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NBA Finals - Dallas Mavericks vor Spiel 2: Das Porzingis-Problem und die eigene Aggressivität
- Aktualisiert: 09.06.2024
- 15:33 Uhr
- Seb Dumitru
Sieben der vergangenen zehn NBA-Champions gewannen Spiel eins. Boston führt gegen Dallas 1:0. Um den Trend umzukehren, müssen die Mavericks in Spiel 2 (in der Nacht zu Montag ab 2:00 Uhr im Liveticker) nicht nur ein Alptraum-verursachendes Einhorn in den Griff bekommen, sondern ein paar überlebenswichtige Anpassungen treffen.
Von Seb Dumitru
Boston ist endlich wieder komplett. Wenn ihr 2,18 Meter Einhorn die Zone patroulliert und das Spielfeld im Angriff bis weit hinter die 7,24-Meter-Linie vergrößert, scheint dieses Team unbezwingbar zu sein. So auch in Spiel eins dieser NBA Finals. Mehr als fünf Wochen war Kristaps Porzingis außer Gefecht – nicht, dass die Celtics ihn während eines der einfachsten Playoff-Runs aller Zeiten vermisst hätten.
Aber mit ihm wirken sie plötzlich wieder wie das schier unbezwingbare Schwergewicht, das zwischen Oktober und April durch die Association rasierte. Wie eine klare Nummer eins, mit dem besten Kader weit und breit, ohne erkennbare Schwächen.
Zum ersten Mal seit 2017 und erst zum zweiten Mal überhaupt in der NBA kam der Lette von der Bank – und avancierte mit dem besten Viertel seiner Karriere zum Matchwinner. Am Ende standen 20 Punkte und drei Blocks in nur 20 Minuten neben seinem Namen im Boxscore.
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Seit Kevin McHale 1984 hat kein anderer Spieler in den NBA Finals minimum 20 Punkte und drei Blocks von der Bank zustande gebracht. Erst zum fünften Mal seit 2000 erzielte ein Akteur bei seinem Finals-Debüt 18 Punkte oder mehr in der ersten Halbzeit.
Das Wichtigste in Kürze
Porzingis war der effiziente Post Scorer der abgelaufenen Saison
Seine elf Punkte und zwei Blocks in den ersten sieben Minuten direkt nach der Einwechslung ließen Bostons Führung auf 17 Punkte anschwellen – irgendwie schon die Vorentscheidung im Spiel. Der letale Lette zeigte sein volles Offensiv-Arsenal: Ein Mid-Post-Up gegen Jaden Hardy, bei dem Porzingis einfach über ihn hinweg warf. Ein Drive gegen Dereck Lively und der krachende Dunk von links.
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Ein weiterer Post-Up am Zonenrand gegen Josh Green – und wieder der mühelose Wurf über den Mavs-Defender hinweg. Und schließlich der Transition Pull-Up Dreier aus mehr als neun Metern Entfernung. Auch im zweiten Viertel das gleiche Bild: Ein Pull-Up gegen Derrick Jones Jr., ein Pumpfake plus Jumpshot gegen Green... und schließlich der erste Sargnagel, ein Catch and Shoot Dreier aus knapp zehn Metern, direkt ins Gesicht von Luka Doncic. Das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt: Celtics 63, Mavericks 35.
Porzingis war der effiziente Post Scorer der abgelaufenen Saison – ein Unterschied wie Tag und Nacht gegenüber seinen Anfängen in der NBA, als er aufgrund seiner schwachen Basis routinemäßig in der Gegend herumgeschubst wurde. Heute macht er sich resolut Platz und bestraft Mismatches unerbittlich, indem er einfach und hochprozentig über seine Verteidiger hinweg wirft. "Er ist ein Matchup-Alptraum", sagt Derrick White. "Selbst wenn du ihn gut verteidigst – er sieht dich kaum. In der Defense nutzt er seine Länge ausgezeichnet. Er beeinflusst das Spiel auf so viele Weisen, er macht uns zu einem viel besseren Team."
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Vielleicht dachten die Mavericks, Porzingis sei nicht bei 100 Prozent. Das ist verständlich, denn weder der Lette selbst noch die Celtics wussten, wie er auf die Belastung nach mehr als einem Monat Pause reagieren würde – ergo stand auch Al Horford in der ersten Fünf, anstatt des etatmäßigen Starting Centers.
Aber anstatt Porzingis immer wieder im Eins-gegen-Eins am Ring herauszufordern, täten die Mavs besser daran, ihn zu lateralen Bewegungen im Halbfeld zu drängen. In der Restricted Area ist Porzingis fast unbezwingbar. Seine 1,9 Blocks pro Partie waren gut genug für Rang neun in der NBA. Er erlaubte nur 49,7 Prozent Trefferquote im Interieur (weniger als zwei Meter vom Ring entfernt) und war damit der statistisch zweitbeste Innenverteidiger nach dem Defensive Player of the Year, Rudy Gobert (49,4 Prozent gestattete FG). Porzingis' Präsenz verringert gegnerische Trefferquoten um unfassbare 13,7 Prozentpunkte, wenn er innen verteidigt.
Dank Porzingis konnte Celtics-Coach Joe Mazzulla auf seine altbekannte Acht-Mann-Rotation aus der regulären zurückgreifen: Jayson Tatum, Jaylen Brown, Jrue Holiday und White am Halbkreis; Porzingis und Horford als Big Men; und Payton Pritchard plus Sam Hauser von der Bank. Dass Boston keinen dieser Spieler hinten verstecken muss, und bis auf Porzingis alle switchen können, macht dieses Team nicht nur zum defensiv variabelsten, sondern auch zum undurchdringlichsten.
Kyrie, Luka & die anderen Mavs müssen aggressiver sein
Bostons Fähigkeit, zu verteidigen, ohne Hilfe zu schicken, machte den Mavericks das Leben schwer und brachte ihre gesamte Angriffsstrategie zum Implodieren. Boston blieb diszipliniert bei seinem Switching Schema von Position eins bis vier, mit Porzingis in Drop Coverage, und verleitete Doncic so zunehmend zu Iso-Ball. Boston blitzte Doncic nur zwei Mal im Pick-and-Roll.
Das nahm Dallas' wichtigstes Angriffs-Tool aus der Werkzeugkiste, führte zur schlechtesten Assist-Rate in den Playoffs seit 1976, mickrigen drei Mavs-Versuchen aus der Dreier-Ecke (nur drei Prozent aller Wurfversuche) und keinem einzigen Lob-Pass. Normalerweise nehmen die Mavs in diesen Playoffs mehr als 13 Prozent ihrer Würfe aus der Ecke und verwandeln mehr als drei Alley-Oop Dunks pro Partie (54 insgesamt, das nächstbeste Team kommt auf neun). Nur neun Assists bei elf Ballverlusten als Team und ein Playoff-Tiefswert von 89 Punkten sprachen Bände.
Obwohl Doncic als erst vierter Spieler in den letzten 50 Jahren (und erster seit Tim Duncan 1999) ein 30-Punkte-Double-Double bei seinem Finals-Debüt aufs Parkett legte, blieb er hinter den Erwartungen zurück. Normalerweise treffen seine Teamkollegen 57 Prozent nach Doncic-Vorlagen. In Spiel eins waren es nur 16 Prozent – ein Beweis für die schlechte Qualität der herausgespielten Chancen und die Zaghaftigkeit der Rollenspieler beim Abdrücken.
Kyrie Irving hatte derweil die schlechteste Shooting Performance seiner Finals Karriere: 6-19 aus dem Feld für mickrige zwölf Punkte und zwei Assists. Sein Plus-Minus (minus-19) war der schlechteste in diesen Playoffs und zweitschlechteste dieser gesamten Saison. Irving hat jetzt seine letzten elf Partien gegen Boston verloren.
"Ich muss besser sein, wir müssen besser sein", gab sich Irving nach Spiel eins selbstkritisch. "Unsere Energie und Ausführung war schwach. Es war das erste Mal für uns als Gruppe auf dieser Bühne, jetzt haben wir das überstanden. Es liegt an mir, als einer der Anführer des Teams, uns zu beruhigen und uns daran zu erinnern, dass wir auch ein großartiges Team sind."
Doncic: "Hatten nicht genug Energie"
Doncic war ebenso deutlich: "Wir müssen aggressiver spielen, von Anfang an. Wir hatten nicht genug Energie. Kyrie und ich müssen mehr kommunizieren auf dem Court als in Spiel eins. Da muss ich auf jeden Fall besser sein. Wir müssen den Ball besser laufen lassen und das Spiel mehr genießen. Und hinten müssen wir die Dreier viel enger decken und es ihnen schwerer machen, abzudrücken. Sie hatten zu viel Freiraum. Ihr Spacing ist großartig, sie haben exzellente Schützen, aber wir müssen ihnen diese Dreier wegnehmen. Die tun uns am meisten weh."
Boston nahm 15 mehr Dreier als Dallas und traf neun mehr – für einen 27-Punkte-Vorsprung von Downtown. Dallas hingegen hatte eine Dreier-Versuchs-Quote von nur 29 Prozent – weniger als jeder dritte Wurf kam also von Außen, ihr viertniedrigster Wert in dieser Saison. Das ist eine Strategie, die gegen diese Celtics zum Scheitern verurteilt ist. Zum Vergleich: Die Celtics hatten eine Dreier-Versuchs-Quote von 48 Prozent, fast die Hälfte all ihrer Würfe also. Dallas kann nicht das Volumen und die Qualität der Dreierversuche verlieren. Die Celtics stehen bei 8:0-Siegen in dieser Postseason, wenn sie 15 oder mehr Dreier treffen.
Dallas Mavericks: Adjustments und der Glaube an die eigenen Stärken
Um schon in Spiel zwei den Weg zurück in die Serie zu finden, müssen die Mavericks nicht nur das Alptraum-verursachende Einhorn in den Griff bekommen, sondern ein paar überlebenswichtige Anpassungen treffen. Natürlich müssen sowohl Irving als auch die Rollenspieler viel besser scoren, um mit der effizientesten und dominantesten Offense aller Zeiten Schritt halten zu können. Staggered Screens, Ball Screens, Flare Screens: Die Blöcke müssen noch höher gestellt und Freiräume noch resoluter kreiert werden. Mehr Drives, off-the-dribble Attacken und Irving mit Volldampf in den Catch und die Action sprinten zu lassen, würde die Defensive ebenso aufsprengen, wie Mismatches im Post zu attackieren.
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Auch Doncic muss viel direkter und aggressiver Nord-Süd gehen. Der Ball muss besser und viel frequenter durch die eigenen Reihen laufen, er blieb viel zu häufig kleben – eine Todsünde gegen gute Individual-Verteidiger. Nur neun Assists als Team sind unverzeihlich auf diesem Niveau – vor allem gegen ein defensiv so stabiles Team wie die Celtics, die sich ohnehin kaum aus ihrer Formation bringen lassen.
In der Defense müssen die Switches schneller, aber smarter kommen. Es darf nicht passieren, dass sich die kürzesten Spieler auf dem Parkett (Green, Hardy) immer wieder gegen Porzingis im Low oder Mid Post wiederfinden. Das sind automatische Punkte für den 2,18-Meter-Riesen. Vor allem zu Beginn der Partie wurden die Mavs von Bostons Five-Out Offense und "KP" im Post regelrecht zerstört. Das klappte ab dem zweiten Viertel viel besser, als sie die Celtics zu mehr Isolationen zwangen und weitaus weniger Dreierversuche zuließen (27 in Halbzeit eins, nur 15 nach der Pause).
Auch beim Hustle Game und an den Brettern sowie in der Zone müssen die Texaner ihre Vorteile viel aggressiver suchen. Das sind die wenigen Bereiche im Spiel, in denen sie besser aufgestellt sind als Boston. Es darf nicht sein, dass die Celtics sowohl das mathematisch überlegene Dreier-Game gewinnen und gleichzeitig 17 von 25 in der Zone schießen dürfen.
Mavericks vs. Celtics: Später auf Augenhöhe
Das katastrophale erste Viertel (20:37) mal außen vor, begegneten sich beide Teams in den verbleibenden 36 Minuten auf Augenhöhe (70:69 Celtics). Immerhin. Dallas gewann sowohl das dritte als auch das letzte Viertel – Grund genug für Kidd, in der Umkleide anschließend an die eigenen Stärken, die Länge einer Serie und auch an Spiel eins gegen die L.A. Clippers zu erinnern. Auch da lag Dallas mit 30 Punkten in Rückstand, kämpfte sich zurück, und obwohl es am Ende nicht ganz reichte, gewannen die Mavs Spiel zwei auswärts und später auch die Serie.
"Wir haben nicht gut gespielt in Game One", sagte Kidd. "Aber hier gerät niemand in Panik. Wir haben Spiel eins oft verloren und immer gut geantwortet. Das wird auch diesmal nicht anders sein. Das erste Viertel haben wir verbockt. Dann haben wir uns gut zurück gekämpft."
Dallas hat jetzt unter Coach Kidd sechs von sieben Game Ones verloren – darunter zwei in diesen Playoffs, jeweils zweistellig, gegen die Clippers und Thunder. Beide Male gewannen die Mavs vier der nächsten fünf Partien und damit die Serie in sechs. Mit bisher sechs von sieben gewonnenen Serien unter Kidd – die einzige Niederlage kam in den Conference Finals 2022 gegen den späteren Champion Golden State – haben diese Mavs bewiesen, dass sie sich auch von einem frühen Rückstand nicht in die Bredouille bringen lassen.
Wollen sie aber gegen eines der statistisch besten Teams der Geschichte nicht schon nach dieser Woche mit dem Rücken zur Wand stehen, ist ein kurzes Gedächtnis und viel Dringlichkeit gefordert. Boston ist nämlich ein anderes Biest. Die Celtics haben alle sechs Auswärtsspiele in diesen Playoffs gewonnen (6:0), haben während der Saison kein einziges Mal mehr als zwei Niederlagen in Folge kassiert, und stehen bei 42:1 all-time, wenn sie in einer Playoff-Serie 2:0 vorne liegen.