Bundesliga
Eintracht Frankfurt vs. FC Bayern: "Für Vincent Kompany ist es zu früh" - Anthony Yeboah exklusiv
- Aktualisiert: 08.10.2024
- 13:00 Uhr
- Philipp Kessler
Der frühere Eintracht-Stürmer Anthony Yeboah spricht im ran-Interview über das Topspiel zwischen der SGE und dem FC Bayern, über seine eigene Karriere und Verhandlungen mit Uli Hoeneß.
Von Philipp Kessler
"Fußball 2000" - so wurde der zukunftsweisende Offensivstil, der Anfang der 90er Jahre von Eintracht Frankfurt gespielt wurde, getauft. Neben Jay-Jay Okocha, Andreas Möller, Uwe Bein und Maurizio Gaudino verzauberte auch Anthony Yeboah damals die Fans. Der Ghanaer wurde 1993 und 1994 Torschützenkönig der Bundesliga und schoss sich in die Herzen der Eintracht-Anhänger.
Heute ist die Stürmer-Legende in seiner Heimat im Immobiliengeschäft tätig und verfolgt seinen Ex-Club von Accra aus. Im exklusiven Interview mit ran spricht der 58-jährige Yeboah nicht nur über das Bundesliga-Topspiel zwischen Verfolger Frankfurt und Tabellenführer FC Bayern München am Sonntag (ab 17.30 Uhr im Liverticker auf ran), sondern auch über seine historische Zeit bei der SGE, das Jahrhundert-Tor von Okocha gegen Oliver Kahn, geplatzte Transfers und sein Leben nach der Fußball-Karriere.
ran: Herr Yeboah, am Sonntag empfängt Ihr Ex-Club den FC Bayern. Wo werden Sie das Spiel verfolgen?
Anthony Yeboah: In Accra. Aber leider kann ich die Partie in Ghana nicht live anschauen, die Bundesliga hier zu verfolgen, ist sehr schwierig. Ich werde allerdings regelmäßig das Ergebnis im Internet checken. Nach dem Spiel werde ich mir die Highlights ansehen.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Was für ein Spiel erwarten Sie?
Yeboah: Duelle gegen den FC Bayern sind immer besonders. Wenn man auf die Münchner trifft, sind sie meistens oben in der Tabelle. Man darf sie nicht unterschätzen. Bayern ist sehr stark. Zwar haben sie gegen Aston Villa am Mittwoch verloren. Aber eines ist dadurch auch klar: Sie sind nicht zu Späßen aufgelegt. Sie werden das Spiel sehr ernst nehmen und wollen auf keinen Fall zwei Mal in Serie verlieren. Es wird sehr schwierig. Frankfurt muss aufpassen. Aber die Eintracht wird top vorbereitet sein.
ran: In der Bundesliga liegt Frankfurt auf Platz zwei hinter dem FC Bayern, in vier der fünf Saisonspiele ging die Mannschaft als Sieger vom Platz. Auch in der Europa League gab es in Istanbul gegen Besiktas am Donnerstag einen 3:1-Erfolg. Wie schätzen Sie das Team ein?
Yeboah: Frankfurt hat viele Qualitätsspieler. Ich möchte gar keine Stars hervorheben. Denn manchmal geht es nicht um einzelne Spieler, sondern um das Team. Und das Team ist alles andere als schlecht.
Wie stoppt Eintracht Frankfurt Harry Kane?
ran: Nun muss die Eintracht Bayern-Stars wie Harry Kane stoppen.
Yeboah: Wenn man nur die Namen durchgeht, könnte man sagen, dass die Bayern Frankfurt mit 5:0 besiegen werden. Wenn man über Qualität spricht, ist Bayern ganz an der Spitze. Aber auch wenn es abgedroschen klingt: Im Fußball kann alles passieren.
ran: Im Sommer hat der FC Bayern überraschend Vincent Kompany von Premier-League-Absteiger Burnley zum neuen Trainer gemacht. Was denken Sie über ihn?
Yeboah: Als er als Bayern-Trainer präsentiert wurde, habe ich mir gedacht, dass er nicht viel Erfahrung als Coach mitbringt. Die Münchner hatten eigentlich immer einen der absoluten Top-Trainer. Kompany ist sehr gut, aber er hat seine Karriere als Trainer gerade erst begonnen. Vielleicht wird er in Zukunft einer der besten Coaches in Europa. Aber ich denke, aktuell ist es zu früh für ihn, Bayern zu trainieren.
ran: Was ist Ihr Tipp für das Spiel am Sonntag?
Yeboah: Frankfurt spielt zuhause. Im eigenen Stadion haben wir oft gute Ergebnisse gegen Bayern erzielt. Ich denke, Frankfurt gewinnt mit 2:1.
Externer Inhalt
ran: Auch zu Ihrer Zeit waren die Duelle zwischen Frankfurt und Bayern meist sehr knapp.
Yeboah: Die Spiele waren immer fantastisch. Gegen Bayern gibt man immer sein Bestes. Im April 1994 habe ich ein fantastisches Tor in München geschossen, es war sehr akrobatisch. Und wenn man ehrlich ist: In diesen Spielen hat man nichts zu verlieren. Wenn sie gewinnen, ist es nichts Großes. Wenn man aber gegen sie gewinnt, ist es etwas ganz Besonderes. Wir haben immer an uns geglaubt. Zu dieser Zeit konnten wir jedes Team der Welt besiegen. Gegen Bayern anzutreten, war für uns so, als ob wir gegen ein "normales" Team spielen würden. Auch wenn sie natürlich eine Top-Mannschaft hatten. Aber wir hatten auch auf jeder Position Qualitätsspieler. Diese Zeit war unglaublich. Aber leider konnten wir die Bundesliga nie gewinnen.
Anthony Yeboah: Dei Bundesliga-Legende
ran: Zwei Spielzeiten in Serie wurden Sie Torschützenkönig in der Bundesliga, 1994 sogar, obwohl Sie aufgrund einer Sprunggelenksverletzung elf Spiele lang pausieren mussten. Ohne Sie konnte Frankfurt in jener Saison nur drei Siege einfahren.
Yeboah: Ich war in Top-Form. Ich glaube, ich habe die Torschützenliste mit acht oder neun Toren Vorsprung angeführt. Leider habe ich mich verletzt und war drei Monate raus. Ich bin zurückgekommen, habe geholfen, dass wir uns noch für den Europapokal qualifizieren konnten und wurde zudem noch Torschützenkönig. Bis heute bin ich sicher: Hätte ich mich nicht verletzt, hätten wir locker die Bundesliga gewonnen. Wir hatten fantastische Spieler: Jay-Jay Okocha, Uwe Bein, Maurizio Gaudino und zwischen 1990 und 1992 war auch Andi Möller noch bei uns. Die Pässe, die sie mir zugespielt haben, um Tore zu schießen, waren fantastisch. Die Mannschaft war historisch, ich denke, sie war das beste Team, das Frankfurt je hatte.
ran: In der vorhin angesprochenen Saison 1993/1994 erzielte Okocha eines der legendärsten Tore der Bundesliga-Geschichte. In der 87. Minute tanzte Ihr Offensiv-Kollege nicht nur die Karlsruher Abwehr aus, sondern düpierte auch den späteren Welttorhüter Oliver Kahn. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Yeboah: Ich habe gerufen: "Jay-Jay, spiel mir den Ball zu." Bein hat auch auf ein Zuspiel gewartet und hat geschrien. Aber Okocha wollte nicht zuhören, er hat seinen eigenen Kopf. Für Okocha war alles möglich. Er war einer der talentiertesten Spieler, die ich je in meinen Leben gesehen habe. Von daher hat mich dieser unglaubliche Treffer nicht überrascht. Aber hätte er nicht getroffen, wären wir natürlich alle sauer auf ihn gewesen. (lacht)
ran: Im Dezember 1994 kam es zum Knall. Der damalige Trainer Jupp Heynckes verdonnerte Gaudino, Okocha und Sie wegen einer Lappalie zu einem Straftraining. Das lehnten Sie alle drei ab.
Yeboah: Manchmal passieren solche Dinge. Im Leben kann nicht immer alles glatt laufen, manchmal gibt es Schwierigkeiten. Aber inzwischen ist alles wieder gut. Mein Verhältnis zu Frankfurt ist noch immer ausgezeichnet. Ich bin Botschafter der Eintracht. Daher bin ich nach wie vor regelmäßig in Frankfurt. Auch das aktuelle Management ist spitze und sehr professionell.
ran: Im Januar 1995 wechselten Sie zu Leeds United. Wie ist Ihre Erinnerung daran?
Yeboah: In Frankfurt war ich ein Star, die Fans standen immer hinter mir. Auch in Leeds bin ich mit der Zeit zum Star geworden. Ich bin sehr froh über meine Fußball-Karriere. Ich war so erfolgreich.
ran: Von 1997 bis 2002 spielten Sie auch noch für den Hamburger SV.
Yeboah: Eine gute Zeit, obwohl der Start in Hamburg sehr schwierig war. Ich wurde älter, steuerte auf das Ende meiner Fußball-Karriere zu. Aber schlussendlich wurde ich auch ein Star beim HSV. Hamburg ist als Stadt sehr schön und auch mit dem Verein bin ich noch in gutem Austausch.
Bundesliga-Transfergerüchte: Eintracht Frankfurt plant für Marmoush-Abgang - Nachfolger schon im Visier
ran: Sie hatten auch Angebot von absoluten Top-Clubs. 1993 war zum Beispiel der FC Bayern an Ihnen dran.
Yeboah: Stimmt. Als Diego Maradona kurz davor war, Neapel 1992 zu verlassen, war der Verein hinter mir her. Sie wollten mich unbedingt. Aber Frankfurt hat Nein gesagt. Ein Jahr später hatte ich die Chance, zu Bayern zu wechseln. Der Transfer stand ganz kurz bevor. Nachdem ich mich mit Bayern geeinigt hatte, und auch Frankfurt ursprünglich bereit war, mich gehen zu lassen, bin ich nach Ghana gereist. Ich habe Bayern gesagt, dass ich unterschreibe, wenn ich zurückkomme. Dann hat aber Frankfurt wieder Nein gesagt.
Yeboah wäre fast beim FC Bayern gelandet
ran: Wie waren die Verhandlungen mit Uli Hoeneß?
Yeboah: Ganz gut. Aber er war ein bisschen verärgert, dass nichts aus dem Transfer wurde. Aber Frankfurt hat mir den Wechsel nicht erlaubt. Der Eintracht wäre ein Verkauf ins Ausland lieber gewesen. Am Ende bin ich geblieben und wir haben wirklich noch eine tolle Zeit erlebt.
ran: 1988 sind Sie von Okwawu United aus Ghana nach Deutschland gewechselt. Wie groß war die Umstellung für Sie?
Yeboah: Es war natürlich hart. Damals waren noch nicht viele Afrikaner in Deutschland. Die Sprache war sehr schwierig, die Ernährung und das Wetter war auch ungewohnt. Es war wirklich nicht einfach. Am Anfang wollte ich schnell wieder nach Ghana zurück. Aber mein Berater hat mir gesagt, ich solle bleiben. Ich kann mich erinnern, dass ich für ein Probetraining nach Dortmund gegangen bin. Andi Möller hat sich um mich gekümmert. Er hat mir gesagt, dass sich das Wetter noch ändern werde, dass alles besser werden würde. Er hat mich motiviert. Das werde ich ihm nie vergessen. Es war fantastisch. Dann habe ich Andi 1990, als ich von Saarbrücken nach Frankfurt gewechselt bin, wieder getroffen und wir waren Teamkollegen. Das war etwas ganz Besonderes.
ran: Wie sieht Ihr Leben jetzt aus?
Yeboah: Ich bin im Immobiliengeschäft. Ich habe zwei Hotels, eines in Accra und eines in meiner Geburtsstadt Kumasi. Mir geht es gut und ich bin sehr stolz auf meine tolle Familie. Vergangenes Jahr hat eines meiner vier Kinder die Schule abgeschlossen. Das war wirklich toll. Das Leben in Ghana ist schön. Ein traumhafter Ort und die Menschen sind sehr freundlich. Leute, die nach Ghana kommen, werden ihre Zeit hier genießen.
ran: Ihr Kumpel Okocha fährt gerne Motorrad. Sie auch?
Yeboah: Nein. Okocha ist verrückt. (lacht) Motorradfahren ist nichts für mich, ich kann es nicht. Es ist zu gefährlich. Okocha und ich sind noch immer sehr gut befreundet, wir sprechen regelmäßig. Seine Heimat Nigeria und Ghana sind nicht weit voneinander entfernt. Wenn die Eintracht uns nach Frankfurt einlädt, reisen wir oft gemeinsam hin.