seit mehr als 20 Jahren finden dort regelmäßig professionelle Surf-Wettkämpfe statt, so zum Beispiel die Pro Tahiti World Championship Tour und die World Surf League (WSF) der Herren. Neben dem türkisfarbenen Wasser und den tropischen Landschaften, sind es vor allem die meterhohen Wellen, die Surfbegeisterte aus aller Welt anziehen. Kein Wunder also, dass sich das Internationale Olympische Komitee für die Austragung des Surf-Events an diesem paradiesischen Ort entschieden hat. Doch für Anfänger-Surfer ist dieser wenig geeignet. Die Monsterwellen nehmen über mehrere Tausend Seekilometer Fahrt auf und prallen anschließend an der Küste gegen ein großes Riff. Präzision, Vorsicht und Mut sind also mehr gefragt, um die Wellen im Sommer zu bezwingen.
Olympische Spiele in Tahiti: Die kritischen Stimmen der Einheimischen
Was auf den ersten Blick nach einer passenden Wahl für die Olympischen Spiele erscheint, wird von den Bewohnern Tahitis nicht mit derselben Euphorie aufgenommen. Ein zentraler Punkt der Auseinandersetzung ist der geplante Bau eines Aluminiumturms im Meer. Er soll den Kampfrichtern einen besseren Blick auf die Surfer bieten und gleichzeitig die Übertragungstechnik beherbergen. Das Problem besteht jedoch darin, dass dieser tonnenschwere Turm mitten in ein Korallenriff geschlagen werden soll. Dieser Eingriff würde nicht nur das fragile Ökosystem bedrohen, sondern auch den Surfspot selbst, da die Beschädigung des Riffs den Charakter der Wellen beeinträchtigt. Außerdem hat ein Testlauf Anfang Dezember die Besorgnisse noch weiter verstärkt. Geplant war es, mit einem Lastkahn das Fundament für den Turmbau vorzubereiten, doch die Turbinen zerstörten große Teile des Korallenriffs. Mit Investitionen von knapp viereinhalb Millionen Euro wollte man Betonplatten im Meeresboden verbohren und Unterwasserkabel verlegen. Laut Astrid Drollet, Sekretärin der Vereinigung Vai Ara O Teahupo'o, wurde die örtliche Bevölkerung von Anfang an nicht in die Planung miteinbezogen. Eine von ihr initiierte Petition gegen das Bauvorhaben hat fast 230.000 Unterschriften erhalten und auch den Zuspruch von Profi-Surfern, wie Kelly Slater, gewonnen. Drollet betont, dass die lokale Bevölkerung davon ausgegangen sei, dass die bestehende Infrastruktur wiederverwendet werden sollte, anstatt neue Großprojekte zu bauen. Denn Anfang der 2000er wurde bereits ein Turm aus Holz für Wertungsrichter gebaut. Laut dem Internationalen Olympischen Komitee entspräche dieser Turm allerdings nicht mehr den nötigen Sicherheitsstandards und käme deshalb auch nicht in Frage.
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Surfen in Teahupo’o: Sorge um den Charm der Ortschaft
Den Bewohnern von Tahiti geht es nicht nur um den Schutz des Korallenriffs. Sie haben die Sorge, dass ihr geliebter Ort Teahupo’o durch die Bauprojekten und Touristenströme an Glanz verliert. Das einst unberührte Paradies am Ende einer Straße mit Palmen und türkisfarbenem Meer, ist seit Monaten von Baggern und Zäunen umgeben. Wer früher diesen Ort zum ersten Mal sah, hätte kaum ahnen können, dass es sich um einen der berühmtesten Surfspots weltweit handelt. Fernab von Hipster-Cafés und Souvenirläden, stand die pure Natur im Mittelpunkt des Geschehens. Doch heutzutage ist das anders. Große Teile der Ortschaft sind mit Kränen und Zäunen abgesperrt und bereits die Hälfte des Strandes in eine Fußgängerbrücke und Aussichtsplattform umgebaut.
Olympisches Surfen in Tahiti: Die Suche nach einer Einigung
Trotz der Kontroversen und Bedenken gibt es Bemühungen seitens der Organisatoren, sich mit der örtlichen Bevölkerung auf einen Kompromiss zu einigen. So wurden verschiede Verbesserungsszenarien geprüft, um die Sorgen hinsichtlich des geplanten Kampfrichterturms zu mildern. Es wurden die Optionen, den aktuellen Holzturm wiederzuverwenden, einen neuen Holzturm zu bauen und auch das Szenario für die Installation von Richtern am Strand und auf Booten durchgesprochen. Letztlich kam allerdings raus, dass keiner dieser Szenarien den Sicherheits- oder Umweltstandards gerecht werde, geschweige denn in der vorgegebenen Zeit durchführbar wäre. Um den Einheimischen trotzdem entgegenzukommen, soll der vorgesehene Turm überarbeitet und in Größe und Gewicht reduziert werden. Das soll dazu dienen, die Bohrtiefe der Fundamente zu verringern und einen Lastkahn mit geringerem Tiefgang einzusetzen. Außerdem möchte man das Wettbewerbsgelände so gestalten, dass es die natürliche Umgebung der Insel bewahrt. Der neue Kampfrichterturm soll nach den Spielen für anderen Wettbewerbe genutzt werden und auch größere Surfveranstaltungen in Zukunft anziehen. Zudem soll das Dorf der Athlet: innen aus modularen Strukturen bestehen und später als Sozialwohnungen der lokalen Gemeinschaft dienen.