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Die NBA-Kolumne von NBA-Experte Ole Frerks

NBA-Kolumne: Boston Celtics und Dallas Mavericks - Geduld vs. Aktionismus

  • Aktualisiert: 11.07.2023
  • 10:47 Uhr
  • ran.de / Ole Frerks
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 Die Boston Celtics und Dallas Mavericks einigten sich vergangene Woche auf einen Sign-and-Trade für Grant Williams. Die beiden Franchises haben jedoch noch weitaus mehr Verbindungen miteinander – vor allem wegen zwei gescheiterten Experimenten.

Von Ole Frerks

Kontinuität ist ein rares Gut in der NBA. Es ist zwar anerkannt, wie wertvoll es sein kann, erreichbar ist es oft trotzdem nicht, weil damit so viele Herausforderungen verbunden sind. Kontinuität ist von menschlichen Faktoren abhängig (auf Team- und Spieler-Seite), sie braucht Vertrauen, sie ist teuer. Und das Gemeine ist: Selbst, wenn man geduldig ist und fast alles richtig macht, gibt es trotzdem keine Erfolgsgarantie. Der Faktor Glück spielt (unter anderem) schließlich auch seine Rolle.

Die Denver Nuggets wurden 2023 "belohnt" für ihre Geduld und ihr Vertrauen in ein Duo, das seit 2016 zusammenspielt und in der Zwischenzeit herausragend ergänzt wurde. Ein Vertrauen, das trotz der Verletzungen von Jamal Murray nicht bröckelte. Sie sind ein Paradebeispiel für Kontinuität, aber auch eine Ausnahmeerscheinung. Für jedes Denver gibt es mindestens ein Portland, eher mehr.

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Der Trade-Wunsch von Damian Lillard ist ein wahrscheinlicheres Ereignis als die Meisterschaft von Nikola Jokic bei dem Team, das ihn draftete. Die letzten drei Finals-MVPs zählten zwar zu dieser Kategorie, davor schafften es seit Dirk Nowitzki (2011) aber nur Kawhi Leonard (2014) und LeBron James (2016). Beide spielen seither für andere Teams, LeBron verbrachte schon zuvor vier Jahre in Miami. In der Regel bleiben Teams und ihre Superstars nicht (mehr) ewig zusammen.

Aktuell stehen in dieser Hinsicht unter anderem zwei Teams im Fokus, die erst in der Vorwoche einen Sign-and-Trade-Deal miteinander durchführten: Die Mavericks und Celtics. Nicht nur aufgrund des Deals, der Ex-Celtic Grand Williams nach Dallas brachte, gibt es einige Verbindungen zwischen ihren Situationen.

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Dallas Mavericks: Seit Jahren (zu) ungeduldig

Dallas hat seit 2018 seinen Franchise-Player. Jeder Move, den die Mavs seither getätigt haben, zielte darauf ab, das Team um Luka Doncic herum aufzustellen. Geduldig war dabei fast gar nichts – das alte "Regime" um Donnie Nelson ging schon in Doncic' Rookie-Saison mit dem Trade für Kristaps Porzingis und der darauffolgenden maximalen Vertragsverlängerung ein massives Risiko ein, seine Nachfolger um Nico Harrison knüpften bis dato nahtlos daran an.

Dallas handelte oft aktionistisch. Aus Doncic' Rookie-Saison sind noch vier Spieler im Kader (Doncic, Maxi Kleber, Dwight Powell, Tim Hardaway Jr.). Selbst von dem Team, das 2022 die Conference Finals erreichte, sind jetzt bloß noch diese Akteure sowie Josh Green übrig. Den besten Doncic-Mitspieler, den eigens in der zweiten Runde gedrafteten Jalen Brunson, verloren die Mavs direkt danach ersatzlos an die Knicks.

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Teilweise hatten die Mavs Pech bei ihren Moves, teilweise haben sie sich verzockt (etwa bei den frühen Verhandlungen mit Brunson). Das Resultat ist in jedem Fall, dass Dallas schon sehr viele seiner Teambuilding-Möglichkeiten ausgereizt hat und langsam aber sicher ziemlich unter Druck steht. Klar, Doncic ist noch für mindestens drei Jahre (plus Spieler-Option für 26/27) unter Vertrag – es ist aber absehbar, wie viel das wert ist, wenn Dallas noch einmal sogar das Play-In verpassen sollte.

Mavericks mit guter Offseason

Auf dem Papier war die Offseason für die Mavs bisher sehr erfolgreich. Der auslaufende Vertrag von Kyrie Irving wurde (unter der maximal möglichen Summe und Laufzeit) verlängert, was nach dem Trade vergangene Saison quasi alternativlos war. Brunson wäre verlässlicher und günstiger gewesen, aber dieser Fehler war jetzt eben nicht mehr zu beheben. Der Supporting Cast wurde transformiert.

Im Zuge des Drafts holten sich die Mavs vor allem Athletik und Länge in den Kader, insbesondere Olivier Maxence-Prosper (leichter: O-Max!) soll einigermaßen schnell eine Rolle spielen. Richaun Holmes kann Minuten auf der Fünf spielen, bis Nr.12-Pick Dereck Lively II "bereit" ist. NBA-Rückkehrer Dante Exum soll Defense im Backcourt bringen, Seth Curry soll werfen.

Und dann ist da Williams: Der bullige Combo-Forward ist de facto der Ersatz für Dorian Finney-Smith, der vergangene Saison für Irving getradet wurde. Auf der Vier soll er verteidigen, Spot-Up-Dreier treffen und Überzahlsituationen ausspielen, die durch die Penetration von Doncic und Irving entstehen. Seine Verantwortung mit dem Ball sollte größer sein als zuletzt in Boston.

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San Antonio wettet gegen die Mavs

Das kann ein guter Fit sein, auch wenn Williams nicht der (Wing-)Stopper ist, den die Mavs wohl eigentlich brauchen, und er zwar ein guter, aber nicht immer williger Spot-Up-Schütze ist. Er ist trotzdem ein fähiger Two-Way-Rollenspieler und damit eine Art von Spieler, von denen die Mavs noch immer zu wenige haben. Er hatte daher auch seinen Preis.

Dallas gab für ihn nicht nur Reggie Bullock ab, der bei dem Playoff-Run 2022 fast 40 Minuten pro Spiel auf dem Court stand und der beste Backcourt-Verteidiger im Kader war. Die Mavs einigten sich auch mit den Spurs auf einen ungeschützten 2030er Pick-Swap. Das ist eine Wette darauf, dass Doncic und die Mavs langfristig zusammen erfolgreich sein werden – die Spurs wetten dagegen.

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Auch dafür gibt es Gründe. Es fehlt an Draft-Assets und an finanziellem Spielraum, um weiter zu manövrieren. Der designierte Co-Star von Doncic steht, nun, nicht immer zur Verfügung. Die interessantesten jungen Spieler im Kader haben eher "guter Rollenspieler"- als "Star"-Upside. Die Defense ist noch immer suspekt, zumal die Mavs Matisse Thybulle nicht bekommen haben.

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Dallas: Das Risiko bleibt groß

Es stellt sich deshalb die Frage, wie viel besser die Mavs dadurch wirklich geworden sind. Die Offseason ist dabei noch nicht vorbei: Die Midlevel Exception steht ihnen immer noch zur Verfügung (Kandidaten wären Kelly Oubre Jr., Terence Davis oder (RFA) P.J. Washington) und ein Hardaway-Trade ist laut Marc Stein weiterhin zu erwarten. Aber ändert sich dadurch noch etwas Grundsätzliches?

Stand jetzt sind die Mavericks immer noch ein überragendes Offensiv-Team mit großen defensiven Fragezeichen, das sehr abhängig von seinen beiden besten Spielern bleiben wird. Viele Ballhandler haben sie abgesehen von Doncic und Irving (der 22/23 erstmals seit 2019 60 Spiele absolvierte) nicht. Vergangene Saison verpasste auch Doncic 16 Spiele und Dallas verlor elf davon.

Das soll alles nicht bedeuten, dass der Mix in Dallas nicht funktionieren KANN. Wie erwähnt, die Offseason war gemäß der Möglichkeiten bisher erfolgreich, Potenzial für 45+ Siege ist absolut gegeben. Aber es gibt, gerade in der unfassbar tiefen Western Conference, eben auch mehrere Szenarien, die Dallas in den Play-In-Rängen oder gar wieder außerhalb landen lassen könnte.

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Auch die Celtics werden ungeduldig

Dallas ist seit dem ersten Porzingis-Trade zu einem Team mit massiver Varianz geworden, was durch aufeinanderfolgende Saisons mit Conference Finals vs. Verpassen des Play-Ins gut verdeutlicht wird. Die Celtics wiederum waren über die letzten Jahre im Prinzip ein Muster an Konstanz – seit Jayson Tatum gedraftet wurde (2017), erreichten die Celtics in vier von sechs Jahren die Conference Finals und einmal (2022) die Finals.

Im Prinzip wäre Boston von allen aktuellen Kandidaten am ehesten dazu prädestiniert, auf eine Belohnung a la Denver zu hoffen, zumal die Celtics nun schon so oft nah dran waren. Auf der einen Seite tun sie das auch, falls Jaylen Brown wie erwartet seinen Supermax-Vertrag unterschreibt. Auf der anderen Seite war diese Offseason aber auch eine Entscheidung gegen Kontinuität. 

Der Begriff Aktionismus ist hier vielleicht übertrieben – aber auch die Celtics haben ihre Varianz nun massiv erhöht und in diesem Prozess auch gleich ihre Identität auf den Kopf gestellt. Der Abschied von Williams war dabei erwartbar, weitaus größer wiegt natürlich der Deal, der Marcus Smart nach Memphis und Doncic' alten Bekannten Porzingis nach Boston brachte.

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Boston gibt seinen Leader ab

Smart war seit Jahren der emotionale Anführer der Celtics. Er war auch der beste Passer im Kader und der Schlüssel für die vor allem 2022 so starke Switch-Defense, weil er als nomineller Point Guard auch Bigs verteidigen konnte. Es ließe sich ohne Augenzwinkern argumentieren, dass er zumindest situativ sogar ein besser Center-Verteidiger ist als der Center, für den er jetzt weggeschickt wurde.

Smart war aus Sicht des Front Office trotzdem ersetzbar. Vielleicht, weil seine Minuten an Derrick White gehen sollten, vielleicht, weil er seinen körperlichen Zenit überschritten hat, vielleicht auch aufgrund der Teamdynamik. Vielleicht lag es auch mehr an Porzingis, der nicht wie einst in Dallas als Superstar auf Augenhöhe mit Doncic, sondern eher als finales Puzzlestück geholt wurde.

Der Lette ist in jedem Fall ein völlig neuer Spielertyp für die Celtics. Er ist ein scorender Big, deutlich wurfwilliger als beispielsweise Williams oder auch Al Horford. Er war in Dallas kein guter Post-Spieler, in Washington hatte er damit vergangene Saison viel größeren Erfolg. Wenn er das konservieren kann und von jetzt an konsequent Mismatches bestraft, gibt er Boston eine andere Dimension, allerdings auch einen weiteren Spieler, der nicht unbedingt für sein Passspiel berühmt ist.

Boston: Die riskante Wette auf KP

Defensiv ist es fast noch interessanter, was Boston mit ihm vorhat. Seinen größten Wert hat er defensiv als Drop-Defender beziehungsweise Ringbeschützer, womit er sich insbesondere von Horford massiv unterscheidet. Welche Coverage wird Joe Mazzulla mit KP spielen lassen? Wie unterscheidet es sich, wenn oder falls er neben Robert Williams auf dem Court steht? 

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Boston hat mit Smart und Grant Williams verlässliche Rotationsspieler verloren. In Porzingis kam vermutlich mehr Talent, aber auch mehr Risiko. Der Lette gilt genau wie Robert Williams als verletzungsanfällig, Horford ist bald 40. Abgesehen von allen sportlichen Fragen ist die Frage, ob die drei Bigs (sowie Malcolm Brogdon) eine lange Saison mitsamt tiefem Playoff-Run überstehen können, wohl mindestens genauso relevant.

Wirklich tief ist der Kader Stand jetzt nicht, dafür aber schon sehr nah am gefürchteten Second Apron. Es bleibt abzuwarten, ob sie Werkzeuge wie die Taxpayer Midlevel Exception oder die Trade Exception aus dem Williams-Trade noch einsetzen, mit denen sie diese Grenze überschreiten würden. Schon jetzt winken den Celtics laut Spotrac knapp 22 Mio. Dollar Luxussteuer.

Boston: Sehr gut, aber auch gut genug?

Gut sein wird Boston ziemlich sicher sowieso – in der Spitze ist der Kader nach wie vor extrem stark besetzt und gerade Tatum verpasst in der Regel nicht viele Spiele. Entscheidend ist die Frage, ob sie besser sind, wenn es darauf kommt. Dieses Team war allen Indikatoren zufolge ja bereits gut genug, um Meister zu werden, landete in den vergangenen vier Jahren dreimal in der Top 2 beim Net-Rating.

2022 war Boston eine Stephen-Curry-Explosion von einer 3-1-Führung in den Finals entfernt. Viel näher kann man dem Ziel nicht kommen, ohne es zu erreichen. Es wäre vor diesem Hintergrund verständlich gewesen, wenn Boston weiter auf Kontinuität gesetzt hätte … doch nach den enttäuschenden Playoffs 2023 (die auch immerhin für Spiel 7 der Ost-Finals reichten) war das Vertrauen, zumindest in Teile des Kaders, offensichtlich aufgebraucht.

Jetzt ist es ausgerechnet der Spieler, mit dessen Trade Dallas vor über vier Jahren seine aktuellen Probleme einleitete, der Boston über die Türschwelle heben soll. Während die Mavs auf einen Spieler setzen, der seine letzten drei Teams – darunter auch die Celtics – im Schlechten verließ. Kontinuität ist auch deshalb so selten, weil die Teams, aber auch die Spieler permanent nach der für sie richtigen Situation suchen … und sich dabei nicht selten verirren. Man darf gespannt sein, wie es bei diesen beiden Teams und ihren Spielern ausgehen wird.

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