Zweitligist entlässt Trainer nach 22 Spieltagen
Hertha BSC: Cristian Fiel ist nur das Bauernopfer - die Probleme liegen tiefer - Kommentar
- Aktualisiert: 18.02.2025
- 08:17 Uhr
- Marcel Schwenk
Hertha BSC enttäuscht in der 2. Bundesliga komplett, nach dem 1:2 in Düsseldorf musste Trainer Cristian Fiel gehen. Es ist der branchenübliche und auch gerechtfertigte Schritt, aber nicht viel mehr als der Versuch, diverse Baustellen zu kaschieren. Ein Kommentar.
von Marcel Schwenk
In Jahr zwei nach dem Bundesliga-Abstieg war klar, dass der Blick in der Saison 2024/25 nur nach oben gehen muss. Stattdessen steht Hertha BSC nach 22 Spieltagen abermals vor einem Scherbenhaufen und wechselt vor der entscheidenden Phase im Abstiegskampf der 2. Liga den Trainer.
Klar, der freigestellte Cristian Fiel lieferte aus rein sportlicher Perspektive wenig Pluspunkte für einen Verbleib. Er hielt konsequent an seinem System fest, konnte sein Spiel nicht flexibel umstellen, als es erforderlich war.
Er impfte seiner Mannschaft die Ballbesitz-Philosophie ein, ohne ihr einen Auftrag zu geben, was sie mit der Kugel anstellen soll. Er schaffte es nicht, Konstanz in die Leistungen zu bringen - außer zum Ende der Amtszeit, als die "Alte Dame" konstant nicht punktete.
Schwächen bei Standards zogen sich wie ein roter Faden durch die komplette Saison. Offensiv agierten die Blau-Weißen planlos, sobald der gegnerische Strafraum in Reichweite war. Defensiv gab es zu viele individuelle Fehler, um eine ernstzunehmende Rolle in dieser Liga zu spielen.
Das Wichtigste in Kürze
Hertha BSC: Individuelle Qualität schützt vor Pleiten nicht
Manchmal wirkte es so, als würden die Berliner nicht wissen, was es braucht, um im deutschen Unterhaus zu bestehen. Siege gegen Münster (1:2), Ulm (2:2) oder auch Regensburg (0:2) blieben nicht etwa aus, weil der Gegner den Hauptstadtklub an die Wand spielte.
Vielmehr hatte man den Eindruck, Hertha BSC würde sich darauf verlassen, dass die individuelle Qualität allein schon reichen wird, um zu punkten bzw. zu siegen - und wurde oft genug eines Besseren belehrt. Denn diese 2. Bundesliga verzeiht keine Unkonzentriertheiten, keine Spiele mit angezogener Handbremse, keinen fehlenden Willen. Dann frisst sie dich auf.
Fiel, der vor der Saison als ausdrücklicher Wunschkandidat der Bosse um Benjamin Weber und Andreas "Zecke" Neuendorf galt, kostete 400.000 Euro. Viel Geld für einen Trainer, wenn man wie Hertha eigentlich keines hat. Denn weder auf den Abgang von Marc-Oliver Kempf noch auf den von Haris Tabakovic konnte der Hauptstadtklub reagieren. Verkaufen musste man sie trotzdem, Stichwort finanzielle Schieflage.
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Der grundsätzliche Gedanke der Verantwortlichen, Fiel zu holen, weil er Talente fördert, ist lobenswert. Seine Vita hatte eine Anstellung trotzdem nicht hergegeben, weder in Dresden noch in Nürnberg hatte er Erfolg. Einen Punkteschnitt von mehr als 1,5 Zählern pro Partie erreichte er nirgendwo.
Auch wenn der Ex-Coach Fehler machte, stinkt der Fisch vom Kopf her. Fiel war Webers und Neuendorfs Aktie, der Kurs rauschte spätestens im Dezember komplett in den Keller. Und jetzt holen die beiden die Fehler des Sommers so richtig ein.
Hertha BSC: Reiß statt Fiel hätte weniger Angriffsfläche geboten
Denn dort ließ man - sehr zum Missfallen vieler Fans - U19-Coach Oliver Reiß nach 17 Jahren im Klub gehen. Er ist eines, wenn nicht DAS Gesicht der erfolgreichen Jugendarbeit der vergangenen Jahre.
Ibrahim Maza, Derry Scherhant, Pascal Klemens oder Linus Gechter - sie alle spielten (erfolgreich) unter Reiß, der vor der Saison Manchester Citys U18 übernahm. Eine Trainerposition im Profibereich, und nicht nur wie von Weber und Co. als Assistent eingeplant, hätte ihn wohl von einem Verbleib überzeugen können.
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Ob es mit ihm besser gelaufen wäre? Nichts weiter als Spekulation, erfahren werden wir es nie. Aber einen Versuch, der obendrein vermutlich wesentlich kostengünstiger gewesen wäre, wäre es wert gewesen. Lässt sich im Nachhinein natürlich immer leichter sagen.
Alles in allem bleibt festzuhalten: Es liegt auch, aber eben nicht nur an Fiel, dass Hertha nach dem 1:2 in Düsseldorf fünf Zähler vor dem Relegationsrang steht. Viele und langwierige Verletzungen von Schlüsselspielern (Fabian Reese, Kevin Sessa, Diego Demme), Lücken in der Kaderplanung oder grausige Transfers (Jon Dagur Thorsteinsson, Luca Schuler) gehen nicht auf sein Konto.
Daher sollte die Trennung vom 44-Jährigen auch nicht den Blick von Weber und Neuendorf lenken. Vielmehr liegt der Fokus jetzt zurecht komplett auf ihnen.