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NBA Finals 2024: Dallas Mavericks und die Schande hinter dem Erfolg
- Aktualisiert: 09.06.2024
- 14:37 Uhr
- Ole Frerks
Die Dallas Mavericks stehen zum dritten Mal in ihrer Franchise-Geschichte in den NBA Finals (live auf ProSieben MAXX und ran.de) - nur ein Jahr, nachdem sie die Playoffs komplett verpasst hatten. Das Kuriose daran ist: Ohne diese Enttäuschung wäre der Erfolg in diesem Jahr wohl gar nicht möglich gewesen.
Von Ole Frerks
Ein Jahr kann einen riesigen Unterschied machen. Nun, in diesem Fall etwas mehr als ein Jahr. Das Saisonende 2023 der Dallas Mavericks kam bereits im April und war schandhaft - Franchise Player Luka Doncic war sauer, große Teile der Fan- und Medienwelt angewidert. Die NBA reagierte erst recht angefressen.
"Die Aktionen der Mavericks haben unsere Fans und unsere Liga enttäuscht", hieß es im Statement von Joe Dumars, der im selben Zug eine 750.000-Dollar-Geldstrafe für den (damaligen) Mavs-Besitzer Mark Cuban verhängte. Weil Dallas im Saisonendspurt seine besten Spieler "schonte" und alles dafür tat, die Playoffs zu verpassen. Um die Chance auf den eigenen Erstrundenpick zu erhöhen, der nur Top-10-geschützt war und andernfalls an die New York Knicks gegangen wäre.
Dieser Schritt ergab Sinn, nüchtern betrachtet. Er war kein Einzelfall, im Gegenteil. Nur ging Dallas dabei, nicht zum ersten Mal, so subtil vor wie Doncic in seinen Diskussionen mit Schiedsrichtern. Cuban sagte bereits 2018 mal in einem Podcast: "Verlieren ist unsere beste Option", und wurde auch damals (für 600.000 Dollar) zur Kasse gebeten.
Im Liga-Büro (und nicht nur dort) weiß jeder, dass dieses Tanking durchaus oft Sinn für Teams ergeben kann. Es soll bloß idealerweise nicht so offen damit umgegangen werden. Die Mavs allerdings stehen nicht zuletzt aufgrund dieser kontroversen Entscheidung zum dritten Mal in ihrer Franchise-Geschichte in den NBA Finals.
Jetzt ist alles gut
Auch in diesem Jahr setzten die besten Mavs-Spieler die letzten beiden Spiele der Regular Season im April aus. Diesmal ging es dabei aber tatsächlich um Schonung vor den Playoffs – das Saisonende ist auch jetzt, fast zwei Monate später, noch immer nicht erreicht. Doncic ist überglücklich, Dallas wird für sein starkes, risikofreudiges Teambuilding gelobt.
Das hat auch seine Berechtigung. Der Trade für Kyrie Irving wurde ursprünglich (vor allem aus nicht-sportlichen Gründen) harsch kritisiert, sieht aktuell aber wie ein Hauptgewinn aus. Die Midseason-Transaktionen für Daniel Gafford und P.J. Washington waren langfristig riskant, haben aber dabei geholfen, das Team kurzfristig komplett zu transformieren.
Ein Schlüssel zum Erfolg war jedoch eben auch dieser Tanking-Move – weil er das größte junge Talent des Teams in den Kader brachte. Einen Spieler, der zwar nicht Tim Duncan und die 97er Spurs als bestmögliches Beispiel für "erfolgreiches Kurzzeit-Tanking" ablösen wird, der aber ebenfalls die Chance hat, die Trajektorie seiner Franchise komplett zu verändern.
Das Wichtigste in Kürze
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Dereck Lively: Kein gewöhnlicher Rookie
Eigentlich hat Dereck Lively II das jetzt schon getan. Der Big Man, den Dallas an Position 12 zog (der Nr.10-Pick sowie der Vertrag von Davis Bertans gingen dafür nach OKC), spielte von Tag 1 an ein bemerkenswertes Rookie-Jahr. In seinem ersten Spiel legte er 16 Punkte und 10 Rebounds auf und stellte einen gewissen Victor Wembanyama bei dessen Debüt in den Schatten.
Und so ging es weiter. Wann immer Lively zur Verfügung stand, lieferte er ab und entpuppte sich als großartiger Pick’n’Roll-Partner für Doncic. Er hatte immer wieder Ausfälle, aber über nahezu jedes seiner 55 Spiele war sein Impact zu spüren – mit 8,8 Punkten, 6,9 Rebounds und 74,7% aus dem Feld gehörte er zu den besten Rookies der Liga außerhalb der Wemby/Chet-Kategorie.
In den Playoffs knüpft er nahtlos daran an, nicht zuletzt im direkten Duell mit Holmgren in Runde zwei. Was umso bemerkenswerter ist, da sich der 20-Jährige inmitten einer persönlichen Tragödie befindet – unmittelbar vor den Playoffs verstarb seine Mutter an einem Krebsleiden. Es wäre vollkommen verständlich, wenn Lively derzeit physisch oder mit dem Kopf woanders wäre.
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Der drittbeste Mav in den Playoffs?
Es sieht aber nicht so aus. Stattdessen lässt sich sogar dafür argumentieren, dass Lively der drittwichtigste Mav in den Playoffs ist – nur vier Spieler haben einen höheren Plus/Minus-Wert als er (drei Celtics sowie Irving), nur ein Rookie in der Liga-Geschichte war bei seinen ersten Playoffs besser unterwegs (Manu Ginobili, damals fünfeinhalb Jahre älter als Lively heute).
Dieser positive Einfluss ist offensichtlich, sobald man die Mavericks und Lively derzeit spielen sieht. Er personifiziert die neu gewonnene Stärke der Mavs, die neben ihren beiden Star-Guards groß, athletisch und defensivstark geworden sind, wie kaum ein anderer. Lively kombiniert nahezu frenetische Energie und Hustle mit starkem Positionsspiel, offensiv wie defensiv.
Der Rookie ist ein exzellenter Finisher von Lob-Anspielen, aber er bringt noch viel mehr als das. Er ist ein starker Ringbeschützer, der mobil genug ist, um viele Drives von Perimeter-Spielern einzuschränken. In den Playoffs erlauben die Mavs in seinen Minuten bloß 106,3 Punkte pro 100 Ballbesitzen, schaffen es noch besser als mit Gafford, die Zone zum Sperrgebiet zu erklären.
Der Dynamo
Offensiv sticht zunächst die Dynamik ins Auge. Lively, der seit März von der Bank kommt, ist nahezu immer frischer als seine Gegenspieler und hat alle bisherigen Playoff-Gegner am offensiven Brett verrückt gemacht. Unter Spielern mit wenigstens 300 gespielten Minuten verzeichnete nur Isaiah Hartenstein eine höhere offensive Rebound-Rate (11,7%).
Er ist zudem ein exzellenter vertikaler Spacer; schon in der Regular Season zählte Lively zu den effizientesten Roll-Men der Liga, in den Playoffs produziert nur Al Horford unter allen aktiven Spielern einen höheren Wert pro Play (1,26), wobei der Celtics-Oldie zumeist per Jumper an seine Punkte kommt.
Lively hingegen stellt hohe Screens, rollt energisch Richtung Korb ab und drückt Lobs durch die Reuse. Allein in den Playoffs hat er schon 23 Alley-Oops versenkt, mehr als jedes andere TEAM in der Postseason (Gafford steht bei 18; Platz 2 OKC steht bei 9).
Lively erinnert in vielerlei Hinsicht an den alten Mavs-Center (und heutigen Assistant Coach) Tyson Chandler, der nicht aus Zufall als Mentor für ihn fungiert. Mavs-Coach Jason Kidd liebt diese Art von Spielertyp (Luka wohl auch) – seit der Verpflichtung von Gafford können die Mavericks 48 Minuten davon auf den Court stellen, wobei dieser Ansatz in den Finals auf die Probe gestellt wird, weil Boston als nahezu einziges Team Shooting auf allen fünf Positionen aufbieten und die Center damit in Richtung Perimeter ziehen kann.
Die dritte Säule
Lively hat allerdings die Mobilität, um auch gegen ein solches Team ein Faktor zu sein. Und: Er hat etwas, das weder Gafford noch Chandler jemals hatten: Er ist ein starker Passer aus der Bewegung heraus. Wenn die Defense Doncic (oder Irving) doppelt, ist er eine starke Outlet-Option, die in Überzahlsituationen schnell die richtige Entscheidung treffen kann.
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Vereinfacht gesagt ist er damit eine dritte Playmaking-Säule für Dallas, was mit erklärt, warum seine Minuten in der Postseason so viel erfolgreicher verlaufen als die von Gafford. Wenn er auf dem Court steht, hat die Defense weniger probate Optionen gegen die Star-Guards. Nicht zuletzt deshalb dominiert die Mavs-Offense in Livelys Minuten (Offensiv-Rating: 120,8), während sie in Gaffords Spielzeit unterdurchschnittlich aussieht (109,8).
Der Unterschied wurde besonders in Spiel 4 gegen Minnesota deutlich, als Lively wegen Problemen am Nacken fehlte und Dallas sein drittschlechtestes Offensivspiel dieser Playoffs zeigte (nach den Spielen 4 und 1 gegen OKC). Den Mavs fehlte etwas Glück in Sachen Shotmaking, aber eben auch eine zentrale Säule ihrer Offense.
Was lernen wir daraus?
Was wiederum den folgenden Unterschied erklärt: Spieler wie Gafford, so wertvoll sie auch sein können, kommen mal auf den Markt, auch für überschaubaren Gegenwert (Washington erhielt für den Center den Nr.26-Pick im kommenden Draft). Spieler mit den harten und soften Skills von Lively, die 2,16m groß sind mit der Beweglichkeit eines Guards, exzellenter Athletik und starkem Spielverständnis, tun das normalerweise nicht.
Man muss sie in der Regel draften. Und das muss bedacht werden, wenn man das nächste Mal verächtlich mit dem Finger auf Teams zeigt, die zum Ende einer Saison hin alles für Niederlagen tun – so zynisch das wirkt, eigentlich maximieren diese Teams nur ihre Erfolgschancen, selbst wenn es längst nicht immer so herausragend funktioniert wie in diesem Fall.
Es wäre – eigentlich – eher angebracht, den Mechanismus hinter diesen Schritten zu kritisieren als die Schritte selbst. Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag. Die Mavs werden glücklich sein, dass sie mit Dereck Lively in diese Finalserie gehen.