"Wir sind immer noch da"
Guess who's back: Der wohl süßeste Super-Bowl-Sieg der New England Patriots
- Aktualisiert: 04.02.2019
- 20:58 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Auch wenn die Saison 2018 alles andere als überzeugend war: Die New England Patriots haben es mit ihrem sechsten Sieg im Super Bowl mal wieder allen Kritikern gezeigt.
München/Atlanta - Tom Brady schaut ein bisschen gequält in die Kamera. Es ist ein mitfühlender Blick, umspielt von einem leicht süffisanten Lächeln. Denn der Quarterback-Superstar hat es schon wieder getan. Es ist deshalb vor allem ein "Tja, da wären wir wieder"-Blick. Sorry, ist nicht zu ändern, findet euch damit ab, so die Botschaft.
Bradys "Sidekick" Rob Gronkowski zuckt auch nur noch mit den Schultern, er trägt das Shirt der Super-Bowl-Sieger New England Patriots. Beide fangen genüsslich an zu grinsen.
"Na, haben wir es euch nicht immer gesagt?", schreit dieses Video geradezu, unterlegt von Eminems gackernder Stimme zu "Without me".
"Lälälälälä, lälälälä. Shady's back, tell a friend. Guess who's back, back again."
Externer Inhalt
In Dauerschleife. Schallende, verbale Ohrfeigen.
Dazu die entscheidende Interception von Patriots-Cornerback Stephon Gilmore, die Feierlichkeiten im Konfettiregen. Und das inzwischen zum Mantra gewordene "Still here".
Verfilmte Rachebotschaft
Vor allem aber ist das Video eine verfilmte Rachebotschaft, eine Zurschaustellung einer tiefen Genugtuung. Wie schon zuletzt nach dem Sieg im Conference Championship Game gegen die Kansas City Chiefs.
Externer Inhalt
Bradys (erneuter) Clip zeigt, wie sehr die New England Patriots die Kritik im Laufe der Saison getroffen hat. Als die Ära, die Dynastie des Erfolgsduos Brady/Bill Belichick zigmal für beendet erklärt wurde. Untergangsszenarien wurden kreiert, sportliches Mittelmaß diagnostiziert. Playoffs? Ja, aber erneut der Super Bowl? Auf keinen Fall.
Guess who's back?
Sogar bei Head Coach Bill Belichick, der seine Emotionen in der Regel vorzüglich im Griff hat, kam es durch – das 13:3 gegen die Los Angeles Rams dürfte einer der süßesten Siege in der so ruhmreichen jüngeren Geschichte der Franchise gewesen sein. Die Wachablösung stand ja schon bereit, ob nun in den jungen Quarterbacks wie Patrick Mahomes, MVP der Kansas City Chiefs, oder eben Jared Goff von den Rams. Oder in Sean McVay, dem Wundercoach der Kalifornier.
Doch die Postseason mit überzeugenden Siegen gegen die Los Angeles Chargers (41:28) und die Chiefs (37:31 n.V.) sowie dem finalen Akt gegen die Rams war eine einzige Beweisführung, dass die Patriots immer noch das Maß der Dinge sind.
Brady effektiv
Brady spielt mit 41 zwar nicht mehr spektakulär-dominierend, dafür aber effektiv, er ist auf den Punkt da, wenn es gilt. Gegen die Rams war es bei 3:3 und 9:49 Minuten im finalen Viertel auf der Uhr, als er einen Drive von der eigenen 31-Yard-Linie zum einzigen Touchdown des Spiels orchestrierte. Belichick coachte McVay so dermaßen aus, dass man mit dem 33-Jährigen ob dessen Hilflosigkeit fast schon Mitleid haben musste.
Es ist keine Frage: Die Patriots sind immer noch die, die es zu schlagen gilt.
Das gelang in der Regular Season immerhin den Jaguars, Lions, Titans, Dolphins und Steelers. Als es darauf ankam, aber eben niemandem mehr.
Guess who's back?
"Es ist süß", unterlief Belichick nach dem Triumph fast schon ein Gefühlsausbruch: "Jeder hat uns von Saisonbeginn bis zur Mitte der Saison angezählt. Aber wir sind immer noch hier."
Still here.
Zwei Worte, die das Gefühl der Patriots wohl am besten ausdrücken, die als perfekte Kurzzusammenfassung einer ganzen Saison dienen.
Das befriedigendste Jahr
Für Gronkowski war es "das befriedigendste Jahr, an dem ich je teilgenommen habe".
Die Hürden, die das Team überwinden musste, die Höhen und Tiefen, die ganzen Zweifler, die harte Arbeit vom Training Camp bis nach Atlanta. Die andauernden Abgesänge. Die tatsächlich nicht berauschenden Leistungen, die Durchhänger. Es wirkte zwischenzeitlich, als hänge man irgendwo zwischen Anspruch und Wirklichkeit fest, im sportlichen Nirgendwo.
Doch dann löste sich der Knoten. Gerade noch rechtzeitig. "Wir haben uns durchgeschlagen, haben unsere Identität gefunden. Das war die größte Leistung: Wie wir zusammengewachsen sind und zusammengehalten haben. Wie eine Familie. Es war unglaublich", so "Gronk".
Ohne groß zu glänzen wohlgemerkt, auch im Super Bowl nicht.
Aber das interessiert am Dienstag niemanden mehr. Denn was bleibt, sind die Bestmarken für die Ewigkeit. Rekord-Champion mit sechs Ringen, gemeinsam mit den Pittsburgh Steelers zum Beispiel. Oder aber die ungewöhnliche Geschichte dieser Saison.
Oder aber das Schweigen.
Denn niemand zweifelt nun noch ernsthaft daran, dass den Patriots die Ära seit 2000 gehört, dass sie sich immer noch erfolgreich gegen alle Gesetzmäßigkeiten des Geschäfts wehren. Denn eigentlich soll das System mit Salary Cap und Draft dafür sorgen, dass so etwas wie mit den Patriots, Brady und Belichick eben nicht passiert.
Doch die Pats haben etwas geschafft und geschaffen, dass es so schnell wohl nicht mehr geben wird. Und das womöglich immer noch nicht zu Ende ist.
Wie geht es weiter?
Denn die bange Frage der Konkurrenz bleibt: Wie lange geht das noch so weiter?
"Es ändert nichts", sagte Brady noch auf dem Spielfeld auf die Frage, ob der Triumph nun dafür sorge, dass er seine Entscheidung überdenke.
Brady hatte vor dem großen Spiel mehrmals betont, dass er weitermachen werde. Sein Vertrag läuft nach der kommenden Saison aus, ebenso wie der von Super-Bowl-MVP Julian Edelman. Ob Gronkowski seine Karriere beendet, steht auch noch nicht fest.
Vieles ist offen. Wie immer nach einer Saison, vor der Offseason, in der die Weichen für 2019 gestellt werden.
Doch wie schrieb Brady in seinem Video als Gruß an alle Kritiker? Als Botschaft, die man durchaus auch als Drohung auffassen kann?
"To be continued."
Andreas Reiners
Du willst die wichtigsten NFL-News direkt auf dein Smartphone bekommen? Dann trage dich für unseren WhatsApp-Service ein.