NFL - Deutscher Profi Julius Welschof exklusiv: "In der NFL wartet schon der Nächste, wenn es nicht reicht"
Aktualisiert: 03.06.2024
13:38 Uhr
Andreas Reiners
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Julius Welschof lebt bei den Pittsburgh Steelers den Traum von der NFL. Wir haben uns mit dem 27-Jährigen über die ersten Wochen der Vorbereitung, den Sprung vom College in die NFL, seine Sorgen vor dem Rookie-Auftritt, Treffen mit den Superstars und seinen Plan B unterhalten.
Die Freundschaft mit Aidan Hutchinson reichte dann doch nicht.
Zwar haben die Detroit Lions auch bei Julius Welschof angerufen, überzeugender waren jedoch die Pittsburgh Steelers, die ihn nach dem Draft als Free Agent verpflichteten.
Dort arbeitet der 27-Jährige in der Vorbereitung daran, den Sprung in die NFL zu schaffen. Tipps von Kumpel Hutchinson gibt es trotzdem. Zum Beispiel für das Lied, das Welschof im Camp zum Einstand singen muss. Nervös ist er deshalb schon jetzt.
Das war der Defensive End auch bei den ersten Treffen mit Superstars wie T.J. Watt, Alex Highsmith oder Russell Wilson. Wie das ablief, wie die ersten Wochen der Vorbereitung waren, wie groß die Umstellung ist, wie er es in das schaffen will und wie sein Plan B aussieht, hat er uns im Interview erzählt.
Julius Welschof: "Das College hat mich gut vorbereitet"
ran: Julius Welschof, wie fühlt sich die NFL nach den ersten Wochen an?
Julius Welschof: Auf jeden Fall anders. Ich habe ältere und erfahrenere Teamkollegen als vorher. Die NFL ist mehr ein Business als das College. Der Druck ist ziemlich hoch, die Erwartungen sind es auch. Aber es gibt auch Vorteile. Sei es von der Bezahlung her oder was das Essen angeht. Ich habe noch nie besseres Essen gehabt als hier. Gleichzeitig ist man aber auch mehr auf sich selbst gestellt. Aber ich würde sagen, dass das College mich gut darauf vorbereitet hat, vor allem durch meine Zeit in Michigan. Es ist nicht so, dass ich ins kalte Wasser geschmissen werde. Aber man muss schauen, dass man am Ball bleibt.
ran: Was überwiegt jetzt gerade bei Ihnen: Euphorie, Freude, Aufregung oder dann doch Druck?
Welschof: Euphorie und Aufregung. Vor allem auch dann, wenn man mit so Leuten in der Umkleide ist wie T.J. Watt, Alex Highsmith oder Russell Wilson. Da ist man schon ein bisschen aufgeregt, weil man sich von seiner besten Seite zeigen will. Aber da hilft mir die College-Zeit. Vom Playbook her ist es nicht viel schwieriger, das sind andere Wörter, aber im Grunde dasselbe Konzept. Es beginnt alles ein Stück weit von vorne - neue Defense, neue Teamkollegen. Es geht wieder um kleine Umstellungen.
ran: Müssen Sie sich manchmal noch kneifen? Streng genommen war es ja Ihr Gastvater, der Sie zum Football gebracht hat?
Welschof: Ja, rückblickend manchmal tatsächlich. Wir haben immer noch einen engen Kontakt. Wenn man zurückblickt, als ich das erste Mal in den USA war vor zehn Jahren und wie schnell die Zeit jetzt vergangen ist – es ist definitiv eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Das die beste Zeit meines Lebens bis jetzt.
ran: Haben Sie ihm schon ein Ticket für die NFL oder Ihr erstes Trikot versprochen?
Welschof: Nein, versprochen habe ich noch nichts. Ich glaube an mich, aber auf dem Weg in die NFL kann immer etwas passieren und ich gehe das von Tag zu Tag, von Woche zu Woche an. Und wenn dann wirklich ein Spiel anstehen sollte, dann würde ich ihn natürlich einladen.
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ran: Wie herausfordernd war denn der Weg bis hierhin?
Welschof: Meine Verletzungen haben mich sehr geprägt. Mit Höhen und Tiefen umzugehen, war sehr wertvoll, das hat mich weitergebracht. Das Coole am Football ist, dass es ein Teamsport ist. Man geht gemeinsam durch diese Tiefen, erlebt aber auch Highlights wie einen Sieg gegen Ohio State. Deshalb hat dieser Weg bei all den Herausforderungen auch Spaß gemacht.
Julius Welschof: Positives Feedback durch die Coaches
ran: Sie haben auf dem College für Michigan und Charlotte gespielt, unter Jim Harbaugh trainiert. Trotzdem: Wie groß ist dieser finale Sprung in die NFL?
Welschof: Der Druck ist größer, auch, weil ich ihn mir selbst mache. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen im Kader. Auf dem College geben sie dir Zeit, vor allem, wenn man aus Deutschland kommt, um sich an alles zu gewöhnen. Aber in der NFL wartet schon der Nächste, wenn es nicht reicht. Ich denke, dass ich im Sommer im Training Camp den Unterschied noch einmal sehr deutlich merken werde, wenn ich dann auch gegen die Starter spiele. In der NFL ist jeder groß und stark und schnell, da kommt es dann nochmal wirklich auf die Technik an. Auf den Feinschliff, um auf ganz hohem Niveau mithalten zu können. Es war bislang sehr intensiv, und man merkt auch, dass es jeder schaffen und es den Coaches zeigen will.
ran: Wie war das Feedback von den Coaches?
Welschof: Das war bislang positiv, sie sind sehr zufrieden. Wenn sie mich bei einer bestimmten Technik coachen, wollen sie sehen, dass ich das am nächsten Tag umsetze und nicht nochmal den gleichen Fehler mache. Das ist mir bislang gut gelungen. Die Trainer legen auch viel Wert darauf, dass man körperlich topfit ist. Dass man einen großen Willen zeigt, um es in das Team zu schaffen.
ran: Hat Sie etwas überrascht, positiv wie negativ?
Welschof: Die Coaches sind sehr offen, wir haben viele Events gehabt, zum Beispiel ein Dinner mit den Coaches. Das hat für ein familiäres Gefühl gesorgt. Man sagt ja immer, die NFL sei ausschließlich ein Business, aber es kommt mir nicht so vor. Aber ansonsten haben ich Freunde, die in der NFL spielen und mich vorbereitet haben. Ich hatte also schon eine Idee davon, was mich erwartet.
ran: Von wem kamen die Tipps?
Welschof: Unter einem von Aidan Hutchinson, mit ihm wohne ich in Michigan zusammen. Dazu auch von Luke Schoonmaker sowie von meinem früheren Coach aus Charlotte. Sie haben mir gesagt, dass ich mein Ding machen soll und es dann schon klappt.
Welschof: Viele wussten nicht, wer ich bin, deswegen habe ich mich bei den meisten Jungs selbst vorgestellt. Als Deutscher hat man immer gute Gesprächsthemen. Es war sehr positiv, jeder ist sehr nett und sehr offen. Highsmith zum Beispiel war auch in Charlotte, deshalb ist er gleich, als er mich gesehen hat, zu mir hin und hat sich vorgestellt. Und mit T.J. habe ich mal beim Mittagessen einfach ein bisschen gequatscht.
ran: Müssen Sie als Rookie etwas Peinliches machen?
Welschof: Ja, deshalb bin ich schon sehr nervös. Denn ich bin jetzt nicht unbedingt eine Rampensau. Aber jeder Rookie muss sich im Camp im Sommer vorstellen und ein Lied singen. Das bin nicht wirklich ich, aber da muss ich durch. Daneben müssen wir beim Training die Drills aufbauen. Und wenn T.J. Watt bestimmte Snacks haben will im Meeting-Raum, dann müssen wir dafür sorgen, dass die immer aufgefüllt sind.
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Julius Welschof: Eher keine Rampensau
ran: Haben Sie sich schon ein Lied ausgesucht?
Welschof: Aidan und ich diskutieren noch. Er meint, dass ich ein Lied singen soll, das jeder gut mitsingen kann. Er sagte, dass ich einfach machen und mich voll reinhauen soll, und wenn man gut ist, dann singt das Team auch irgendwann mit. Vielleicht mache ich eine langsamere Ballade.
ran: "Billie Jean" von Michael Jackson ist keine Option? Immerhin hatte Hutchinson bei den Lions damit großen Erfolg…
Welschof: Doch, den Song könnte ich nehmen, aber Aidan ist damit ja schon viral gegangen. Vielleicht etwas anderes von Michael Jackson. Irgendwas, das jeder kennt. Mal schauen.
ran: Wenn wir über Rookies sprechen: Spürt man die Rivalität, immerhin geht es um Plätze im Roster?
Welschof: Bis jetzt noch nicht. Mir hat ein Spieler im zweiten Jahr jetzt sehr viel geholfen, hat mir auch seine Nummer und Tipps gegeben, als ich Fragen wegen des Playbooks hatte. Am Ende des Tages ist man ja auch selbst für seine Leistung zuständig. Falls einer besser ist, muss man an sich arbeiten.
ran: Wie tickt denn Head Coach Mike Tomlin?
Welschof: Wir reden regelmäßig und er grüßt auch immer, er ist sehr präsent im Gebäude, bei den Workouts schaut er auch zu und man merkt, dass er nicht so jemand ist, der nur in seinem Office sitzt, sondern sich auch sehr viel mit den Spielern beschäftigt, auch außerhalb des Trainings da ist und Smalltalks macht.
ran: Sie waren ja zum Draft angemeldet. Wie ist so eine Veranstaltung, wenn man seinen Namen an den drei Tagen nicht hört? Hatten Sie Zweifel?
Welschof: Man hat vor dem Draft eine Ahnung, ob und wann man gedraftet wird. Bei mir war eigentlich klar, dass ich entweder wirklich sehr spät gedraftet oder eher als Free Agent verpflichtet werde. Deshalb habe ich nicht panisch zu Hause gesessen, als nach dem zweiten Tag noch kein Anruf kam. Mein Manager hatte mir im Vorfeld gesagt, welche Teams interessiert sind.
ran: Wie lief es anschließend mit den Steelers?
Welschof: Die waren schon sehr früh interessiert, bereits vor dem Draft. Da erkennt man auch einen Unterschied, wer anruft, ob der General Manager oder nur ein Scout. Und beim Draft haben der Steelers-GM Omar Khan und Tomlin bei mir angerufen. Es ist manchmal sogar besser, als Free Agent zu unterschreiben, weil man dann eventuell mehrere Teams zur Auswahl hat.
ran: Welche Teams hatten Sie zur Auswahl?
Welschof: Die Patriots und die Lions haben auch sehr oft angerufen. Oft ist es aber am Ende des Drafts so, dass Teams doch nicht die Leute bekommen haben, die sie haben wollten. Sie haben dann noch unterschiedliche Positionen frei und wollen unbedingt einen Spieler dafür haben. Die Steelers haben sich sehr bemüht. Da hat man gemerkt, dass sie mich wirklich wollten und nicht als Notlösung.
Julius Welschof: "Ich habe gewisse Erwartungen"
ran: Nun werden Ihnen durchaus Chancen eingeräumt, es in den finalen Kader zu schaffen. Machen Sie sich noch mehr Druck?
Welschof: Ich habe selbst gewisse Erwartungen. Deshalb habe ich zum Beispiel auf dem College schon sehr viel Wert auf Special Teams gelegt. In der NFL wird gerne geschaut, wenn man auf der Kippe steht, ob man Special Teams spielen kann oder nicht. Das wird ein großer Fokus von mir sein, Special Teams auf jeder Position spielen zu können, um es dann eventuell in den aktiven Kader zu schaffen. Special Teams ist etwas, das am Ende ausschlaggebend sein kann.
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ran: Gleichzeitig spielt Ihnen das Pathway Program kadertechnisch noch in die Karten. Macht es das etwas einfacher?
Welschof: Ja, das macht es einfacher. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass deshalb ein bisschen Druck weg ist, aber es ist schon ein großer Vorteil mit diesem Extra-Spot im Practice Squad.
ran: Wo müssen Sie sich noch besonders verbessern?
Welschof: Im mentalen Bereich, um psychisch stark zu bleiben und mental nicht einzubrechen, weil es jetzt absolut leistungsorientiert zugeht. Daneben geht es darum, noch detaillierter Film zu schauen. Es wird viel, viel Zeit in Meetings verbracht, um auf Film auf die kleinsten Details zu schauen. Dadurch kann man sein Spiel stetig verbessern, auch indem man von den älteren Spielern lernt.
ran: Ganz generell: Wie gehen Sie das Abenteuer NFL an?
Welschof: Ich schaue, dass ich die Zeit, die ich jetzt habe, nutze, um meinen Körper fit zu halten. Es hängt von mir ab, was ich dafür tue, um mich aufs Camp vorzubereiten. Ich habe bereits gehört, dass es eines der härtesten Camps ist. Dazu ist der Fokus auch auf das Playbook gerichtet. Es geht darum, dass die Vorbereitungen, die von meiner Seite getroffen werden können, zu 100 Prozent passen. Ich gehe es professionell an, Football ist der Fokus Nummer eins für mich.
ran: Haben Sie denn einen Plan B oder C, der im Fall der Fälle greift?
Welschof: Als ich mich auf dem College verletzt habe, habe ich auch schon darüber nachgedacht, denn das war ein Realitätscheck, dass es jeden Tag vorbei sein kann. Man will aber auch nicht den Fokus auf Plan A verlieren oder schlechtes Karma auslösen, wenn man sich für einen Job bewirbt. Aber ich habe in den USA gelernt, dass viel über Netzwerke und Beziehungen geht. Das Netzwerk habe ich mir schon aufgebaut. Und wenn dann der Tag kommt, weiß ich, an welche Leute ich mich wenden kann, um ins Berufsleben einzusteigen.