Basketball-WM
WM-Kolumne: Anthony Edwards und der "Sprung": Wird er der nächste Kevin Durant?
- Aktualisiert: 26.08.2023
- 15:11 Uhr
Team USA ist nicht mit seinen besten Spielern bei der Basketball-WM vertreten, favorisiert ist das vermeintliche "B-Team" trotzdem. Einer der Hauptgründe dafür ist Anthony Edwards, der in der Vorbereitung schon gezeigt hat, an welche Superstar-Leistungen er anknüpfen möchte. Gelingt dem 22-Jährigen der nächste Schritt?
Von Ole Frerks
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13 Jahre ist es nun her, dass Team USA sich im Vorfeld einer WM reihenweise Absagen einholte und eine Mannschaft nach Istanbul schicken musste, die nicht nur in den US-Medien als "B-Team" bezeichnet wurde. Aus heutiger Sicht ist das ein bisschen lustig, weil vier spätere MVPs Teil dieses Teams waren – sie standen allerdings noch am Anfang ihrer jeweiligen Karrieren.
Stephen Curry hatte gerade seine Rookie-Saison hinter sich gebracht, Russell Westbrook und Derrick Rose ihre jeweiligen Sophomore-Seasons. Der Star des Teams spielte immerhin schon drei Jahre in der NBA und war der amtierende Scoring-Champion, dennoch war er erst 21 Jahre alt und auf dieser internationalen Bühne unbewiesen. Sein Name: Kevin Durant.
KD trat damals nicht mit dem Anspruch an, der Chef auf dem Court zu sein – es ergab sich. 33, 38 und 28 Punkte erzielte er in den letzten drei Spielen des Turniers, führte die USA zur Goldmedaille im Finale gegen den Gastgeber. In der Nacherzählung seiner Karriere ist dieses Turnier so etwas wie der Erweckungsmoment, der endgültige Durchbruch eines der besten Scorer der Basketball-Geschichte.
So ähnlich soll es nun auch bei Anthony Edwards laufen.
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"Ant" ist Anfang August 22 geworden, ansonsten sind die Parallelen aber offensichtlich: Er hat gerade seine dritte Saison gespielt und ist erstmals All-Star geworden. Trotz seiner (einprägsamen) Rolle im Film "Hustle" spielt er, ähnlich wie Durant damals in OKC, im kleinen Markt Minnesota und hat noch keinen großen Playoff-Erfolg (aber einige starke individuelle Leistungen) vorzuweisen.
Der zweitjüngste soll Team USA tragen
Edwards kam, zumindest nach außen hin, nicht mit dem Anspruch zu Team USA, umgehend das Aushängeschild zu werden. Selbst in diesem jungen Kader ist nur Paolo Banchero jünger als er, als Anführer treten andere auf, insbesondere Knicks-Guard Jalen Brunson. Die Nr.1-Option jedoch, das hatten die Coaches angeblich von Anfang an geplant, ist eindeutig Edwards.
"Er ist ohne Frage 'the Guy'", bestätigte US-Coach Steve Kerr, nachdem Edwards im Test gegen Deutschland 34 Punkte aufgelegt hatte. "Man kann sehen, dass er es weiß. Aber das Team weiß es jetzt auch, und ich denke, die Fans sehen es. […] Er glaubt wirklich, dass er jeden Tag der beste Spieler in der Halle ist. Und er ist so ein dynamischer junger Spieler. Ich glaube, dass er einen Sprung macht."
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Edwards: "Verrückter" Dunk über Theis
Das Wort Sprung kann man bei Edwards wörtlich und im übertragenen Sinn anwenden. Wie hoch, schnell und wuchtig er springen kann, bekam am Sonntag Daniel Theis zu spüren, als Edwards ihn beidfüßig abgesprungen auf eins seiner patentierten Poster nahm. "Das war verrückt, auf jeden Fall", staunte Edwards selbst. Theis war nicht sein erstes Opfer und wird auch nicht das letzte sein.
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Selbst in der NBA gehört Edwards zum 100. Perzentil in Sachen Athletik und Power, er hebt sich in dieser Hinsicht ähnlich ab wie der junge LeBron James. Edwards spielte als Kind auch Baseball und
Football auf hohem Niveau, den Running-Back-Körper sieht man ihm auch heute noch an. Er ist einer dieser Typen, die vermutlich jede Sportart professionell betreiben könnten, wenn sie rechtzeitig damit angefangen hätten. Es ist schwer, ihm irgendetwas NICHT zuzutrauen.
Basketball nahm er rechtzeitig ernst genug, um 2020 als Nr.1-Pick von den Timberwolves gezogen zu werden. Und nun, das wäre die zweite Bedeutung des Sprungs, kommt Edwards langsam an den Punkt, wo er all die natürliche Begabung zusammenfügt und auf die nächste Stufe hebt.
Edwards: Er kann noch viel besser werden
Edwards klopfte über die vergangenen Jahre bereits an die Tür der Superstar-Kaste und verbesserte sich beständig. Punkteschnitt, Effizienz und Assists gingen in jeder Saison nach oben, zuletzt waren es 24,6 Punkte im Schnitt bei 56,4 Prozent True Shooting und 4,4 Vorlagen pro Spiel, defensiv hat er beste Anlagen. Dabei gibt es noch immer viel, was Edwards verbessern kann.
Zum einen ist da der Jumpshot. Fällt der Wurf, gibt es quasi kein Mittel gegen Edwards, bisher hat er jedoch noch regelmäßig kühle Phasen, gerade aus dem Dribbling. Nur 35 Prozent seiner Pullup-Jumper finden ihr Ziel, das ist der schlechteste Wert ligaweit unter allen Spielern, die mindestens sieben dieser Würfe pro Spiel loswerden.
Edwards braucht diese Würfe, ist bisweilen aber zu stark auf sie fokussiert. Mit seinem Drive kann er noch mehr Druck auf die Defense ausüben, eben weil er so schnell, stark und athletisch ist und starkes Ballgefühl mitbringt. In wenigen Jahren sollte er zu den Spielern mit den meisten Freiwürfen pro Spiel in der Liga werden, aktuell "nur" 5,3 Freebies sind eigentlich zu wenig.
Teilweise ist es hier an Edwards, sein Decision-Making zu verbessern und mehr Balance zu finden, wobei er dabei ohnehin Fortschritte macht. Teilweise muss allerdings auch sein Team in die Pflicht genommen werden. Leicht gemacht haben die Wolves es Edwards zuletzt nicht.
Wolves: Der Gobert-Trade als mögliches Desaster
Vor einem Jahr fädelten die Wolves einen Trade ein, der sich aufgrund der zukünftigen Implikationen als Desaster für die Franchise erweisen könnte, als sie für Rudy Gobert einen gehörigen Teil ihrer Rollenspieler-Tiefe und bis zu fünf Erstrundenpicks tradeten. Teil des Pakets war auch Edwards‘ neuer USA-Teamkollege Walker Kessler.
Durch den Trade für den nun 31-jährigen Gobert, der mit Frankreich zu den größten Konkurrenten der Amerikaner gehört, beschleunigten die Wolves ohne Not ihre Timeline und wirbelten ihr Teamkonzept durcheinander. Auf einmal standen zwei Bigs auf dem Court statt nur Karl-Anthony Towns, der offensiv ohnehin viel am Perimeter agiert. Das bedeutete bessere Defense, aber auch weniger Platz für Edwards-Drives, was dieser im November zugab, als er gefragt wurde, warum er bis dato noch keinen Dunk in der Saison hatte.
"Es stehen jetzt alle in der Zone. Ich bin bloß 1,93 m groß, ich kann nicht einfach über jeden drüber springen. Ich bin nicht so groß wie Giannis. Ich brauche eine Bahn zum Korb", sagte Edwards da. Es wirkte zu diesem Zeitpunkt, als hätten sich Front Office und Coaching Staff vor dem Trade nicht überlegt, was dieser Trade für ihr größtes Talent bedeuten würde.
Gründe zur Hoffnung in Minnesota
Towns und Gobert sind zudem jeweils Spieler mit Max-Verträgen, zu Beginn dieser Offseason wurde in Naz Reid noch ein weiterer Center anständig bezahlt. Kommende Saison geben die Wolves über 90 Millionen Dollar allein für die Position Fünf aus, Tendenz steigend in den nächsten Jahren (Stand jetzt 115 Mio. im Jahr 25/26). Das ist offensichtlich zu viel.
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Hoffnung gibt es in Minnesota dennoch; es gab vergangene Saison aufgrund von Verletzungen nur 26 Spiele, in denen Towns, Gobert und Edwards gemeinsam spielten, 13 davon wurden gewonnen, obwohl die Offense teils fürchterlich aussah. Mit Mike Conley Jr. kam erst während der Saison ein "echter" Point Guard zum Team, der insbesondere Gobert prompt besser aussehen ließ.
Minnesota kann sich durchaus einreden, dass dieses Quartett (ergänzt durch den starken 3-and-D-Forward Jaden McDaniels) mit etwas mehr Zeit besser funktionieren wird. Der größte Hoffnungsträger ist wiederum natürlich Edwards selbst, der anders als im Vorjahr jetzt auch "offiziell" der wichtigste Spieler der Franchise ist.
Minnesota: Es muss (schnell) funktionieren
Das Problem ist bloß, dass es eigentlich funktionieren muss, am besten sofort. Edwards hat ab der Saison 24/25 selbst einen Supermax-Vertrag, der ihm über fünf Jahre bis zu 260 Mio. Dollar einbringen wird, wenn er bestimmte Qualifikationen erfüllt. McDaniels will (und sollte) auch in Kürze bezahlt werden. Die Center sind so teuer, dass das wohl nicht auf Dauer alles bezahlbar ist.
Die Uhr tickt, zumal Spieler wie Edwards früher oder später gewinnen müssen. Gerade in kleinen Märkten. KD schaffte es zwei Jahre nach der legendären Istanbuler Performance mit OKC in die Finals. Für Minnesota ist es wichtig, nächste Saison zumindest einen Weg aufzuzeigen, wie sich das Team in diese Richtung bewegen könnte. Es muss vorangehen, auf die Franchise wartet ein Schicksalsjahr.
Verglichen damit ist die Situation bei Team USA unkompliziert. Edwards muss hier einfach nur sein Ding machen, hat das ultra-grüne Licht, darf und soll werfen, sobald er Platz sieht. Und Platz ist gegeben, schließlich spielen die Amerikaner mit nur einem Big und exzellentem Spacing. Ideale Bedingungen für eine Abrissbirne wie Edwards.
Edwards: Der neue D-Wade?
"Wenn man über USA Basketball über die Jahre nachdenkt, gab es schon einige junge Spieler, die bei der WM oder Olympia einen Sprung gemacht haben, und ich denke, bei Anthony geschieht das gerade auch", sagte Kerr. Dessen Assistant Coach Erik Spoelstra pflichtete bei und fühlt sich durch Edwards noch an einen anderen frisch gekürten Hall-of-Famer erinnert.
"Es ist schwer, sich Anthony Edwards anzusehen und nicht Dwyane Wade zu sehen. Die Art, wie er sich bewegt, wie er den Wettbewerb annimmt, wie er die Zuschauer elektrisiert. Ja, er erinnert mich an Nummer drei", sagte Coach Spo, der wohl nach Kerr als Head Coach von Team USA fungieren wird.
Es wird sich zeigen, ob Edwards all diesen Vergleichen und Erwartungen gerecht werden kann. Die ganze (Basketball-)Welt sieht bei diesem Turnier zu – und ganz sicher auch die Wolves. Dieses Turnier könnte auch ihre Zukunft entscheidend mitprägen.