Blockbuster-Trade
Damien-Lillard-Trade: Milwaukee Bucks zerreißen ihr Sicherheitsnetz
- Aktualisiert: 12.10.2023
- 16:25 Uhr
- Ole Frerks
Damian Lillard wurde endlich getradet – allerdings nicht zu seinem designierten Wunschziel. Stattdessen haben die Milwaukee Bucks das Rennen gemacht in einem Trade, an den sich auch die Phoenix Suns dranhefteten. Was hat der Deal für Implikationen?
von Ole Frerks
Es ist also doch endlich passiert – und dann aber doch ganz anders, als alle dachten. Selbst als über die vergangenen Monate immer mehr darüber spekuliert wurde, welches Team den Miami Heat und ihrem Wunschspieler Damian Lillard noch in die Suppe spucken könnte, fiel selten der Name Milwaukee. Nun hat das Team von Giannis Antetokounmpo trotzdem den Zuschlag bekommen.
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Ein zweiter Contender hat sich an den Trade drangehängt, auch dieser trägt aber nicht den Namen Miami, sondern Phoenix, das nun endgültig nahezu sein gesamtes Team innerhalb der kurzen Zeit umgekrempelt hat, die Mat Ishbia dieses Team besitzt. Aus der Rotation, welche die Suns 2021 in den Finals gegen Milwaukee spielen ließ, ist nur noch Devin Booker übrig.
Komplett fertig wirkt das Ganze auch noch nicht – denn es gibt ja noch die Jrue-Holiday-Komponente. Es gibt also viel zum Auspacken bei diesem Trade, den wir deshalb aus Sicht aller wichtigen Beteiligten einordnen werden. Zur Übersicht, das sind die Parameter:
Milwaukee Bucks bekommen: Damian Lillard
Phoenix Suns bekommen: Grayson Allen, Keon Johnson, Nassir Little, Jusuf Nurkic
Portland Trail Blazers bekommen: Deandre Ayton, Toumani Camara, Jrue Holiday, 2029er ungeschützten Erstrundenpick, Swap-Rechte des Erstrundenpicks 2028 und 2030
Der Lillard-Trade aus Sicht der Bucks
Die Bucks haben offensichtlich zugehört, als Giannis über die letzten Wochen mehrfach seine Zukunft in Milwaukee in Frage stellte und an die Bedingung knüpfte, dass in der Franchise alles für weitere Meisterschaften getan werde. Wer weiß, ob sie um Lillard auch sonst mitgeboten hätten, es ist unerheblich: Milwaukee ist durch diesen Trade so sehr all-in, wie man nur irgendwie sein kann.
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Über die nächsten sieben Jahre haben die Bucks nicht mehr die Kontrolle über ihre Erstrundenpicks, jeder einzelne wurde entweder getradet oder ein anderes Team hat die Möglichkeit, sich die jeweils bessere Draft-Position zu ertauschen. Das bedeutet, dass es kein Sicherheitsnetz mehr gibt, sollten Lillard, Khris Middleton und Brook Lopez (allesamt Ü30) altern und Giannis dann doch bald entscheiden, dass er nicht bleiben möchte. Ein Rebuild via Draft Lottery wäre in diesem Fall erstmal keine Option.
Aber es geht in Milwaukee vorerst nicht um diese Eventualitäten. Stattdessen sollen die nächsten zwei, vielleicht drei Jahre maximiert werden und wenigstens ein weiterer Titel seinen Weg in den Trophäenschrank finden. Milwaukee tauschte dafür einen der besten Flügel-Verteidiger der Liga in Holiday in einen der noch immer besten Offensivspieler der Liga ein. Und der Fit von Lillard in Milwaukee scheint so logisch, dass es paradox wirkt, dass über die vergangenen Monate so selten über die Bucks gesprochen wurde.
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Neue Dimension für Offensiv-Spiel
Lillard gibt den Bucks mit seinem Shooting und seiner Brillanz im Pick’n’Roll eine Komponente, die Giannis in dieser Form noch nie an seiner Seite hatte. Über die letzten Jahre war Lillard, wann immer er gesund war, stets mindestens im 90. Perzentil aller P&R-Ballhandler unterwegs, vergangene Saison war er unter allen Spielern mit mindestens 10 Pick’n’Roll-Plays pro Spiel mit Abstand der effizienteste (1,13 Punkte pro Possession). Dabei hieß sein häufigster Roll-Partner Drew Eubanks, nicht Antetokounmpo.
Giannis kann selbst als Ballhandler fungieren, ist eigentlich jedoch am gefährlichsten, wenn er selbst hart abrollt und den Ball in Bewegung erhält, wie beispielsweise in der Meistersaison sehr oft gesehen, als ihn zumeist Middleton stark in Szene setzte. Wenn sich Giannis bereit erklärt, wieder etwas mehr diese Rolle einzunehmen, könnten Lillard und er zum besten Duo dieser Art in der Liga werden. Und Lillard könnte die ordnende Hand werden, die den Bucks in den vergangenen Jahren in der Crunchtime teilweise schmerzlich fehlte (Spiel 5 gegen Miami vor wenigen Monaten dient als jüngstes Anschauungsbeispiel von vielen).
Auch Lillard wird sich dabei etwas anpassen müssen. Seit Jahren hatte er in Portland keinen All-Star mehr an seiner Seite, noch nie ein Kaliber wie Giannis. Auch Middleton wird weiter Plays als Ballhandler initiieren. Lillard schafft abseits des Balles für beide schon aufgrund des Wurfes einen gewissen Platz – noch viel wertvoller wäre es aber, wenn er sich in diesen Situationen mehr bewegt, um die Defense weiter zu beschäftigen.
Furchteinflößende Aussichten
Die gute Nachricht ist, dass er schon in der vergangenen Saison endlich große Schritte in diese Richtung machte und seine Gravity deutlich besser einsetzte als in vielen vorigen Jahren. In diesem Bucks-Team kann und sollte er dadurch mehr einfache Würfe bekommen, als er sie in seinen Prime-Jahren jemals hatte.
Es ist eine furchteinflößende Vorstellung für den Rest der Liga: Milwaukee war selbst im Meisterjahr kein überragendes Offensiv-Team, vergangene Saison belegten die Bucks beim Rating Platz 13. Lillard verhalf selbst ziemlich schwachen Teams immer wieder zu Top-Offenses. Auch letzte Saison, als Portland 33 Siege holte, erzielten die Blazers mit Lillard auf dem Court 120,3 Punkte pro 100 Ballbesitzen, was für Platz 1 in der Liga gereicht hätte.
Defensiv ist Lillard derweil ein riesiges Downgrade im Vergleich zu Holiday. Mit Jevon Carter hat auch der andere Top-Point-of-Attack-Verteidiger das Team in der Offseason verlassen, Holiday allerdings verteidigte regelmäßig auch die besten Wings des Gegners, unabhängig von der Größe. Diese Aufgaben müssen die Bucks nun anderweitig verteilen, vielleicht ist ihr letzter Move in dieser Hinsicht auch noch nicht getätigt (Middleton, Pat Connaughton oder Jae Crowder sind nicht unbedingt die Antwort auf Jayson Tatum, beispielsweise).
Defense als Schlüssel
Immerhin haben sie mit Giannis und Brook Lopez weiterhin das beste Rim-Protection-Duo der NBA, haben also weiter eine gewisse defensive Basis, um auch einen miesen Verteidiger wie Lillard beschützen zu können. Vielleicht wird der neue Coach Adrian Griffin auch öfter mal Giannis gegen balldominante Wings stellen, was Vorgänger Mike Budenholzer höchst ungern ausprobierte.
Die Defense wird letztendlich darüber entscheiden, ob dieses Experiment im Sinne von Titeln funktioniert. Die Gesundheit auch – gerade Middleton war seit dem Titel selten dauerhaft gesund beziehungsweise auf dem vorigen Level unterwegs. Es ist ein großes Risiko, welches die Bucks hier eingegangen sind, ohne Zweifel. Aber es ist auch nachvollziehbar.
Jeder in der Franchise weiß, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis in Wisconsin mal wieder ein Spieler wie Antetokounmpo aufkreuzt, der mehrere MVPs abräumt und über Jahre in der "bester Spieler der Welt"-Konversation unter den ersten Namen auftaucht, die genannt werden. Da ist es nur folgerichtig, das Maximum aus der Zeit herausholen zu wollen, die so ein Spieler beim Team verbringt. Selbst wenn es danach dann erstmal richtig düster werden kann.
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Der Lillard-Trade aus Sicht der Suns
Seit dem schockierenden Aus in den Conference Semifinals gegen Dallas 2022 war es ein offenes Geheimnis, dass Phoenix und Ayton keine innige Liebesbeziehung miteinander führten. Der Center unterschrieb als Restricted Free Agent in Indiana, damit zogen die Suns jedoch gleich, um das Asset nicht zu verlieren. Ein Trade schien jedoch weiter einigermaßen logisch, gerade nach den Moves für Kevin Durant und Bradley Beal, die Phoenix zu einem Star-lastigen Team machten, in dem Ayton eher nicht die Würfe bekommen würde, die er gerne hätte.
Nun haben die Suns ihn abgegeben – für etwas mehr Tiefe und Flexibilität, gewissermaßen. Qualitativ haben die Suns sich zumindest auf der Fünf klar verschlechtert. Nurkic hat nach seinen Verletzungen defensiv Rückschritte gemacht und war vergangene Saison der "Anker" der viertschlechtesten Defense der NBA, die sogar etwas besser aussah, wenn sein Backup Eubanks (der nun übrigens auch für die Suns spielt) auf dem Court stand.
Eubanks ist Stand jetzt womöglich sogar offensiv ein etwas besserer Fit neben den Perimeter-Stars, weil er sich vorne nahezu komplett auf Drecksarbeit beschränkt und keine Ansprüche stellt, während Nurkic in Portland stets ein tragender Faktor in der Offensive mit recht hoher Usage war (kurioserweise ist er dabei ein wesentlich schwächerer Finisher als Ayton).
Suns gewinnen Tiefe
Der Bosnier hat sich über die vergangenen Jahre einen Wurf aus der Distanz angeeignet, ist ein guter Passer und Screener. Offensiv bringt er durchaus einiges mit, die Frage ist allerdings, wie viele dieser Fähigkeiten die Suns in ihrer neuen Offense wirklich brauchen. Es ist gut möglich, dass Nurkic nicht lange in Phoenix bleibt oder dass die Suns am Ende von Spielen ohnehin besser damit fahren, "klein" zu spielen und nominell beispielsweise Durant oder Yuta Watanabe als Center einzusetzen. Oder eben den mobileren Eubanks.
Ihre Tiefe auf dem Flügel ist durch diesen Trade noch besser geworden. Gerade Nassir Little ist mit seiner Kombination aus Länge, Athletik und mittlerweile zumindest annehmbarem Wurf (zuletzt 36,7 Prozent Dreier) sogar ein Kandidat für die Starting Five, da er das Team auch defensiv besser machen und Aufgaben übernehmen kann, die man den Stars Booker, Durant und Beal eher nicht über das ganze Spiel zumuten möchte.
Flexibilität für Phoenix
Allen ist ein sehr guter Shooter (Karriere: 39,5 Prozent Dreier) und weiß, wie man offensiv neben Stars koexistiert. In den Playoffs ist er defensiv angreifbar, jedoch nicht so schlecht wie sein Ruf. Und Phoenix hat im Zweifelsfall ohnehin noch andere Optionen im Kader, aktuell auch noch Johnson, wobei dieser womöglich noch vor Saisonstart weitergeschickt oder entlassen wird. Aktuell haben die Suns noch zu viele Spieler für ihre 15 Kaderplätze.
Stand jetzt ist die Variabilität ohnehin der primäre Gewinn für Phoenix. Durch die Minimum-Signings und diesen Trade haben die Suns jede Menge Rollenspieler, deren Fit neben ihrem Star-Trio sie bis zur Trade Deadline evaluieren können. Das Vertrauen in Ayton hatten sie ohnehin verloren, entsprechend ergab es Sinn, dessen großen Vertrag in mehrere Rollenspieler einzutauschen – auch wenn sich erst zeigen muss, wie sehr diese Rollenspieler dem Team am Ende wirklich helfen.
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Der Lillard-Trade aus Sicht der Blazers
Die Blazers haben endlich Klarheit. In einer Hinsicht zumindest. Bei Holiday muss sich Portland noch überlegen, was passiert – nach dem Trade kursierten umgehend Gerüchte, dass diverse Contender den letztjährigen All-Star gerne haben möchten, womöglich könnte Portland also ein Wettbieten für ihn veranstalten und die Asset-Schatulle noch weiter auffüllen. Vielleicht wird Holiday prompt zum Plan B für Miami, in gewisser Weise passt er als Two-Way-Player ohnehin fast besser in die Heat Culture als Lillard … vielleicht reichen Miamis Offerten aber auch in diesem Fall nicht.
Holiday ist ein paar Wochen älter als Lillard (33), passt insofern ebenso wenig in die Timeline von Scoot Henderson und Shaedon Sharpe wie der Spieler, für den er getradet wurde. Es scheint trotzdem nicht komplett ausgeschlossen, dass die Blazers ihn vorerst behalten, da Holiday als eins der besten "Vorbilder" der Liga gilt und die jungen Guards auch an die Hand nehmen könnte.
Wahrscheinlicher scheint jedoch ein Deal von Holiday, und potenziell auch noch ein weiterer für Jerami Grant, der in der Offseason um fünf Jahre und 160 Millionen Dollar verlängerte, in einem Rebuilding Team eigentlich aber fehl am Platze ist. Für den Moment haben sich die Blazers zumindest den größten Druck genommen und einen Deal für ihre große Franchise-Legende gefunden, bevor das Training Camp startet und bevor es potenziell richtig unangenehm hätte werden können.
Bilanz für Portland muss abgewartet werden
Der Gegenwert ist nicht vergleichbar mit den Paketen, die beispielsweise für Rudy Gobert oder Kevin Durant gezahlt wurden, aber die Situation war auch eine andere – und der Pick ist nicht zu verachten. 2029 wird Lillard 38 sein und Giannis, sollte er verlängern, auch schon 34. Die Chance ist recht groß, dass die Bucks zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gut sein werden und der Pick, aber auch die Swap-Möglichkeiten den Blazers dann wirklich gute(n) Gegenwert(e) bescheren werden.
An Ayton wiederum scheiden sich nicht nur in Phoenix seit längerem die Geister. Fast jedes NBA-Team würde gerne den Center haben, mit dem die Suns 2021 die Finals erreichten, als Ayton offensiv als Screener und Finisher seinen Job erledigte und defensiv gegen fast alle Matchups funktionierte (ausgenommen: die Bucks mit Giannis).
Ayton kann sich noch entwickeln
Dieser Center wurde seither jedoch nicht mehr so oft gesehen, Ayton stagnierte in seiner Entwicklung und frustrierte die Suns mit seiner oft passiven Körpersprache immer wieder. In den vergangenen Playoffs wirkte er phasenweise fast apathisch, gerade defensiv. Dass Phoenix keinen Erstrundenpick oder High-Level-Rollenspieler für ihn zurückforderte und in diesem Deal trotzdem abgab, spricht in dieser Hinsicht Bände. Noch vor zwei Jahren galt er als Kernstück der Suns-Zukunft.
Die gute Nachricht lautet, dass Ayton noch immer erst 25 ist und bei allen Frustrationen ein überdurchschnittlicher NBA-Center bleibt. Vielleicht bringt der Szenenwechsel die Karriere des früheren Nr.1-Picks wieder in die richtige Spur, vielleicht bildet er langfristig ein gutes Tandem mit Henderson und hilft dem neuen Franchise-Player bei dessen Entwicklung.
In jedem Fall haben es die Blazers vorerst geschafft, die Lillard-Ära zum Ende zu bringen mit einem Deal, bei dem sie sich nicht für ein unzufriedenstellendes Angebot verbiegen mussten und Dame trotzdem in eine Situation traden konnten, die diesem gefällt. Es kann ohne emotionales Gepäck nach vorne geblickt werden. Das ist schon viel wert, auch wenn General Manager Joe Cronin voraussichtlich in den kommenden Tagen noch einiges mehr zu tun haben wird.