NFL
Detroit Lions: So schmeißt Dan Campbell die Saison weg - ein Kommentar
- Aktualisiert: 02.01.2024
- 00:40 Uhr
- Andreas Reiners
Dan Campbell sucht bei seinen Entscheidungen oft das Ungewöhnliche. Dabei macht es hier die Mischung aus Risiko und Sicherheit. Ein Kommentar.
Dan Campbell hat Großes geschafft.
Damit ist nicht einmal der sportliche Turnaround gemeint, den die Detroit Lions in der dritten Saison unter seiner Regie hingelegt haben. Auch wenn der wirklich beeindruckend ist: 2021 blieb das Team im ersten Jahr des Umbruchs mit einer 3:13-Bilanz chancenlos, und begann auch 2022 mit 1:6 unterirdisch.
Doch dann startete das Team durch, verpasste die Playoffs nur knapp. Die Postseason-Teilnahme steht in diesem Jahr mit einer 11:5-Bilanz bereits vorzeitig fest, der Titel in der NFC North erstmals seit 1993 auch.
Fast noch viel wichtiger ist aber, dass die einstige graue Maus der NFL inzwischen eine Identität hat, eine neue Mentalität, mit der sie nicht nur ganz Detroit begeistert.
Die Lions sind Draufgänger, sie sind furchtlos, entschlossen und von sich selbst überzeugt, zu allen spielerischen Schandtaten bereit.
Das Wichtigste in Kürze
Dan Campbell: Oft ein einfallsreicher Game Changer
Dank Campbell, der diese Attribute als Head Coach verkörpert, vorlebt und vorgibt – dabei aber immer öfter über das Ziel hinausschießt. Und leider auch immer wieder in wichtigen Spielsituationen.
Keine Frage: Die Zuschauer wollen im American Football keinen biederen Game Manager sehen, sondern einen einfallsreichen Game Changer. Einen Macher, der das Risiko sucht, damit spielt und es dem Gegner bei den überraschenden Big Plays um die Ohren haut. Ob nun Fake Punts, Trick Plays oder das regelmäßige Ausspielen des vierten Versuchs – irre Ideen und ungewöhnliche Vorgehensweisen zeichnen die Ära Campbell in Detroit aus.
Damit hat er sich einen Namen gemacht und sich in die Herzen der Leute gecoacht.
Denn das funktionierte oft hervorragend, vielleicht auch, weil die Lions lange Zeit sowieso nichts zu verlieren hatten. Und wenn es mal nicht klappte, war das angesichts des Umbruchs und der sportlichen Bedeutungslosigkeit eh fast schon egal.
Doch in dieser Saison ist das anders.
Die Lions um den deutschen Wide Receiver Amon-Ra St. Brown spielen ein starkes Jahr, und wenn an ein paar Stellschrauben gedreht würde, könnte das ein tiefer Playoff-Run werden.
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Detroit Lions haben etwas zu verlieren
Oder anders gesagt: Sie haben erstmals seit Jahren etwas zu verlieren.
Für den Erfolg ist es aber unabdingbar, dass sich Campbell selbst hinterfragt und bei seinen Entscheidungen dringend eine gesunde Mischung aus Risiko und Sicherheit finden muss. Denn es fällt auf, dass er in großen Spielen den Hang dazu hat, es zu übertreiben. Und nicht nur das Risiko auf dem Platz erhöht, sondern damit auch die Gefahr, den Erfolg wegzuwerfen.
Wie an Thanksgiving gegen die Green Bay Packers. Mitte des dritten Viertels beim Stand von 14:23 aus Lions-Sicht versuchte er an der eigenen 23-Yard-Linie und bei vier Yards einen Fake Punt, der komplett in die Hose ging. Wenig später sorgte ein Touchdown der Packers für die Vorentscheidung. Das Vorgehen kann man getrost als verrückt bezeichnen.
Am Samstag bei den Dallas Cowboys ging Campbell nach einem Lions-Touchdown kurz vor dem Ende bei 19:20 natürlich auf die Two-Point-Conversion.
Campbell-Style. Und ja: Alles andere wäre eine Enttäuschung gewesen.
Sich in weiten Teilen selbst treu zu bleiben, zeichnet einen großen Trainer aus, aber nur in Verbindung mit Selbstreflexion und der Fähigkeit, sich auch anzupassen und weiterzuentwickeln. Die wilde Cowboys-Schlussphase ist ein perfektes Beispiel und ein Weckruf gleichermaßen. Dabei geht es gar nicht um den kontroversen Call der Schiedsrichter.
Detroit Lions: "Do or Die" in den Playoffs
Denn anstatt spätestens nach dem zweiten verpatzten Versuch und der auf dem goldenen Tablett servierten erneuten Wiederholung den Kicker auf das Feld zu schicken, um auszugleichen, blieb er beinahe trotzig bei seinem ursprünglichen Plan, der dann auch prompt zum dritten Mal schiefging.
Die Playoffs sind fix, ja, doch es geht immer noch um die Ausgangsposition. Der Top Seed, eine Bye Week, Heimspiele bis zum Super Bowl werden es durch die Niederlage zwar nicht mehr, Platz zwei ist aber weiter drin. Daneben geht es aber auch um das generelle Risikomanagement und damit den Ansatz, wie man die Postseason bestreiten will.
Die Botschaft ist dabei klar: Die Mischung aus All-in und Sicherheit muss eine gesunde sein. Denn die Playoffs sind keine Spielerei mehr, da gilt das Motto "Do or Die". Für die Lions wäre jetzt Schluss gewesen, denn der Grat zwischen Hero und Zero ist in der NFL im Januar schmal.
Dabei ist die Gelegenheit gar nicht schlecht, um noch Größeres zu schaffen.