Sarah Thomas: Die Super Bowl-Schiedsrichterin, die alles hat, was man braucht

München/Tampa Bay - Gene Steratore gerät ins Schwärmen. "Sarah hat alles, was man für den Job braucht. Das Auftreten, die Ausstrahlung, alles."

Steratore muss es wissen, was es braucht. Denn er stand bereits im Super Bowl, hat ihn geleitet. Super Bowl LII zwischen den Philadelphia Eagles und New England Patriots.

Und er hat auch jenes Spiel zwischen den Oakland Raiders und den Dallas Cowboys geleitet, als er auf dem Spielfeld eine Karteikarte zwischen Ball und Kette steckte, um zu erklären, dass es eben kein First Down sei.

Größte Bühne mit größtem Scheinwerferlicht

Steratore ist also einer, der sich mit Auftreten auskennt und es auch in seinem heutigen Job als TV-Regelexperte beim Sender "CBS" einbringt. Wenn einer wie Steratore das Auftreten lobt, ist das schon ein Ritterschlag.

"Als Schiedsrichter stehst du eh immer in der Kritik und unter besonderer Beobachtung. Aber wenn du dann auch noch als erster weiblicher Schiedsrichter auf der größten Bühne stehst ... einen größeren Scheinwerfer auf dich gibt es nicht."

Sarah Thomas ist nun die erste Schiedsrichterin. Im Super Bowl (Sonntag ab 22:40 Uhr live auf ProSieben und ran.de). Der größten Bühne. Der mit dem riesigen Scheinwerfer.

"Sie hat sich das Recht zu pfeifen verdient"

Bevor sie in dieses Scheinwerferlicht tritt muss sich die 47-Jährige bereits mit Vorurteilen auseinandersetzen. Vergangene Saison die erste Assistenztrainerin im Super Bowl, musste jetzt deshalb die erste Schiedsrichterin her?

Troy Vincent, Vizepräsident der NFL und zuständig für das Schiedsrichterwesen entgegnet dem nur: "Mit ihren herausragenden Leistungen und ihrer Hingabe, herausragend zu handeln, hat sie sich das Recht verdient, im Super Bowl zu pfeifen. Ich gratuliere Sarah zu dieser völlig verdienten Ehre."

Sie selbst will nichts wegen ihres Geschlechts wissen, sie sieht sich als Schiedsrichter, weder männlich noch weiblich.

"Meine Kollegen, die Trainer, die Spieler, alle sehen mich mittlerweile einfach als Offizielle, genau so will ich es haben. Ich habe nie zugelassen, dass mein Geschlecht eine Ausrede oder ein Vorwand für Menschen ist", sagt Thomas und macht sogleich ihre Ambitionen klar: "Mein Antrieb war es immer, die Nummer eins auf meiner Position zu sein."

Head Linesman in Down Judge geändert - wegen Thomas

Ihre Position ist in dem sieben Mann umfassenden Schiedsrichter Gespann um Referee Carl Cheffers die des Down Judge - die erst seit ihrer Aufnahme in die NFL so heißt.

Vorher hielt sie noch die Bezeichnung "Head Linesman", nun ist diese geschlechtsneutral.

Als Down Judge steht Thomas an der Line of Scrimmage. In dem Bereich also, in dem Offensive Line und Defensive Line aufeinander knallen. In dem Bereich, in dem es ein wahres Hauen und Stechen gibt, eigentlich aber nicht geben darf. Nur ein Blocken und Tacklen, nichts Unfaires.

Thomas muss dabei genau das tun, was in diesem Moment am schwierigsten ist - den Überblick behalten. Fouls erkennen, anzeigen.

Aber auch bevor es zum Zusammenstoß der menschlichen Abrissbirnen kommt, ahndet sie bereits Vergehen. Offside und Encroachment der Defense, False Start der Offense. Sie entscheidet: Haben Tom Brady oder Patrick Mahomes den Ball noch hinter der Line of Scrimage geworfen?

Strahlkraft für junge Mädchen

Aber wie reagieren gerade die aufgeladenen Spieler in so emotionalen Momenten auf eine Frau? Wie handhabt sie die Trainer an den Seitenlinien, wenn diese aufgebracht auf sie einschreien?

Thomas meint dazu nur: "Wenn man schweigt, kann man nicht missverstanden werden." Kurz und knapp. Da wären wir wieder beim Auftreten.

So cool und lässig sie über den Umgang spricht, das Scheinwerferlicht Super Bowl weiß sie dann aber auch zu schätzen und nutzen, auch wenn sie diesen typischen Pioniergedanken etwas verdrängt.

"Wenn ich an die Strahlkraft denke, nicht nur für meine Tochter, auch für junge Mädchen überall. Das ist einfach bemerkenswert. Ich fühle mich überwältigt und geehrt, ein Teil der diesjährigen Super-Bowl-Crew zu sein", sagt sie.

Über ein NFL Camp in New Orleans in die NFL

Ihr Weg in den Super Bowl ist schnell erzählt. Schiedsrichter in der High School und semiprofessionellen Ligen, College, NFL Camps. Bei einem solchen in New Orleans lief sie auch Steratore über den Weg, als dieser noch NFL-Spiele leitete.

Dem ab Montag 58-Jährigen fiel Thomas bereits damals auf. "Die Art und Weise wie sie sich als Profi und Mensch gibt, wie sie mit all dieser Aufmerksamkeit und den prüfenden Blicken klar kommt, das ist höchst beeindruckend."

Handgelenksbruch im ProSieben MAXX-Spiel

Beeindruckend reagierte die Mutter dreier Kinder auch in ihrer zweiten NFL-Spielzeit, als sie auch dem deutschen Publikum auf ProSieben MAXX näher gebracht wurde. Beim Spiel zwischen den Green Bay Packers und Minnesota Vikings geriet sie zwischen Minnesotas Kyle Rudolph und den Boden.

Die Folge: doppelter Bruch im Handgelenk. Nach kurzer Behandlungspause ging es aber weiter. So steinig es auch sein mochte, auf dem Weg zum Super Bowl ließ sich Thomas nicht aufhalten.

Nun ist sie dort angekommen. "Wenn ich da rausgehe und alles aufsauge, werde ich schon ein bisschen rührselig", glaubt sie.

Sobald aber der Kickoff erfolgt ist, dürfte damit aber längst wieder Schluss sein. Schließlich hat sie ja alles, was man für ihren Job braucht.

Oliver Jensen/Rainer Nachtwey

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