2. Bundesliga
Hamburger SV steuert Richtung Aufstieg: Wie der "Hamburger Jung" Merlin Polzin den HSV träumen lässt
- Veröffentlicht: 10.04.2025
- 18:08 Uhr
- Keenan Schieck
Der HSV steht unter Merlin Polzin sechs Spiele vor Saisonende an der Spitze der 2. Liga. Gelingt nun im siebten Anlauf der Sprung in die Bundesliga?
Von Keenan Schieck
"Jeder weiß, dass der HSV in die Bundesliga gehört. Es ist unser Job, dass wir dieses Ziel auch wirklich erreichen und den HSV wieder zu einem Bundesliga-Verein machen."
Eine Kampfansage, die Ludovit Reis Anfang März im Interview bei "Sport1" tätigte. Zu dem Zeitpunkt, vor dem 25. Spieltag der 2. Bundesliga, standen die Rothosen auf dem ersten Tabellenplatz. Das Aufstiegsrennen war komplett offen, mit 42 Punkten lag man lediglich vier Punkte vor Rang 8.
Zuvor setzte es eine 0:2-Niederlage in Paderborn. Die ersten Rufe wurden laut: Bricht der HSV jetzt wieder ein und verspielt den Traum von der Bundesliga wieder im berühmt-berüchtigten Frühling? Scheitert man auch im siebten Jahr unter einem weiteren Trainer am Aufstieg?
Frühlings-Fluch? Nicht mit dem HSV
Intern blieb es jedoch erstaunlich ruhig und zur Verwunderung vieler performte man im internen Angstmonat. Auf die Pleite gegen den SC Paderborn folgten starke Leistungen. Die Mannschaft von Merlin Polzin verzauberte die Fans mit einem 4:1-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf, nur um sechs Tage später Aufstiegs-Mitaspirant Magdeburg mit 3:0 aus deren Stadion zu schießen. Auch ein torloses Remis gegen den SV Elversberg verunsicherte die Mannschaft nicht.
Nach dem 3:0 in Nürnberg stehen die Chancen auf einen Aufstieg so gut wie selten zuvor. Mit 52 Punkten und einem überragenden Torverhältnis (+29) grüßen die Hanseaten auch nach dem März von der Tabellenspitze. Zum ersten Mal im siebten Jahr steht der HSV sechs Spieltage vor Schluss an der Spitze der 2. Bundesliga.
Sämtliche Statistiken untermalen die überragende Form der Hanseaten, die die meisten Tore der Saison (61) schossen und die zweitwenigsten (32) kassierten. Vor allem die Defensive, die unter Polzins Vorgänger Steffen Baumgart noch zu häufig wackelte, wurde stabilisiert: Mittlerweile spielte man achtmal zu null (Platz 3 in der Liga) und kassierte seit sieben Halbzeiten kein Gegentor.
Das Wichtigste zur 2. Bundesliga
Der HSV befindet sich in überragender Form und steht mittlerweile sechs Punkte vor dem Relegationsplatz. Ein Blick auf die Geschichte zeigt: Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel (1995/96) hat keine Mannschaft in der 2. Bundesliga einen derartigen Vorsprung verspielt.
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HSV: Volle Fahrt Voraus Richtung Erstklassigkeit
Ein Aufschwung, den man vor allem Polzin zu verdanken hat. Ende November, nach mehreren enttäuschenden Auftritten in der Liga, setzte es das Aus für Baumgart. Zu dem Zeitpunkt befand sich der HSV nach vier sieglosen Ligaspielen (zwei Remis, zwei Niederlagen) in Folge auf Rang 8 und drohte den Anschluss an die Spitze zu verlieren.
Die sportliche Leitung um Vorstand Sport Stefan Kuntz entschied sich kurzfristig, für die restlichen vier Spieltage der Hinrunde, auf den Co-Trainer von Baumgart zu setzen. Ein goldener Griff - der "Hamburger Jung" Polzin, als Notnagel geholt, überzeugte und erhielt das Vertrauen als neuer Cheftrainer.
In der Polzin-Tabelle (seit dem 14. Spieltag) steht der HSV an der Spitze. Dabei sammelte der 34-Jährige in 15 Spielen mit dem "Zweitliga-Dino" 32 Punkte - das entspricht einem Schnitt von 2,13.
Nur 13 Gegentore kassierte die Defensive um Daniel Heuer Fernandes (Bestwert) und traf gleichzeitig 33-mal ins gegnerische Tor, lediglich Magdeburg erzielte in diesem Zeitraum mehr eigene Treffer (34).
Anerkennende Worte erhält Polzin dabei auch von Kuntz. Im "Sport1"-Interview lobt der Funktionär die vierjährige Arbeit als Co-Trainer der Rauten: "Diese Zeit hat er extrem gut genutzt – vor allem aus einer beobachtenden Position heraus. Es ist ja nichts Neues, dass ein Co-Trainer die Spieler manchmal besser kennt als der Cheftrainer, weil sie sich ihm gegenüber eher öffnen."
Jean-Luc Dompe: Unterschiedsfaktor Polzin
Polzin und sein Co-Trainer Loic Fave haben den Umgang mit der Mannschaft perfektioniert. Vorgänger Baumgart tat sich in der Hinsicht zunehmend schwer. Ein Beispiel, das symbolisch für den Wandel steht, ist Jean-Luc Dompe.
Das Verhältnis zwischen dem derzeitigen Union-Trainer und dem Flügelstürmer galt als angespannt, auch weil Baumgart sehr hart mit dem Franzosen umging. Ein Beispiel: Laut Berichten der "Sport Bild" verbot der Trainer dem Flügelstürmer seine Fußballschuhe mit offenen Schnürsenkeln zu tragen - das kränkte Dompe dem Blatt zur Folge.
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Polzin gibt dem Franzosen mehr Freiheiten, auch mit Blick auf das Schuhwerk. "Es sind Fußballschuhe, in die man heutzutage reinschlüpft und die ohnehin einen festen, sicheren Halt geben. Wichtig ist, dass es kein Verletzungs-Risiko gibt", erklärt er der "Sport Bild".
Eine Philosophie, die der Fußballlehrer auch im Gespräch mit "NDR 90,3" verdeutlicht: "Das ist das, was uns auszeichnet, dass wir uns mit dem Menschen auseinandersetzen, um den Fußballer dann auch in seiner maximalen Stärke zu sehen."
Polzin und sein Trainerstab unterstellen alles dem sportlichen Erfolg, geben ihren Spielern den nötigen Freiraum und ernten Top-Leistungen. Dompe spielt seit Monaten überragend und steht in der Liga bereits bei acht Toren und zehn Vorlagen. Gegen Nürnberg machte der Linksaußen erneut den Unterschied aus, traf doppelt und legte das dritte Tor für Robert Glatzel mustergültig auf.
Eine Entwicklung, die auch Kuntz hervorhebt. "Er hat in der Persönlichkeitsentwicklung einen Schritt nach vorn gemacht. Aus einem Stammspieler wurde ein Führungsspieler", schwärmt der 62-Jährige gegenüber der "Sport Bild".
Wohlfühloase HSV? "Wir sind sehr kritisch"
Das Tor zum 3:0-Endstand war ein weiteres Symbol für den Aufschwung der Hansestädter. Robert "Bobby" Glatzel traf nach fünfmonatiger Verletzungspause erstmals wieder für den HSV und die gesamte Mannschaft fiel dem Stürmer um den Hals. Auch Torhüter Fernandes zog zum Sprint an, um mit seinem Teamkollegen zu jubeln.
Das Miteinander stimmt - Kapitän Sebastian Schonlau, unter Polzin lediglich zweite Geige, schwärmte in einer Medienrunde am Rande des Kurztrainingslagers von dem neu gewonnenen Teamgeist: "Als Team zu gewinnen und sich gemeinsam darüber zu freuen, sind die Gründe, warum du Teamsport betreibst. Das lebt diese Mannschaft. Da gehören alle Jungs dazu."
Dennoch stellt der Coach klar, dass der HSV keine reine Wohlfühloase ist. "Wir wollen tagtäglich besser werden, sind sehr kritisch, nicht nur im Trainerteam, sondern auch mit der Mannschaft", stellt der ehrgeizige Hamburger klar und führt fort: "Deshalb wollen wir sehr intensiv weiterarbeiten, wollen jeden Tag im Training das Maximum geben."
Um die Mannschaft für den Endspurt zu pushen, setzte das Trainerteam vor dem Spiel in Nürnberg ein Kurztrainingslager auf Mallorca an. Vor allem ein Thema wurde dabei besprochen, wie Polzin bei "NDR 90,3" verrät: "Kritik", ein Bereich, in dem Trainer und Mannschaft "noch Potenzial haben, uns zu verbessern."
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Perfektionist Polzin überlässt nichts dem Zufall, er glaubt fest an den Sprung in die Bundesliga. Das übertragt sich auch auf seine Spieler. "Mein Glaube ist immer bei 100 Prozent. Du musst daran glauben. Wenn du nicht daran glaubst, warum spielst du dann Fußball? Das ist meine Mentalität – und auch von der ganzen Mannschaft. Wir haben ein sehr gutes Gefühl in der Mannschaft", zeigt sich Reis bei "Liga-Zwei.de" mit breiter Brust.
HSV-Endprogramm: Das Zünglein an der Waage
Der Vize-Kapitän, der in fünf der letzten sechs Spiele die Binde am Arm trug, spielt nach seiner Verletzung groß auf und stabilisiert das Zentrum der Hamburger. Auch er blüht unter Polzin auf und schaffte den Sprung vom Reservisten zum unangefochtenen Spielführer. Eine Entwicklung, die neben Dompe und Reis auch eine Vielzahl weiterer Spieler durchlief.
So soll der Traum vom Aufstieg im siebten Jahr endlich wahr werden. Ein Blick auf das Restprogramm zeigt: Der HSV darf träumen - nein, er muss sogar träumen. Am Freitag empfängt man den 16. der Tabelle, Eintracht Braunschweig (ab 18:30 Uhr im Liveticker). Dann folgen Schalke (Platz 11), der Karlsruher SC (10), Darmstadt 98 (13), SSV Ulm (17) und zum Saisonfinale Greuther Fürth (14). Aus der oberen Tabellenhälfte muss die Elf von Polzin gegen keine Mannschaft mehr antreten.
Gelingt also der Aufstieg im siebten Anlauf? "Ich würde auf jeden Fall 'ja' sagen", präsentiert sich Glatzel bei der "MOPO" selbstbewusst.