Neue Euphorie unterm Bayer-Kreuz
Bayer Leverkusen: Wie Simon Rolfes der beste Manager der Liga wurde
- Veröffentlicht: 05.10.2023
- 14:40 Uhr
Bei Bayer 04 Leverkusen läuft derzeit viel richtig. Der Fokus liegt dabei auf Trainer Xabi Alonso und seiner Mannschaft, die mitreißenden Fußball spielen lässt. Über den Macher des Erfolgs wird jedoch wenig gesprochen: Sportchef Simon Rolfes.
Von Kai Esser
"Es war sicher nicht unser bestes Spiel", bilanzierte Simon Rolfes nach dem 3:0-Erfolg von Bayer 04 Leverkusen beim 1. FSV Mainz 05.
Ein Erfolg der, das sollte wenige Stunden später klar sein, die Werkself wieder bis mindestens nächste Woche auf Tabellenplatz eins der Bundesliga befördern sollte. "Das ist natürlich nett", sagte Rolfes beinahe bescheiden im "Aktuellen Sportstudio": "Aber es ist so eng da oben und hoffentlich bleibt es auch so."
Dass Bayer 04 aktuell von der Spitze grüßt, hat vor allem, mit dem Namen Simon Rolfes zu tun. Innerhalb von einem Jahr hat er den Tabellenletzten zur spannendsten Mannschaft der Bundesliga gemacht.
Simon Rolfes: Ein Produkt der Rudi-Völler-Schule
Vorbereitet darauf wurde der mittlerweile 41-Jährige von niemand Geringerem als Rudi Völler. Eine Ikone bei Bayer 04, die den SVB auf den erfolgreichen Weg brachte, den er heute beschreitet. 2018 bis 2022 war Rolfes in der Völler'schen Sportgeschäftsführer-Schule und nebenbei für den Nachwuchs verantwortlich, ehe er die Geschicke bei der Werkself übernahm.
Dabei hätte der ehemalige Sechser wohl gar keine Ausbildung gebraucht. Zwischen seinem Karriereende und seinem Engagement bei Bayer 04 führte er mit einem Partner eine erfolgreiche Beraterfirma in Eschweiler, seiner Wahlheimat in der Städteregion Aachen, wo er seit seinem Wechsel zur ortsansässigen Alemannia im Jahr 2004 seinen Lebensmittelpunkt hat.
Von der Alemannia ging es 2005 zu Bayer Leverkusen, wo er 2015 seine Karriere als Fußballer beendete. Rolfes vereint alles, was sich ein Klub von seinem starken Mann wünscht. Identifikation mit dem Verein, Expertise und Erfahrung im Business des Fußballs.
Bei seiner Arbeit hilft es natürlich, dass sich der rheinische Medienrummel nicht auf die Werkself, sondern eher auf den 1. FC Köln konzentriert.
Simon Rolfes: Die schwerste Entscheidung gleich zu Beginn
Dabei war der Start von Rolfes' Amtszeit bei Bayer 04 ein unheimlich schwieriger. Nach sechs Niederlagen aus den ersten sieben Spielen der Saison 2022/23 stand Trainer Gerardo Seoane unter Druck - genau so wie Rolfes, der gerade erst angefangen hatte.
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Das Wichtigste zur Bundesliga
Nach einem kurzen Zwischenhoch und dem wichtigen Sieg in der Champions League gegen Atletico Madrid musste Rolfes dennoch im Oktober 2022 die Reißleine ziehen und Seoane entlassen. Eine Entscheidung, die sich als die wahrscheinlich beste der vergangenen zwölf Monate herausstellen sollte.
Als Nachfolger präsentierte der 41-Jährige nämlich niemand Geringeres als Xabi Alonso. Der Welt- und Europameister war heiß begehrt und wurde wenige Monate zuvor bereits bei Borussia Mönchengladbach gehandelt. Der Borussia sagte er aber ab, wie Alonso selbst später bestätigte - womöglich wegen mangelnder Perspektive.
Jene Perspektive konnten Rolfes und die Werkself ihm bieten. Überhaupt, Alonso und Rolfes sind auf einer Wellenlänge. Ihre Geburtstage liegen nur rund acht Wochen auseinander, beide sind ehemalige defensive Mittelfeldspieler auf Top-Niveau. Das gebürtige Nordlicht versteht, wie der Baske Fußball spielen lassen will und kauft dementsprechend ein. Dass der neue Sportchef dem Spanier auch einige Spielerwünsche erfüllen kann, die in Gladbach nur Träume geblieben wären, spielt logischerweise auch mit rein.
Simon Rolfes: Aus eins mach fünf
Allerdings nicht jeden. Noch bevor Alonso sein Büro in der BayArena einräumte, äußerte Flügelflitzer Moussa Diaby seinen Wechselwunsch. "Mein Traum ist die Premier League", sagte er damals. Jedoch gab Rolfes den Spielverderber und verwehrte einen Transfer. Einmal, weil Leverkusen große Ziele für die Saison hatte und auch, weil seine monetären Vorstellungen nicht erfüllt wurden.
Danach hörte man nichts mehr vom Franzosen, der sich fügte und eine prima Saison 2022/23 spielte. Erst der Fall Randal Kolo Muani zeigte, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Rolfes moderierte den Fall gut. Nachdem er seinen Marktwert noch einmal steigerte, wechselte er für 55 Millionen Euro nach England zu Aston Villa.
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Doch wie einst ein bekannter Politiker sagte, Probleme sind nur dornige Chancen. Und Rolfes machte aus der dornigen Chance das Beste, mit dem zusätzlichen Transferbudget kaufte er nach Alonsos Wünschen und Vorstellungen Spieler ein. Victor Boniface , Alejandro Grimaldo, Jonas Hofmann, Talent Nathan Tella und Granit Xhaka wurden mit dem Geld aus dem Diaby-Transfer verpflichtet. Das Saldo ist nach dem Gegenrechnen nur leicht im Minus, für einen Bundesligisten mit Leichtigkeit stemmbar.
Gerade Spieler wie Grimaldo oder Xhaka wurden nicht mit Geld, sondern mit dem Konzept Bayer 04 überzeugt. "Wenn es den Plan nicht gegeben hätte, hätte man mich hier nicht gesehen", sagte der ehemalige Kapitän des FC Arsenal. Alleine diese Jobbeschreibung zeigt, wie hochkarätig die neu transferierten Spieler sind.
Bayer Leverkusen: Eine Mannschaft, die das Stadion füllt
Es spiegelt sich auch in der Resonanz bei den Fans wider. Nicht nur Xabi Alonsos Ausstrahlung zieht die Massen zurück in die BayArena, sondern auch seine Art und Weise, Fußball spielen zu lassen.
Am 5. Spieltag der Bundesliga gastierte der 1. FC Heidenheim an einem Sonntag in Leverkusen. Ein Spiel, das vor ein paar Jahren vielleicht etwas mehr als 20.000 Zuschauer angezogen hätte, erhält heute ein ganz anderes Fan-Echo: Der Heimbereich der Arena war ausverkauft.
Drei Tage zuvor war der BK Häcken in der Europa League am Rhein Gast. Kämpfte der SVB bei solchen Partien vor Jahren noch um eine Zwei vorne bei der Zuschauerzahl, war auch bei der Partie am frühen Donnerstagabend der Heimbereich beinahe voll.
Es ist logisch, Erfolg zieht die Massen an. Aber die derzeit herrschende Euphorie unterm Bayer-Kreuz ist nicht zu vergleichen mit anderen erfolgreichen Mannschaften der Werkself aus der Vergangenheit.
Bayer Leverkusen ist gebaut für die Zukunft
Eine gute und ansehnliche Mannschaft zu haben ist das eine, sie aber auch im Kern zu halten ist das andere. Sportgeschäftsführer Simon Rolfes hat sich bereits frühzeitig um die Erhaltung seines Kaders gekümmert.
Erst zu Beginn der Saison verlängerte Innenverteidiger Edmond Tapsoba bis 2028. Danach folgte Erfolgstrainer Alonso bis 2026, der von Real Madrid heiß umworben war und noch immer wird. Weltmeister Exequel Palacisos war der nächste und zuletzt Laufwunder Jeremie Frimpong, beide bis 2028. Beide Spieler sind nicht weniger begehrt gewesen als ihr Hauptübungsleiter.
Überhaupt besitzen alle Leistungsträger in Leverkusen langfristige Verträge. Einzig Jonathan Tahs Vertrag gilt "nur" bis 2025, darüber hinaus sind alle wichtigen Spieler langfristig an Bayer 04 gebunden. Freilich, Verträge sind im modernen Fußball nicht mehr so viel wert, wie sie einst waren. Aber es gibt Rolfes eine gute Verhandlungsposition. Wer einen bis 2027 gebundenen Florian Wirtz verpflichten will, der muss eine sehr hohe Summe nach Leverkusen überweisen. Andernfalls bleibt er bei dem Verein, der ihn zum Profi machte.
Allerdings, der Vertrag eines wichtigen Akteurs läuft doch im kommenden Sommer aus: Der von Simon Rolfes.
Eine Verlängerung scheint jedoch beim bisherigen Resümee des ehemaligen Zweikampfmonsters nur eine Frage der Zeit zu sein.