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NBA Finals 2024: Doncic' Problem sind nicht die Schiedsrichter - Erkenntnisse nach Spiel 3
- Aktualisiert: 15.06.2024
- 02:20 Uhr
- Ole Frerks
Auch in Texas reißt die Siegesserie der Boston Celtics nicht. Mit einem 106:99-Sieg setzte sich der Favorit durch und hat nun die Chance im kommenden Spiel (Spiel 4 in der Nacht von Freitag auf Samstag live auf ProSieben MAXX und im Livestream auf ran.de, in der ran-App sowie auf Joyn) NBA-Champion zu werden.
von Ole Frerks
Die Boston Celtics haben auch das dritte Spiel der NBA Finals gewonnen (106:99) und sind nun nur noch einen Sieg vom 18. Banner entfernt. Im vierten Viertel ereignet sich dabei fast ein Rückfall in alte Zeiten, aber nur fast. Luka Doncic foulte erstmals in seiner Karriere aus und identifizierte danach die (falschen) Schuldigen.
1. Bostons Plan: Doncic Fouls anhängen
Die Celtics sind großzügig. Anders ist es kaum zu erklären, dass sie selbst in dem Spiel, in dem sie wohl ihre erste Meisterschaft sicherstellten (Comebacks nach 0-2 sind selten, Comebacks nach 0-3 gab es noch nie), ihren Kritikern wieder einiges an Futter hinterließen. Fast hätten sie es geschafft, trotz einer 21-Punkte-Führung im letzten Viertel noch zu verlieren.
- Spiel 4 der NBA-Finals in der Nacht von Freitag auf Samstag live auf ProSieben MAXX und im Livestream auf ran.de, in der ran-App sowie auf Joyn.
Ein Dreier von Derrick White brachte sein Team 11:07 Minuten vor dem Ende mit 91:70 in Führung, danach hörten die Celtics eine ganze Weile lang auf zu spielen. Dallas erhöhte den defensiven Druck, brachte Boston zu langsamen, ziellosen Offensiv-Possessions, als wäre irgendwo Bam Adebayo in der Halle.
Vorne taute P.J. Washington auf, Dallas bekam und traf endlich ein paar der Dreier, die in der Serie bisher so rar für sie waren. Luka Doncic und Kyrie Irving stemmten sich nochmal gegen die scheinbar sichere Niederlage. Die Führung schrumpfte Stück für Stück, in Windeseile brachte Dallas einen 20:2-Run zustande.
Das Wichtigste in Kürze
Vier Minuten vor dem Ende foulte Doncic aus, 3 Punkte trennten beide Teams da noch. Irving verkürzte wenig später auf 1 Punkt. Dann, endlich, erwachte Boston wieder aus seinem Stupor und beendete das Spiel mit drei konsequenten Schlussminuten (und einem 13:6-Run).
Es war ein Test, der gut und gerne auch hätte schief gehen können, aber: Boston berappelte sich immerhin rechtzeitig und fand einen Weg. "Wir geraten wahrscheinlich nicht in der Form in Panik, wie das in der Vergangenheit passiert ist", erklärte White. "Wer weiß, ob wir dieses Spiel früher verloren hätten, aber wir haben einfach so viele Wege, um Spiele zu gewinnen."
Die Wege in diesem Fall: Es wurde gezielt dafür gearbeitet, Doncic seine fünften und sechsten Fouls anzuhängen. Die Rebound-Arbeit und Defense in den letzten Minuten war stark und fokussiert. Nach einigen schaurigen Offensiv-Minuten kamen in der Crunchtime durch Drives und Kickouts wieder überwiegend gute Abschlüsse zustande.
Es hätte nicht so eng werden müssen. Wobei White darüber spekulierte, dass Joe Mazzulla wohl nicht ganz unglücklich über diesen Kollaps war, weil der Coach "ein Spinner" sei. Gleichzeitig gehört zur Wahrheit auch: Boston konnte sich diesen Aussetzer leisten, weil die Celtics den Mavs zuvor schon wieder ziemlich erfolgreich den Zahn gezogen hatten.
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2. Der Plan geht auch ohne Porzingis auf
Die Celtics mussten in Spiel 3 auf Kristaps Porzingis verzichten, der mit einer Fußverletzung als day-to-day gelistet wird, vermutlich aber nicht noch einmal in den Finals auflaufen wird. Boston ließ sich davon nicht beirren, es hat ja auch Erfahrung damit: In Regular Season und Playoffs stehen die Celtics jetzt bei 31-5 ohne KP. Sie haben zudem alle ihre Auswärtsspiele gewonnen.
Ihren über die ersten beiden Spiele erfolgreichen Game-Plan zogen sie auch in Spiel 3 wieder durch. Vorne wurde methodisch nach Vorteilen und offenen Dreiern gesucht, indem vor allem Luka Doncic und Kyrie Irving in etliche Aktionen involviert wurden. 46 Dreier nahmen die Celtics diesmal, 17 fielen rein – es war ihr bestes Shooting Game in den Finals, die 37-prozentige Quote lag indes noch immer unter ihrem Saisonschnitt (39 Prozent). Wenn sie den Ball laufen ließen, kamen sie in fast jeder Possession an gute Abschlüsse.
Hinten wurde geswitcht und gezielt geholfen, nun für 48 Minuten, da statt Porzingis oder Luke Kornet als möglichem Drop-Verteidiger Xavier Tillman die Rotation enterte. Der frühere Grizzly machte seine Sache richtig gut, blieb in Isolation bei Drives an Doncic kleben und blockte den Slowenen zweimal am Ring. Einen Dreier traf er zum Entzücken seiner Bank ebenfalls.
Boston arbeitete generell weiter dafür, Irving und Doncic so viel wie möglich allein machen zu lassen. Es gab kaum Double-Teams, auch "problematische" Matchups wie Sam Hauser (der seine Sache genau wie Tillman sehr gut machte) wurden den Mavs-Stars gegeben. Sie sollten punkten dürfen, aber nicht die Teamkollegen mitziehen. Es wurden erneut nur fünf Eckendreier angeboten, Lob-Dunks waren ebenfalls wieder kein signifikanter Teil der Gleichung.
Dallas nahm die Einladungen zu Beginn an. Doncic und Irving starteten beide brandheiß, führten die Mavs zu einer frühen 13-Punkte-Führung im ersten Durchgang. Das Duo verzeichnete insgesamt 62 Punkte, die beste kombinierte Ausbeute in der Serie, weil Irving sich erstmals in den Finals auch zum Dienst meldete (35 Punkte, 13/28 FG).
Kombiniert hatten beide allerdings auch nur 8 Assists, als Team hatte Dallas 15 – ein Indiz dafür, wie viele der Punkte hart und durch Einzelaktionen erarbeitet werden mussten. Das Offensiv-Rating der Mavs betrug 108,8, was erneut richtig schlecht war (nach drei Vierteln lag es bei nur 102,9). Dallas hat noch in keinem Spiel dieser Serie 100 Punkte aufgelegt.
Schon lange vor dem sechsten Foul war bei Doncic dabei Ermüdung festzustellen. Nach dem guten Start kühlte er ab, legte etliche Würfe vorne auf den Ring (insgesamt 11/27). Das war nichts Neues: Über die Serie hat Luka über die ersten drei Viertel 81 Punkte aufgelegt (54 Prozent FG), aber nur 8 im vierten (3/15 FG). Die Zermürbungstaktik von Joe Mazzulla geht auf, immer wieder.
Die Taktik nutzt den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Teams: Boston hat mehr Spieler, die Offense initiieren und übernehmen können, es gibt, je nachdem, was die Defense anbietet, viele Wege zum Erfolg. Alle Spieler der Kernrotation sind zudem gute Verteidiger.
Bei Dallas ist der mit Abstand wichtigste Offensivspieler hingegen defensiv angreifbar, und das lässt ihn Boston spüren, so oft es geht. Je mehr Körner er hinten lassen muss, desto weniger bleibt über 48 Minuten für die Offensive. Vorne fehlt es Doncic an Hilfe, aber defensiv zwingt er sein Team permanent dazu, ihm zu helfen und seine fehlende Aufmerksamkeit zu kaschieren.
Doncic suchte die Schuld für die Niederlage im Anschluss bei den Schiedsrichtern – und dürfte für seine gezeigten Gesten eine nette Geldstrafe bekommen. "Wir durften nicht physisch spielen, ich weiß nicht. Ich will nichts sagen, aber sechs Fouls in den NBA Finals … kommt schon", schimpfte Luka noch auf der anschließenden Pressekonferenz.
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Mit dem wichtigsten Unterschied zwischen beiden Teams in dieser Serie haben die Offiziellen jedoch nicht das Geringste zu tun. Das eine Team muss für jeden guten Abschluss kämpfen, das andere hat mindestens einen Weg, um fast immer an gute Abschlüsse zu kommen. Und dieser Weg involviert den besten Spieler der Serie – aber nicht so, wie die Mavs das gerne hätten.
3. Kidds Suche geht weiter
Dass die Serie bisher nicht optimal lief, zeigte sich unter anderem auch durch folgende Tatsache: Schon im zweiten Viertel hatte Mavs-Coach Jason Kidd elf verschiedene Spieler eingesetzt, stetig auf der Suche nach Kombinationen und Lineups, die Boston vor mehr Probleme stellen konnten.
Erfolgreich verlief diese Suche nicht. Dereck Lively II hatte in Abwesenheit von Porzingis sein bestes Spiel der Serie (11 Punkte, 13 Rebounds, +6 in 30 Minuten) und Washington spielte ein gutes viertes Viertel, nachdem er zuvor unsichtbar war, ansonsten blieb der Supporting Cast bieder, da Doncic und Irving den Mitspielern keine leichten Abschlüsse verschaffen konnten.
Kidd versuchte dabei, etwas mehr Offense auf den Court zu bekommen, und stampfte die Minuten von guten Verteidigern wie Maxi Kleber (der wieder nicht werfen wollte) und sogar Derrick Jones Jr. (nur 16 Minuten) ein, wofür interessanterweise Tim Hardaway Jr. entmottet wurde.
Der Off-Guard war in der Regular Season immerhin drittbester Scorer der Mavs, hat aber in den Playoffs das Vertrauen Kidds verloren. Die 19 Minuten in Spiel 3 werden nichts daran geändert haben – Hardaway vergab jeden seiner fünf Würfe und war defensiv (noch) ein massiver Schwachpunkt. Er hat seit Game 6 gegen OKC vor fast einem Monat keinen Punkt mehr erzielt.
Ein altes Mantra von Pat Riley über Playoff-Rotationen lautete wie folgt: "Nutze acht, rotiere sieben, spiele sechs, vertraue fünf [Spielern]." Die Mavs kamen bis in die Finals, weil sie ihre Identität und Rotation gefunden hatten – in den Finals scheinen sie beides ein Stück weit verloren zu haben. Was zu einem großen Anteil an der Stärke des Gegners liegt.
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4. Der Finals-MVP wird...
Boston steht nun an einem Punkt, an dem bis dato noch kein NBA-Team den Titel dann nicht mehr geholt hat, und will dieses Novum natürlich ebenfalls vermeiden. "Niemand ist hier entspannt. Niemand ist zufrieden", betonte Tatum. Noch hängt Banner Nr. 18 schließlich nicht unter der heimischen Hallendecke.
Alle anderen dürfen sich spätestens jetzt mit der Frage beschäftigen, wer bei einem etwaigen Titelgewinn Bostons den Finals-MVP-Award abräumen würde. Tatum hatte in Game 3 sein erstes gutes Scoring Game der Finals (31 Punkte), nahm allerdings mindestens sieben Stepback-Dreier zu viel (was er selbst in einer Auszeit witzigerweise noch angemahnt hatte) und war, abgesehen von den Punkten, eher schlechter unterwegs als in den vorigen Spielen.
Zum erst zweiten Mal in diesen Playoffs (!) beendete er ein Spiel mit negativem Plus/Minus (-4). Tatum bleibt Bostons bester Spieler, aber: Die Tür ist offen für jemand anderen. Nach zwei Spielen sprachen viele von Jrue Holiday als Favoriten, diese Rolle hat nun vermutlich Brown inne, der ja auch bereits zum MVP der Conference Finals gewählt wurde.
24 seiner 30 Punkte (dazu je 8 Rebounds und Assists) holte JB nach der Pause, setzte mit einem Dunk das Ausrufezeichen hinter das spielentscheidende dritte Viertel (35:19 aus Celtics-Sicht) und war dann auch in der Crunchtime nahezu überall beteiligt. Es war sein Midrange-Jumper über Hardaway, der Boston eine Minute vor Ende wieder mit 4 in Führung brachte.
Über die Serie hat Brown nun immer über 50 Prozent aus dem Feld getroffen, dazu viele starke defensive Sequenzen als primärer Doncic-Verteidiger gehabt. Spiel 3 war eins der besten Playmaking-Games seiner Karriere, die 8 Assists repräsentierten ein Career-High für ihn in den Playoffs (in Game 2 hatte er 7).
"Wie soll ich Jaylen erklären? Der Junge will einfach besser werden, er verzehrt sich danach", schwärmte Mazzulla. "Er hat keine Angst davor, seinen Schwächen auf dem Court zu begegnen." Auch Tatum, der Browns Dunk auf der Bank gefeiert hatte wie ein kleines Kind, zeigte sich beeindruckt von seinem langjährigen Partner. "Ich habe ihm gesagt, wie stolz ich auf ihn bin."
Letzten Endes führt die ganze Diskussion ohnehin an der wichtigsten Erkenntnis vorbei – die Celtics sind so nah am Titel, weil man bei ihnen, wenn man möchte, in fast jedem Spiel einen anderen MVP finden kann. Weil ihr Team voll mit (Fast-)All-Stars ist, weil ihr System egalitär ist. Und weil es den Beteiligten, auch dem Superstar, mittlerweile recht egal ist, wer am Ende die individuellen Auszeichnungen abräumt. Hauptsache es ist ein Grüner.