NFL-kommentar
Russell Wilson bei den Denver Broncos vor dem Aus: Sinnbild des Niedergangs
- Aktualisiert: 28.12.2023
- 13:46 Uhr
- Kai Esser
Die Denver Broncos werden Russell Wilson in diesem Winter noch entlassen. Und das, nachdem sie ihn nicht nur für mehrere Draft Picks loseisten, sondern ihm auch noch eine teure Vertragsverlängerung gaben. Es ist die Krönung der Misswirtschaft. Ein Kommentar.
Von Kai Esser
Es war der 16. März 2022. Die Seattle Seahawks und Denver Broncos gaben offiziell bekannt, dass Quarterback Russell Wilson von der Westküste der USA in die Rocky Mountains wechselte.
Während die Seahawks-Fans mehrheitlich dem Quarterback nachtrauerten, der sie zu ihrem einzigen Super-Bowl-Sieg 2013 führte - passenderweise gegen die Broncos - war bei den Fans in Denver endlich so etwas wie Aufbruchstimmung zu spüren.
"Wir sind nur einen guten Quarterback davon entfernt, ein Playoff-Team zu sein", war der allgemeine Tenor nach der Spielzeit 2021. Den guten Quarterback hatten die Broncos nun. Zumindest auf dem Papier.
Doch was sich als Ende der jahrelangen Flaute erweisen sollte, ist nicht einmal zwei Jahre nach ihrem Beginn die Spitze des Eisbergs der Fehler in Denver.
Die Durststrecke in der Hauptstadt des Bundesstaates Colorado war lang und ist es immer noch. Das letzte Playoff-Spiel der einst stolzen Franchise war der Super Bowl 50 im Jahre 2016. Die Fangemeinde dürstete es nach Erfolg. Und nicht nur sie, sondern auch das Front Office.
Das Wichtigste zum Chaos in Denver
So sehr, dass sie in der Causa Wilson alles falsch machten, was man nur falsch machen konnte. Offenbar frustriert von den ausbleibenden Ergebnissen und den etlichen, mittlerweile mehrheitlich irrelevanten Quarterbacks, die sich nach Hall of Famer Peyton Manning versucht haben.
Russell Wilson: Ära in Denver ist vorbei
Bereits in seinem letzten Jahr bei den Seahawks sah man dem Quarterback an, dass er nicht so explosiv wie noch vor einigen Jahren war. Freilich, er spielte immer noch gut. Aber einst gehörte der heute 35-Jährige zu den besten seiner Zunft. Den Spitznamen "Houdini" hat er sich hart erarbeitet. Seine Fähigkeiten, Plays zu kreieren und zu verlängern waren damals beinahe ein Novum.
Allerdings gaben die Broncos dennoch ein Angebot für den alternden und schwächer werdenden Wilson ab. Am Ende bezahlte man netto zwei First Round Picks, zwei Second Round Picks und gab auch noch drei Spieler ab. Ein Trade-Paket von monumentaler Größe.
Während viele Experten rund um die Liga zumindest fragend ihre Augenbrauen hoben, gab es auch Befürworter des Deals. Ohne zuverlässigen Quarterback würde man in dieser Liga nichts gewinnen, hieß es beispielsweise. Die Frage ist nur: Haben sich die Broncos da überhaupt einen guten Quarterback geangelt?
Als wäre das Trade-Paket noch nicht genug, unterzeichnete Wilson einen neuen Fünfjahresvertrag über 242 Millionen Dollar Gesamtvolumen - noch bevor er überhaupt ein einziges Spiel absolviert hatte.
Spätestens jetzt verloren die meisten ihren Glauben in den Deal und auch die anfangs noch euphorischen Fans hegten Zweifel.
Nach zwei enttäuschenden Saisons ist also nun klar: Die Ära Russell Wilson in Denver ist vorbei. Und nicht nur das: Ohne jedweden Ertrag haben sich die Broncos ein Loch geschaufelt, aus dem sie in absehbarer Zeit nicht herauskommen werden.
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Broncos auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit
Denn, und das ist beinahe schon ein Fall für's Kabarett, der neue Vertrag von Wilson hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen. Die Broncos - die zwischendurch auch einen Wechsel auf der Head-Coach-Position vornahmen, der ebenfalls zu scheitern droht, und einmal verkauft wurden - versinken dadurch im Chaos.
Nicht nur sportlich, auch finanziell. Der unausweichliche Cut von Wilson spart zwar seine Garantiesumme für die Saison 2024, hinterlässt jedoch 85 Millionen Dead Cap.
Russell Wilson: So teuer würde sein Abschied die Denver Broncos zu stehen kommen
Vereinfacht gesagt: Gegenüber einem Team, das kein Dead-Cap-Loch hat, haben die Broncos damit 85 Millionen weniger Spielraum unter der Gehaltsobergrenze.
Zum Vergleich: Damit könnte man ziemlich genau den bestbezahlten Quarterback Joe Burrow und den bestbezahlten Wide Receiver Tyreek Hill bezahlen. Stattdessen "bezahlen" die Broncos dieses Geld, damit Wilson nicht (!) für sie spielt. Wenn das absurd klingt, dann, weil es das auch ist.
Denver braucht gute Draft-Picks
Wie soll ein Team, das seit fast einer Dekade ohnehin nicht mit guten Entscheidungen glänzt, mit so einer Hypothek erfolgreich sein? Nicht nur spielen die Broncos in einer Division mit Patrick Mahomes und den Kansas City Chiefs, ohnehin ist die AFC gerammelt voll von Top-Quarterbacks. Etwas, was Denver buchstäblich um jeden Preis auch haben wollte, aber nie bekam.
Der einzige Weg für das ehemalige Power House der AFC zurück in die Relevanz, geschweige denn die Playoffs, besteht darin, mehrere Home Runs im Draft zu landen. Ein einzelner wird mutmaßlich nicht reichen.
Zumindest, wenn General Manager George Paton, auf dessen Mist die Situation mehrheitlich gewachsen ist, diese Picks nicht auch noch für einen Spieler wegtradet, dessen Leistungskurve deutlich nach unten zeigt.